Nur noch fünf Mal schlafen und zwei Mal arbeiten, dann hat der vorweihnachtliche Wahnsinn ein Ende, wir sind alle für drei Tage ultrabesinnlich und tauschen nach dem Weihnachtsfest fleißig Geschenke um, die nicht unseren Geschmack getroffen haben. Danach kann ich auch wieder in die Stadt fahren ohne daß mir der Geruch von Glühwein Brechreiz verursacht, es überall leuchtet und man mir meine Gehörgänge mit kitschigen Weihnachtssongs verklebt. Und nächstes Jahr schaffe ich für alle unter 18 die Geschenke ab. Merkt man, daß mich Weihnachten wieder akut nervt? Gar nicht, oder?
Immerhin, nächste Woche sind fast alle Kollegen schon im wohlverdienten Weihnachtsurlaub, das werden zwei sehr ruhige Arbeitstage. Die ich dafür zu nutzen gedenke, das neue Jahr vorzubereiten und sonstigen Kleinkram für die Buchhaltung zu erledigen. Um meinen Schreibtisch ordentlich zu hinterlassen. Mir macht das schlechte Laune, wenn ich nach dem Urlaub Chaos vorfinde. Oder eine seitenlange Liste mit Punkten, die erledigt werden wollen.
Überhaupt, schlechte Laune. Noch so ein Stichwort. Da hat mich auch keiner drauf vorbereitet, daß dieser Hormonzirkus mich mit Mitte vierzig nur noch in zwei Ausführungen zuläßt: entweder super vergesslich oder super genervt. So die Art von genervt, wo man Gefahr läuft, etwas spitzes in die Rippen gerammt zu bekommen wenn man mir guten Morgen wünscht. Ehrlich, das macht wirklich keinen Spaß mit mir. Zumindest ich habe keinen Spaß mit mir und das ist echt unglaublich anstrengend, diese Impulse wegzuatmen. Man gebe mir eine Höhle, irgendwo abgelegen und weit weg von Menschen. Beheizt wäre nett und wenn sie Platz für eine Menge Bücher hätte? Ich würde sofort einziehen.
Beschäftigt war ich die letzten Tage. Hauptbroterweb, Weihnachtsfeiern, Nebenjob, To-Do-Listen schreiben und abarbeiten, Notizen sortieren und neue Excel-Tricks ausprobieren. Gerade mit dem letztgenannten Punkt kann ich ja eine Menge Zeit über den Jordan schicken. Und dann ist es plötzlich halb zwei in der Nacht und statt einfach nur die eine, neu gelernte Funktion getestet zu haben, bin ich jetzt im Besitz einer umfangreichen, automatischen Auswertung meiner Kontobewegungen und weiß, wofür ich so mein Geld zum Fenster hinauswerfe … Mit Auflistung, Budget und Tortendiagramm. Was man halt so macht, wenn man all die schicken Funktionen mal in Aktion sehen möchte. Zumindest kann ich das Ergebnis noch anderweitig einer zweiten Verwertung zu führen. Dafür braucht es nur noch die ein oder andere Anpassung. Das mache ich dann mal eben und dann wird aus mal eben wieder mitten in der Nacht.
Mein Hirn ist da wie so ein Pitbullterrier: einmal verbissen läßt es erst los, wenn der Gegner keinen Mucks mehr macht. Dafür schwächelt es aktuell an anderer Front, ich werde nämlich phasenweise vergesslich und statt Sachverhalte klar zu speichern, herrscht dann recht viel Nebel unter der Schädeldecke. Es kann passieren, daß mir jemand etwas sagt und ich zwei Minuten später schon nicht mehr weiß, was die Person von mir wollte. Und glauben Sie mir, das ist verdammt gruselig für jemanden wie mich, dessen außerordentlich gutes Gedächtnis die maßgebliche Stütze meiner Fähigkeit ist, den Überblick zu bewahren. Mittlerweile schleppe ich ständig Notizbücher mit mir herum, mit der Hand schreiben hilft mir in diesen gruseligen Phasen, Dinge besser im Gedächtnis zu verankern – bevor sie im Nebel des Vergessens verschwinden.
Hat mir vorher auch keiner gesagt, was diese zweite Pubertät so alles mit einem veranstaltet. Wer sich mal gruseln möchte, der kann nach den Symptomen von Wechseljahren recherchieren. Von wegen nur Hitzewallungen und schlechte Laune, die können eine ganze Dinge mehr. Und nix davon finde ich sonderlich schön oder erstrebenswert. Gerade diese Brain Fog Geschichte kotzt mich ziemlich an. Älter werden ist nichts für Weicheier. Und wenn es im Hirn nebelt, dann lagere ich die wichtigen Infos eben in Notizbücher aus.
Im Nebenjob schwimme ich aktuell dem Schiff noch ein wenig hinterher, das wird noch ein Weilchen brauchen, bis ich da vor die Welle komme und die Aufgaben wirklich im Griff habe. Allerdings freut mein Hirn sich darüber, denn mit jeder gelösten Aufgabe und jedem „Aha!“ Moment kriegt es einen kleinen Dopaminkick. Zum guten Schwimmer wird man schließlich nur mit ausreichend Training und so schwimme ich einfach weiter. Bis sich Routinen eingeschliffen haben und ich mit Überzeugung sagen kann „Ich weiß exakt, was ich hier tue.“
Etwas, womit ich noch nie Probleme gehabt habe: einzugestehen, daß ich etwas nicht weiß. Mir ist das auch vollkommen wumpe, ob mein Gegenüber acht oder achtzig ist, ich lasse mir gerne Sachverhalte erklären. Übrigens, gerade Kinder fahren da voll drauf ab, wenn ein Erwachsener sich von ihnen etwas beibringen läßt. Von Kindern lernen, wäre vielleicht mal einen eigenen Beitrag wert.
Nicht von einem Kind, sondern von jemandem mit viel Erfahrung in der Lokalpolitik habe ich mir hingegen heute Nachmittag ein wenig auf die Sprünge helfen lassen. Ich war in Duisburg mit dem Herren aus dem Nachbarblog Torte essen, der war so freundlich, mir Anfängerin eine Nachhilfestunde zu geben. Und ja, meine Torte war auch super, blieb allerdings unfotografiert. Einen herzlichen Dank an den Unkreativen für die wertvollen Impulse und die Spitzen-Adresse für leckeren Kuchen. Mir fallen bestimmt noch Fragen ein, die man im nächsten Jahr über Tee und Torte erörtern kann.
Auf dem Rückweg von Duisburg stehe ich im Stau und nutze die Zeit, um mir den ersten Teil des Podcasts „Seweryna und die unsichtbaren Nazis“ von Alles Geschichte – Der History-Podcast anzuhören. Kann ich nur empfehlen, sich das anzuhören. Ich bin gespannt auf die restlichen Teile, jetzt ist Wochenende, da kann ich beim Putzen hervorragend Podcasts hören. Generell bin ich ein großer Fan von Alles Geschichte. Gut, ich bin einfach ein Geschichts-Nerd, ich kann meine Mitmenschen zuwerfen mit interessanten Büchern, Dokus und Podcasts, die sich um Geschichte drehen.
Allerdings entscheide ich mich zu Hause dann doch lieber für instrumentale Musik, setze den Kopfhörer auf, starte das Notebook und suche mich durch eine, für mich nicht recht ersichtliche, Ablage des Nebenjobs, deren Logik sich mir nicht ganz erschließen will. Denn um ein neues Ablagesystem einzuführen, sollte ich zumindest grob wissen, welche Art von Dokumenten so anfallen. Und wer auf was Zugriff benötigt. Nebenbei sortiere ich meine wilden handschriftlichen Notizen des Tortentreffs und mache daraus Aufgaben für mich, die es in den nächsten Wochen abzuarbeiten gilt. Und, wie sollte es anders sein, plötzlich ist es schon wieder zehn Uhr. Pitbullhirn, sag ich doch.
Jetzt ist Wochenende. Zünden wir am Sonntag das vierte Kerzlein auf dem Kranz, sodenn einer vorhanden ist, an und machen es uns gemütlich. Ich finde, wir haben uns das verdient.
