#Journal 9. November 25

Schicksalsgeplagter Tag, dieser neunte November. Dabei ist mir heute erst gar nicht aufgefallen, daß heute vor hundertsieben Jahren die Novemberrevolution statt fand, vor hundertzwei Jahren der Kunstmaler aus Österreich sich im Putschen versuchte und fünfzehn Jahre später mittels seiner Schergen den zynisch getauften „Volkszorn“ entfesselte, der den Übergang von Diskriminierung zu offener Verfolgung und Ermordung markierte. Immerhin, vor sechsunddreißig Jahren haben die Deutschen die Mauer zum Einsturz gebracht. Gibt Momente, da frage ich mich, was wir eigentlich wirklich aus unserer deutschen Geschichte gelernt haben. Dann dünkt mir in Anbetracht der aktuellen politischen Entwicklungen, daß das nicht viel gewesen sein kann.

Düstere Stimmung heute. Nachdem ich gestern Abend, eigentlich mehr so mitten in der Nacht, damit angefangen hatte, mein Notebook aufzuräumen, während ich schlafender Kinder bewachte, dachte ich mir, ich könne heute einfach mit dieser Aufgabe weiter machen. Es sammelt sich ja schon eine ganze Menge Krempel an. So digitaler Hausputz? Sollte man gelegentlich machen. Statt also Dateien zu sichten, zu ordnen und zu entscheiden, was in die virtuelle Mülltonne kann, beginnt mein Tag mit einer Tasse Tee und Frust. Ich bin irgendwann so dermaßen genervt von Adobe und seinem Acrobat Reader, daß ich sämtlichen Adobe-Rotz kurzerhand von meinem Notebook schmeiße.

Diese ständigen Pop-Ups und Aufforderungen gehen mir wirklich auf den Sack. Und sie lassen sich nicht abschalten, ich hab das versucht. Danach konnte ich die drölfzighundert Untermenüs in den Einstellungen auswendig singen und rückwärts tanzen – der Blödsinn war immer noch da. Der skurrilste Tip zu meinem Problem: trennen Sie Ihren PC vom Internet, öffnen Sie das PDF mit Acrobat und verbinden sich danach wieder mit dem Internet, um keine Angebote und Tips mehr zu erhalten. Ernsthaft, das kann doch nur Satire sein. Oder?

„Oh, Sie haben ein längeres Dokument geöffnet. Soll ich es für Sie zusammenfassen?“ – Nein, sollst du nicht, ich bin des Lesens mächtig, und was zum Geier willst du an einem zweiseitigen Schreiben des Finanzamtes zusammenfassen?
„Oh, haben Sie eigentlich schon unsere superduper tolle Funktion gesehen und möchten Sie das jetzt mal ausprobieren?“ – Nein, möchte ich nicht. Ich will einfach nur den verdammten Text in dem PDF lesen.
„Oh, Sie speichern die Datei. Soll ich es für Sie in der Adobe Cloud speichern?“ Natürlich. Nicht. Mit Sicherheit werde ich meine privaten Dateien mit vertraulichen Daten in deiner Cloud speichern, der ich nicht weiter traue, als ich mein Notebook werfen kann. Mache ich den Eindruck, ich sei mit dem Klammerbeutel gepudert?

Mit diesem Mist habe ich mich über zwei Stunden aufgehalten. Jetzt habe ich mir eine Alternative installiert und schaue mal, wie die sich so schlägt. Immerhin hat sie keine KI-Funktionen und stört mich nicht mit hilfreichen Pop-Ups, wenn ich einfach nur einen Text in einem PDF lesen möchte.

Und sonst so? Sortiere ich den Tag über Dateien, lösche alten Krempel, finde interessante Sachen wieder, lege neue Verzeichnisse an, benenne Dokumente um, die ich mal mit nichtssagenden Titeln wie „Arbeitsentwurf“ irgendwo abgelegt habe, und denke immer mal wieder darüber nach, wieso ich privat eigentlich so gerne Dateien horte. Stehe gelegentlich auf, um Tee zu kochen oder mich auf die Couch zu legen für ein Nachmittagsschläfchen.

Geärgert hat mich am Ende des Tages noch der Essenslieferant. Ich weiß, ich weiß. Das gute, alte Telefonat, der menschliche Kontakt und so. Ehrlich gesagt, ich haße das, irgendwo anzurufen, um mir etwas zu essen zu bestellen. Ich bevorzuge es, das online zu tun. Mich nervt das einfach – meinen Namen, die Adresse, Telefonnummer und Bestellung fünfmal brüllend ins Telefon zu buchstabieren, weil bei meinem Gegenüber im Hintergrund gerade die Essensbude abgerissen wird. Und am Ende steht der Fahrer irgendwo anders, weil die Adresse falsch aufgeschrieben wurde. Oder klingelt Sturm bei meinen Nachbarn, weil mein unglaublich komplizierter Nachname aus fünf Buchstaben, der klar auf dem Klingelschild zu lesen ist, trotz dreimaligen Buchstabierens kreativ ausgelegt wurde. Um mir am Ende noch das falsche Gericht zu überreichen.

Ich will das alles nicht. Meinen Namen und meine Adresse möchte ich irgendwo eintippen, ebenso meine Bestellung, um das dann einfach abzuschicken und der Dinge zu harren, die kommen. Oder – wie heute – halt auch nicht kommen. Nach über anderthalb Stunden habe ich nix zu essen, dafür Hunger und richtig schlechte Laune. Weil ich jetzt doch anrufen muß, um mal freundlich zu fragen, ob die Bestellung heute noch geliefert wird.

Schuld ist natürlich wieder niemand, das System ist doof, und überhaupt – ich hätte ja auch telefonisch bestellen können. Alter Vatter, bei sowas werde ich fuchsig. Wirklich. Wenn ich fünfmal meine halbverstandene Adresse hätte buchstabieren und meine Bestellnummern in die Leitung hätte schreien wollen, dann hätte ich direkt zum Telefon gegriffen und nicht zur Tastatur. Die Diskussion in einer Sprache, derer ich nicht mächtig bin, mit der Küche, die mir laut ins Ohr gebrüllt wird, macht meine Laune nicht besser. Wenn euch Online-Bestellungen nerven, dann bietet halt keine Möglichkeit für eure Kunden an, so an ihr Essen zu kommen.

Genervt lege ich auf. Cookie wird die Türe öffnen und zwei Stunden nach Bestellung dann doch mal unser Abendessen in Empfang nehmen. Ich fürchte um das Leben des armen Menschen, der doch nur das Essen ausliefern soll und nix für die Misere kann. Er bringt nicht nur das Essen, sondern auch Gratis-Getränke, die er mit einer langen Erklärung an Cookie übergibt, in denen irgendwo das Wort „Update“ vorkommt … Jetzt sorgen Updates schon dafür, daß ich schlechte Laune durch Hunger bekomme? Grml.

Merke: heute scheint der Tag der schlechten Laune durch Bits und Bytes. Positiv vermerken hingegen kann ich, daß ich die Festplatte meines Notebooks entrümpelt, neu geordnet und Platz geschaffen habe. Kann ich ja demnächst mit dem NAS und dem Smartphone weiter machen. Dort liegt noch genug digitales Chaos herum.

Zum Glück ist der Tag so gut wie vorbei. Und morgen dann: neue Woche, neues Glück.

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