Kein Rückblick, dafür ein Ausblick.

Ende Dezember, der traditionelle Zeitpunkt an denen man an jeder Ecke mit Rückblicken auf die letzten zwölf Monate überschüttet wird. Finde ich jedes Jahr auf ein Neues gruselig und bis heute hat sich mir der Sinn und Zweck auch nicht so ganz erschlossen. Auf jedem Fernsehsender laufen jetzt Shows, die einem die Bilder des letzten Jahres noch einmal um die Ohren prügeln. Da sitzen irgendwo Leute in Redaktionen und beschließen, was das vergangene Jahr besonders rührend, lustig, grausam, schrecklich, katastrophal, irrwitzig oder bewegend war. Gut, daß ich kein Fernsehen gucke. Ich muß so etwas nämlich echt nicht haben. Genauso schnell klicke ich auch wieder weg wenn ich den drölfzigsten Rückblick aufs Jahr in einem Blog lese. So nach dem Motto “Im Mai war ich da und im Juni ist das passiert und im Juli …”

Kann ich nicht drauf. Das ist wie dreimal eingefrorene und aufgetaute Suppe, schmeckt genauso scheiße. Was ich hingegen mit Begeisterung lese das sind Gedanken und Reflexionen über die eigene Person. Wenn jemand sich auf den Arsch setzt und darüber reflektiert was ihm oder ihr das vergangene Jahr gebracht hat an Erfahrungen und Entwicklungen, da bin ich voll für und so etwas lese ich auch gerne. Das langweilt mich dann nicht, das finde ich spannend wenn jemand in der Lage ist öffentlich und laut über sich selber nachzudenken. In Ordnung, Menschen die das können tun das selten in den traditionell dafür vorgesehenen Zeiträumen sondern dann wenn sie es für notwendig erachten … Sind wir mal nicht so.

Weil ich also etwas gegen traditionelle Rückblicke habe und diese Abneigung sich gleich auf ein weiteres Phänomen dieser Jahreszeit erstreckt, gibt es hier keinen Rückblick. Und natürlich auch keine guten Vorsätze, die kann ich nämlich genauso wenig leiden wie die lästigen Rückblicke.

Statt also zurück zu blicken denke ich die letzten Tage darüber nach, was ich zukünftig tun möchte. Einschließlich aber nicht nur beruflich. Denn je mehr ich darüber nachdenke und in mich hinein höre desto mehr wird mir klar daß ich keine Sachbearbeiterin bin, die jeden Tag ohne groß nachzudenken den gleichen Routinescheiß erledigt, pünktlich zum Feierabend den Stift fallen läßt und nach Hause eiert. Ich muß denken können dürfen, einer meiner persönlichen Haßsätze ist “Sie werden hier nicht fürs Denken bezahlt!” Geht gar nicht. Ich muß mit Problemen konfrontiert werden die nicht nach Schema F Lösungen verlangen sondern den Einsatz von der grauen Masse unter meiner Schädeldecke. Ich muß lernen können und das beständig. Ich muß den Raum haben kreative Lösungen zu finden und ich brauche Menschen um mich herum, die ähnlich ticken wie ich. Nichts ist anstrengender als Menschen, die andere für sich arbeiten lassen wollen und nie für irgendetwas verantwortlich sein möchten sondern stattdessen in Teamsitzungen stundenlang jedes Kommata und jeden Punkt bereden müssen.

Die Frage, die ich mir nicht ganz beantworten kann und mir trotzdem seit Wochen im Kopf herum spukt, ist schlicht “Was mache ich jetzt?” Lohnt es sich, beruflich mit 35 eine Kehrtwende zu machen und etwas Neues anzufangen? Wieder Schule oder Uni? Oder doch lieber bei dem bleiben was ich kann? Bei dem Gedanken, die nächsten dreißig Jahre irgendwo in einem Büro zu verbringen, täglich den ewig gleichen Routinescheiß zu erledigen, womöglich noch ständig mit kackbratzigen KollegInnen zu tun zu haben und in altmodischen Strukturen fest zu hängen nach dem Motto “Wir haben das aber immer schon so gemacht” wird mir schlecht. Das sind Gedanken, da läuft mir ein Schauder nach dem anderen über den Rücken. Die letzten sechs Jahre haben sich in der Hinsicht echt tief unter die Haut gebrannt, tiefer als ich mir das je hätte eingestehen wollen. Und ich hab immer das Gefühl ich kann von allem so ein bißchen aber nichts wirklich richtig, herausragend gut. Macht die Sache jetzt nicht einfacher. Übrigens, lieber Arbeitgeber: Manieren sind heutzutage zwar nix mehr wert aber eine Rückmeldung von Euren Personalern wäre trotzdem mal ‘ne prima Sache. Vielleicht auch ohne Euch erst dreimal hinterher telefonieren oder mailen zu müssen.

Auch wenn ich mir nicht ganz im Klaren darin was ich mit meiner beruflichen Zukunft anzustellen gedenke, weiß ich immerhin was ich mit meiner Freizeit tun möchte. Ist doch auch etwas wert. Ganz vorne steht die Sache mit der Fotografie, vor allen Dingen analog. Nachdem hier jetzt die ein oder andere analoge Kamera den Weg zu mir gefunden hat und mich dieses Thema wirklich fasziniert möchte ich gerne mehr darüber lernen. Und ausprobieren. Filme, Kameras und Objektive. Mit Bildern spielen, anders sehen und lernen. Ich hab schon konkrete Notizen für diverse Projekte zum Thema analoge Fotografie. Der Hammer wären andere Menschen, die auch analog fotografieren, zum Gedanken und Ideen austauschen. Touren zum analogen Fotografieren von Industriekultur? Oder die Möglichkeit das selber entwickeln zu lernen. Generell viel mehr fotografieren, vor allen Dingen Menschen. Ich fotografiere viel zu selten Menschen, auch weil ich kaum Menschen kenne die nicht sofort anfangen die “ich bin aber so unfotogen” Keule rauszuholen um damit auf meine Kamera einzudreschen. Der absolute Traum wäre eine “Mindclass” beim Stilpiraten, für den Traum werde ich lange sparen müssen.

Ich möchte nächstes Jahr mehr vom Ruhrgebiet sehen. Ich liebe diese Region und ich finde sie absolut spannend. Es fehlen mir immer noch so viele Sehenswürdigkeiten der Route Industriekultur, so viele Zechen die ich noch nicht kenne, so viele Halden und Landmarken die ich noch nicht mit meiner Kamera belästigt habe. Deswegen sitze ich immer wieder mit diversen Ruhrpottführern auf’m Poppes und such Ausflugsziele, die mich interessieren. Eine Ruhrpott-Bucketlist, sozusagen. Sollte Euch etwas einfallen was man unbedingt gesehen haben muß, immer her mit den Ideen.

Generell mehr Raum für Kreativität, für Bastelei und Strickprojekte. Wieder mehr und bewußter kochen, neue Rezepte und Lebensmittel ausprobieren. Rezepte so lange abwandeln bis etwas Neues dabei herum kommt, Rezepte schreiben und Fotos davon machen. Das Montagsrezept als 14tägiges festes Blogprojekt. Überhaupt, das Blog. Endlich eine Richtung für das Blog finden, mich mehr damit zu beschäftigen statt es immer nur nebenher mit Inhalt zu füllen wenn mir grad mal danach ist. Schließlich ist das mein Ort, mein Wohnzimmer im großen weltweiten Netz. Ich möchte auch gerne das “Foto der Woche” in 2015 fortführen, falls nötig auch unabhängig von der originalen Idee. Seiten überarbeiten, aktualisieren, das Layout weiter anpassen und wenn ich es mir wieder leisten kann den Blogpotential Workshop 3 (oder 4 oder 5? Wenn es einen geben sollte) zu besuchen. Wieder mehr recherchieren, Dokus und Artikel kommentieren, kritischer schreiben.

Was wünsche ich mir sonst noch so für 2015? Lernen, mehr lernen, noch mehr lernen, frischen Wind, kreativ sein können, nette Begegnungen und Menschen. Und Ihr so?

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