„Gab es eigentlich auch Piratinnen?“ der Gedanke schoß mir durch den Kopf, als ich zum xten Mal „Pirates of the Caribbean“ guckte. Aus unerklärlichem Grunde habe ich einen Faible für diese Filme und mir ist natürlich klar, daß sie mit der Realität nicht viel gemein haben. Dennoch inspirierte mich die Filmserie dazu, mich eingehender mit Piratinnen zu beschäftigen. Leider hat die Geschichte Frauen nicht immer auf dem Schirm und dafür können Historiker:innen und Lehrende nicht mal etwas. Die meisten Quellen, mit deren Hilfe wir Geschichte verstehen, wurden von Männern geschrieben. Es gibt schlicht und ergreifend nicht so viele Zeugnisse, die starke Frauen in der Geschichte zum Thema haben.
Aber es gab sie, die Frauen in der Freibeuterei. Auch wenn Frauen an Bord eines Schiffes angeblich Unglück bringen sollten. Deswegen geht man heute davon aus, daß die Frauen unter den Besatzungsmitgliedern als Männer verkleidet waren und nicht öffentlich als Frau in Erscheinung traten. Was anbetracht der Tatsache, daß jeder an Bord den Piratenkodex, eine Art Arbeitsvertrag, unterschreiben mußte, der Frauen und Jungen an Bord verbot, recht logisch erscheint. Ja, den Piratenkodex gab es wirklich, der hatte aber wohl wenig mit dem in den Filmen verbreiteten Ehrenkodex zu tun, sondern beschrieb Verhaltensregeln, Disziplinarmaßnahmen, Regeln für die Verteilung der Beute, Entschädigung verletzter Crew-Mitglieder sowie einige allgemeine Grundsätze. Da konnten die Fabrik-Arbeiter nur von träumen. Ziemlich fortschrittlich, huh?
Ein spannendes Thema, wie ich finde, und so wurden bekannte Freibeuterinnen, die mir bei meiner Recherche über den Weg liefen, zu Namensgeberinnen für die einzelnen Projekte innerhalb meines Jahresvorhabens, mit gut abgelagertem Garn schöne Socken zu stricken. Und die Patin für das erste Paar Socken ist Madame Zheng Yisao.
Wer war nun Madame Zheng Yisao?
Zheng Yisao war eine Prostituierte aus Kanton, die im Jahre 1801 den chinesischen Piratenkapitäin Zheng Wenxian heiratete. Der Gute bekam wohl nicht nur eine hübsche, sondern vor allen Dingen eine sehr geschäftstüchtige Ehefrau. Die Legende sagt, die Sechsundzwanzigjährige hätte der Heirat nur zugestimmt unter der Bedingung, daß sie gleichberechtigt mit ihrem Mann die Macht hielte sowie das gemeinsame Geschäft mit voran treiben dürfe. In den nächsten sechs Jahren bauten die beiden so ziemlich erfolgreich ihre Piraterie weiter aus. Bis Zheng Wenxian im Jahre 1807 unter mysteriösen Umständen ums Leben kam.
Statt nun, wie es sich für eine Witwe gehörte, zur Seite zu treten übernahm Zheng Yisao die Zügel. Sie machte den Stellvertreter ihres verstorbenen Mannes, Chang Pao, offiziell zum Kapitän der Flotte um ihren Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Unter ihrer Herrschaft wuchs ihre Flotte auf geschätzte vierhundert Kriegsschiffe sowie über tausend kleinerer Schiffe und siebzig- bis achtzigtausend Mann an. Die Zahlen variieren hier stark, wie groß die Flotte genau gewesen sei. Einig ist man sich hingegen, daß Madame Zheng mehr Männer und Schiffe befehligte als so manches Land an Marine aufzubieten hatte.
Sie stellte einen beachtlichen Kodex auf, an den sich jedes Mitglied zu halten hatte, und der drastische Strafen bei Verstößen vorsah. Vergewaltigungen, Ehebruch oder Diebstahl untereinander wurden zum Beispiel ausnahmslos mit dem Tode bestraft. So schaffte sie es bis 1808 die Küste der Provinz Guangdong unter ihre Herrschaft zu bringen. Schiffe, die das südliche chinesische Meer befuhren, hatten für ihren Schutz zu bezahlen. Was so ziemlich jedes Handelsschiff betraf, führten die Routen nach Süden durch das von ihr kontrollierte Gebiet.
Madame Zheng Yisao widersetzte sich den chinesischen Gesetzeshütern sowie portugiesischen und britischen Kopfgeldjägern, die man auf sie ansetzte. Und das so erfolgreich, daß die chinesische Regierung 1810 ihre Taktik änderte und ihr eine Amnestie anbot. Sie handelte einen ziemlich guten Deal für sich und ihre Untergebenen aus, setzte sich zur Ruhe, eröffnete ein Spielcasino und verdiente ihren Lebensunterhalt mit Opiumschmuggel. Sie lebte friedlich und in Wohlstand bis sie mit neunundsechzig Jahren verstarb.
Der erfolgreichste Pirat war somit kein Blackbeard oder Störtebecker, sondern eine Frau. Sie war auch die Erste, die mir bei meiner Recherche zu Freibeuterinnen über den Weg lief. Weitere Informationen findet Ihr in einem Podcast sowie einem kurzen Video.
Altes Garn zu neuer Pracht.
Soviel zur Namensgeberin des ersten Sockenpaares im Jahresprojekt „Piratenbräute„. Für mein erstes Projekt habe ich tatsächlich einen Schatz aus meinem Vorrat gehoben. Ein handgefärbtes Garn von Sheepaints (heute Ruppert Garne) in der Qualität FalkyFeet plus, gekauft im August 2011. Leider färbt die Inhaberin von Ruppert Garne schon seit Jahren nicht mehr selber. Den ein oder anderen Strang Sheepaints Garn habe ich noch in meiner Kommode und ich ärgere mich immer mal wieder über mich selber, weil ich mich von etlichen Strängen getrennt habe. Die Farben sind super harmonisch und eignen sich gut für Mustersocken, sie melieren schön ohne dabei das Muster zu verschlucken. Ja, ich mag auch mehrfarbiges Garn, das eignet sich nur sehr häufig nicht für komplexe Muster.
Die Färbung nennt sich Whale Dance, ein tiefes Blau mit graugrünen Akzenten. Dunkles Garn in der dunklen Jahreszeit verstricken … Kann man machen. Die Anleitung, die ich mir dazu heraus gesucht habe, ist von Minna Sorvala und steht in dem Buch „52 Weeks of Socks“. Auch so eines von den Büchern, was aufgrund von zwei, drei Anleitungen den „Muss ich unbedingt haben!“ Reflex ausgelöst hat und seit seinem Erwerb mehr oder weniger unbeachtet im Regal stand. Linea war eines der Sockenpaare, die ich schön fand und die ich unbedingt nacharbeiten wollte.
Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.
Mir gefiel das Bild in dem Buch. Deswegen habe ich mir die Anleitung für meine erste Piratenbraut ausgesucht. Was ich vorher natürlich nicht gemacht habe? Mir die Anleitung durch zu lesen … Und so stellte ich zum Start fest „Öhm … die Socken werden von der Spitze aufwärts gestrickt?!“ Damit wäre das ganze Projekt fast gestorben. Ich mag nicht Toe up stricken, ich bin da sehr altmodisch. Meine Socken starte ich mit dem Bündchen und stricke es bis zu den Zehen, nicht anders herum. Auf einem Nadelspiel, ganz klassisch. Das Gezumpel mit zwei Rundstricknadeln mag ich nicht, kann ich nicht und will ich auch nicht.
Die zweite Hürde, die mein Jahresprojekt fast ins Abseits katapultiert hätte, war die Zopfnadel. Den Chart habe ich mir vorher nicht angeguckt, wozu auch … Dann wäre mir mit Sicherheit aufgefallen, daß da in jeder zweiten Reihe gezopft wird und die Anleitung wäre aus der engeren Wahl geflogen. Und das sehr zügig und weit.
Nun habe ich vorher also weder das eine noch das andere getan und in der Folge guckte ich erst mal recht blöde aus der Wäsche, als ich im Januar den ersten Socken anschlagen wollte. Okay, Nadeln und Garn erst mal wieder weg gelegt und die Anleitung für mich selber umgeschrieben … Zum Glück ist das Muster symmetrisch, kniffelig war nur das Bündchen.
Danach lief es allerdings recht gut, technisch gesehen. Zeitlich gesehen? Nun … Ich sehe mal davon ab, daß die vielen Zöpfe nicht unbedingt dafür gesorgt haben, einen neuen Geschwindigkeitsrekord in punkto Socken stricken im Hause Mupfelheim aufzustellen. Es wird in jeder zweiten Reihe gezopft und die kleinen Zöpfe sind fummelig. Und nervig. Deswegen habe ich kurzerhand auf dem Fuß das Muster abgeändert. Beziehungsweise auslaufen lassen. Statt bis mich bis zum bitteren Ende mit den Minizöpfchen zu plagen. Aber, um mir mal selber auf die Schulter zu klopfen, ich hab das Projekt Teil Eins durch gezogen und es nicht krachend vor der Wand zerschellen lassen.
So hab ich mich bis zum Ende gekämpft und sie sind wirklich hübsch geworden. Dummerweise passen sie mir nicht gut, meine Füße sind einen Ticken zu breit. Oder die Socken zu schmal, wie man das jetzt nehmen mag. Zöpfe ziehen das Gestrick zusammen, das hatte ich nicht mehr so auf dem Schirm … Es reicht also nur ganz knapp für meine quadratisch angelegten Füße.
Hat hier jemand schlanke Füße mit Schuhgröße 39-40 und möchte der dunkelblauen Freibeuterin Madame Zheng Yisao ein neues Zuhause anbieten? Ich lasse sie gerne ziehen, denn um in der Schublade zu versauern sind sie einfach zu schade. Freiwillige vor!
In diesem Sinne: auf zu neuen Ufern mit den Freibeuterinnen!