Sonnenaufgang. Rosa-Orange angestrahlte Wolken über Häuserdächern, unten zentriert der Schriftzug "#Journal 5. November 25"

#Journal 5. November 25

Ich bin in der Winterzeit angekommen. Und wache heute exakt um 5:59 Uhr auf, eine Minute bevor mein Wecker seinen Dienst antritt. Den ich pflichtschuldig dahin zurück schicke, wo der Pfeffer wächst und mich noch einmal herum drehe, so für ein halbes Stündchen Augenpflege. Denn auch sechs Uhr morgens ist nicht meine Zeit. Im nächsten Leben werde ich Nachtwächterin. Einmal die Stunde mit dem Hund übers Gelände latschen und die restliche Zeit mit einem guten Buch herum sitzen während man mich fürs Lesen bezahlt? Nähme ich sofort, den Job. Käme ich auch endlich mal dazu, den Stapel ungelesener Bücher zu verkleinern.

Noch ist es morgens hell wenn ich zum Büro fahre. Kurzes Hadern am Schlüsselbrett, ob ich nicht vielleicht doch bequemerweise mit dem Beschleunigungsmonster fahren soll? Entscheide mich dagegen und nehme das Fahrrad. Ich bin zum Mittagessen in der Mensa der WHS mit einem ehemaligen Kollegen verabredet. Da findet man um diese Jahreszeit nie einen Parkplatz, dann muß ich wieder ewig laufen und überhaupt, mit dem Rad bin ich in fünf Minuten da weil ich quer durch den Park fahre, ohne Ampeln und irgendwo warten. Und abstellen kann ich mein Gefährt direkt vor der Türe. Ist ja schon gut, ich lasse das Auto heute stehen, radeln ist auch besser für die Gesundheit …

Mein Mittags-Date habe ich im Voraus nicht daran erinnert, daß wir heute eine Verabredung zum Essen hatten … So ist er schon da und bereits satt. Während ich also mein Tofu Tikka Masala esse, trinkt er einen Kaffee und immerhin bleiben uns ein paar Minuten zum Plaudern, bevor er wieder zurück an die Schippe muß. Keiner von uns beiden arbeitet bei der WHS, wir wohnen und leben in der Nähe. Wer jetzt eine klassische Schul-Mensa vor Augen hat, wo man normalerweise mit irgendwelchem Pamp abgespeist wird, dem sei gesagt, daß die Küche der WHS sich nach den Richtlinien der DEG richtet und wirklich gute und ausgewogene Speisen anbietet. Ja, es ist immer noch Convenience. In hochwertig und lecker für kleines Geld.

Witzigerweise hat mein Mittags-Date seinen neuen Rucksack dabei. An dem mir etwas sehr bekannt vorkommt. Stellt sich heraus, er hat das gleiche Modell in einer anderen Farbe, das ich mir am Sonntag bestellt habe. So kann ich mir in der Realität schon mal angucken, was mich am Freitag im Büro erwarten wird. Das neue Transportutensil für mein Notebook soll morgen geliefert werden. Ins Büro, wo ich mittlerweile fast alles hin liefern lasse – da ist nämlich immer jemand, um meine Sendung in Empfang zu nehmen, selbst wenn ich, so wie morgen, im Home Office sitze. Und dort habe ich noch nicht so viele ärgerliche und skurrile Dinge erlebt mit diversen Botendiensten wie zu Hause. Katastrophe ist dafür noch eine wohlwollende Beschreibung.

Die Sonne hat sich schon verabschiedet als ich Feierabend mache. Und den angesagten Supermond kann ich am Himmel nicht entdecken, er hat sich anscheinend hinter Wolken versteckt. Am Supermarkt angekommen stelle ich dann fest, daß es zwar für die Mittagspause eine super Idee war, mit dem Rad zu fahren, ich jetzt dafür mit Handtasche, Notebooktasche (die ich mit Sicherheit nicht unbedarft in der Packtasche zurücklasse) und Fahrradkorb bepackt durch den angesteuerten Supermarkt latschen muß. Sieht ein wenig aus, als wollte ich dort einziehen. Ausgezogen zu sein scheinen dafür die Hälfte der Produkte, die ich auf dem Einkaufszettel stehen habe. Läuft ja super.

Gehört habe ich auf einem Ohr beim Radeln und Einkaufen zwei Podcasts: „Begradigung – Weshalb Flüsse nicht mehr frei fließen durften“ von BR Radiowissen und „Horror und Halloween – die Lust am Grusel“ von Der Rest ist Geschichte (Deutschlandfunk). Ich höre unglaublich gerne Podcasts beim Spazieren gehen, Radfahren (da nur auf einem Ohr, damit ich von der Umgebung noch etwas mit bekomme), Aufräumen oder Kochen. Und ich bin seit Jahren begeisterte Nutzerin der ARD Audiothek.

Seit Wochen mache ich einen großen Bogen um die Stadtbild-Diskussion, die ich in all ihren Folgeerscheinungen einfach nur widerlich finde. Erstaunt war ich allerdings darüber, daß man unserem Außenminister aus den eigenen Reihen hinter vorgehaltener Hand den Rücktritt nahe legt. Dafür, daß er ausgesprochen hat, was er in Syrien vor Ort (!) gesehen hat. Merke: sagt man in der CDU die Wahrheit, wird man mit Rücktritt bedroht. Gibt man hingegen mit vollen Händen Steuergelder aus und mauschelt dabei so dämlich, daß man erwischt wird, dann decken einem die Kollegen den Rücken und man darf weiterhin in der Spitzenpolitik mit spielen. Hat hier jemand Masken-Deal gesagt? Aber bevor ich mich darüber aufrege, schicke ich Euch weiter zum Unkreativen, der hat das mit viel passenderen Worten, als ich sie finden könnte, zusammen gefaßt: Syrien: Von einer Politik, die das Menschliche verloren hat.

Und jetzt lasse ich die Welt dort, wo sie um die Uhrzeit hingehört: vor der Türe. Ich habe noch eine vierbändige Saga auf dem Nachtisch liegen, die darauf wartet, mich nach Osten Ard zu entführen. Wird mal Zeit, da ein paar Meter zu machen. Oder das ein oder andere Kapitel zu lesen. Realitätsflucht? Ich bin erwachsen, ich darf das.

„Ein kluger Mensch weiß, daß er dumm ist, und das macht ihn klüger als die meisten.“ Binabik von Yiqanuc bringt den heutigen Tag auf den Punkt.

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