Roadtrip Sardinien: Von Portoscuso nach Oristano.

Da sind Sie ja wieder, ich freue mich daß Sie mich weiter begleiten wollen während ich von meinem „Roadtrip Sardinien“ erzähle. Beim letzten Mal, welches zugegeben sehr lange zurück liegt, bin ich auf dem Weg nach Portoscuso von der Landkarte gefallen. Heute fahren wir nach Sant’Antioco, gehen dort ins Museum bevor es zum nächsten Stop geht: Oristano. Nehmen Sie Platz während ich im Museum die Hälfte vergesse, durch die fruchtbare Campidanu-Ebene fahre und herausfinde, warum Sarden alle so winzige Autos fahren.

Sardinien Portoscuso Aussicht Balkon

Ein Leben ohne Meer ist möglich …

Er rufe den Helfer, sagt mir der junge Sarde und deutet auf den großen Frachter am Horizont. Das tiefe Dröhnen des Schiffhorns ist bis zu uns zu hören. Es dauert einen Moment, bis ich verstanden habe, was er meint. Das Schiff ruft den Lotsen um in den Hafen einlaufen zu können. Der junge Mann heißt Leandro, ist der gerade zwanzig Jahre junge Sohn meiner Gastgeberin und hat mir mein Frühstück gebracht. Frühstück auf Sardinien besteht für gewöhnlich aus Kaffee und irgendeinem süßen Gebäck, sehr oft einem Hörnchen – „Cornetto“. Hier bekomme ich süßen Zwieback, Marmelade und einen Joghurt. Für mich ist das gewöhnungsbedürftig, ich gehöre mehr so zur Fraktion, die morgens herzhaft und ausreichend essen mögen.

Wo ich herkäme und ob es dort Meer habe wo man surfen könne möchte Leandro von mir wissen. Nein, bei mir gibt es kein Meer. Er könne nicht ohne Meer leben sagt er und deutet mit weitausholender Geste aufs Wasser. Ohne Meer, da würde er unglücklich. Wo solle er denn dann surfen? Nein, ohne Meer leben käme für ihn nicht in Frage. Ich kann ihn gut verstehen. Wenn ich diese Aussicht vor meinem Balkon hätte würde ich auch nicht ohne leben wollen.

Hochmut kommt vor dem Fall.

Zum zweiten Mal schaue ich im Zimmer nach, ob ich alles eingepackt und nichts vergessen habe. Nein, alles eingepackt. Ich bin ziemlich stolz auf mich, habe ich doch alle kleinen und größeren Stolperfallen bisher ganz gut gemeistert. Daß ich mir nicht die Schulter ausrenke beim mir selber auf selbige klopfen grenzt an ein Wunder. Tief und fest habe ich geschlafen, ein neuer Tag liegt vor mir, neue Erfahrungen und Abenteuer warten auf mich. Doch wie wir alle wissen, Hochmut kommt vor dem Fall.

Und der Hochmut bringt mich vor der Tür zur Straße krachend zu Fall. Den Schlüssel habe ich, wie angegeben, oben im B&B auf den Tisch gelegt und die Türe der Wohnung hinter mir geschlossen. Jetzt stehe ich ratlos vor der geschlossenen Haustür und frage mich, wie zum Teufel soll ich die aufkriegen? Ja, die Klinke drücken, so weit war ich schon. Blöderweise gibt es keine Klinke, nur einen Knauf zum Ziehen. Die Türe geht nicht auf wenn man an dem Knauf zerrt. Ich scheitere gerade daran, eine Türe zu öffnen? Meine lebhafte Phantasie spielt mir passend Bilder aus irgendwelchen Horrorfilmen vor, in denen allein reisende Frauen verschwinden.

Da kommt Leandro pfeifend die Treppe hinunter und ich wühle angestrengt in meinem Rucksack als ob ich kontrollieren wolle, daß ich nichts vergessen habe. Zu meinem Glück verlässt der junge Sarde ebenfalls das Grundstück und drückt auf einen Schalter, der von Grünzeug verdeckt wird. Die Türe surrt, das Schloß entriegelt sich und siehe, die Türe läßt sich öffnen. Muß man erst mal wissen, auf Sardinien gibt es in jedem Haus diese elektrischen Türöffner an den Haustüren, auf deren Schalter man drückt um eben jene zu öffnen wenn man das Haus verlassen will.

Auf den Spuren der Phönizier & Punier.

Tofet?“ fragt die Mitarbeiterin an der Kasse des Museo Archeologico Ferruccio Barreca in Sant’Antioco und ich habe keine Ahnung, was sie mir damit sagen möchte. „Tofet, molto interesting!“ sagt ihre ältere Kollegin jetzt mit Nachdruck und in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet. Also nicke ich, zahle meinen Eintritt und bekomme einen englischsprachigen Audioguide. Die beiden Museumsmitarbeiterinnen strahlen mich bis über beide Ohren an. Ich strahle zurück, auch wenn ich immer noch nicht weiß was ein „Tofet“ eigentlich sein soll und was ich jetzt gekauft habe.

Mit meinem Audioguide ziehe ich von einer Station zur nächsten durch das Museum. Und schaue mir archäologische Funde aus Zeiten an, in denen die Phönizier, die Punier und die Römer auf der kleinen Insel Sant’Antioco gesiedelt haben. Sardinien hat eine wirklich reiche und wechselhafte Geschichte, vermutlich könnte ich dort mein halbes Leben in Museen verbringen. Das Wort „Tofet“ taucht zwar hin und wieder in Beschreibungen auf, so richtig klar, was das eigentlich sein soll, bin ich mir auch nach zwei Stunden noch nicht.

Ich bringe den Audioguide zurück. Die jüngere der beiden Mitarbeiterin bedeutet mir mit Handzeichen, ich solle warten, und verschwindet energischen Schrittes durch die Türe hinter der Kasse. Ich schaue die andere Mitarbeiterin an, die mich freundlich anlächelt und „Tofet, now go!“ sagt. Freundlich lächle ich zurück und tue so, als ob ich wüßte, was jetzt passiert. Da kehren die dynamischen Schritte zurück, in den Händen einen Plastikordner, der mir überreicht wird während beide Damen auf mich einreden, ab und zu einen englischen Brocken unter ihr Italienisch mischend.

In dem Ordner finde ich eine deutsche Beschreibung des Tofets, mit Bildern, und endlich kapiere ich, daß ich nicht nur den Eintritt zum Museum bezahlt habe, sondern auch den zum Gelände, auf dem sich diese uralte Kultstätte befindet. Und genau das schaue ich mir dann an, die Dame mit den energischen Schritten geht vorweg, ich folge. Den Hügel hinauf und dann stehe ich dort, man vor Urzeiten die kleinen Gefäße mit den Überresten von verstorbenen Babys und Kindern aufbewahrt hat. Die Wissenschaft scheint sich noch nicht so ganz einig zu sein, ob ein Tofet jetzt ein phönizischer Ritualplatz war, an dem man kleine Kinder geopfert hat, oder doch eher ein Friedhof für eines natürlichen Todes gestorbene Kinder, auf dem Gedenkrituale stattfanden.

Es ist ein schöner Ort um zu früh verstorbener Kinder zu gedenken. Finde ich. Und die Aussicht von dem Hügel ist grandios – leider hab ich meine Kamera im Auto gelassen weil ich nicht wußte ob man im Museum fotografieren darf und an mein Handy in der Handtasche denke ich in dem Moment nicht.

Das ist doch keine Straßeneinfahrt!

Nachdem ich mich winkend von den beiden Angestellten des Museums verabschiedet habe … zwei Mal, denn ich habe meine zum Fahren absolut unverzichtbare Sonnenbrille im Museum liegen lassen … falte ich mich in den Flummi und fahre über die Landbrücke zurück. Mein Weg führt mich jetzt nach Oristano, wo ich die zweite Nacht auf Sardinien verbringen werde. Immer wieder zeigt mir die Navigation die sehr wenig hilfreiche Information „unbekannte Straße“ an, ich falle schon wieder ständig von der Landkarte. Trotzdem finde ich die gut dreißigtausend Seelen zählende Provinzhauptstadt im Nordwesten der fruchtbaren Campidano-Ebene. Gut, ich hab vermutlich mehr von dieser Ecke Sardiniens durch fahren als notwendig gewesen wäre um von A nach B zu kommen, aber was solls. Ich hab Urlaub und immerhin war die Strecke grandios schön.

Oristano dagegen beschert mir das gleiche Spiel wie schon in Portoscuso … Ich fahre in gefühlt konzentrischen Kreisen um mein Ziel herum und vermutlich verzweifelt die Navigation an mir. Hätte ich den Ton an, würde mich das Teil wahrscheinlich lauthals anschreien „Ich habe jetzt zum FÜNFTEN Mal gesagt, du sollst da links abbiegen!“ Mache ich nicht, ich fahre stur an jeder Straßeneinfahrt vorbei, die für mich mehr aussehen als handele es sich dabei um Hofeingänge. Das kann doch keine Straße sein! Oder doch? Die Navigation hat recht, es ist in der Tat eine Straße und mehr noch, es ist die Straße an der sich mit einem winzig kleinen Schild über der Türe mein Bed & Breakfast für die heutige Nacht versteckt.

Gut, immerhin weiß ich wo ich die Nacht verbringen werde. Was aber ist mit dem Flummi? Wo parkt man denn hier ohne Gefahr zu laufen, abgeschleppt zu werden? Ich quetsche den Flummi rückwärts zwischen zwei Autos, die auf einem kleinen Platz vor meiner Unterkunft stehen. So steht er keinem im Weg und, wie ich später lernen werde, das weiße Viereck auf dem Boden zeigt mir an, welche Fläche frei zu bleiben hat um den durchfahrenden Verkehr nicht zu behindern. Kein Wunder, daß die hier alle so winzige Autos fahren. Mit einem normalgroßen Auto kommt man doch nicht durch all diese engen Sträßchen!

Spaziergang durch die Stadt.

Wie gestern schon habe ich auch heute noch Zeit bis zum Einchecken. Und so lasse ich den Flummi zurück um mich auf die Suche nach einem Restaurant oder einer Pizzeria zu machen denn allmählich habe ich wirklich Hunger. Die Energie von meinem Frühstücks-Zwieback ist schon lange aufgezehrt.

Ich erkunde die Innenstadt und stelle fest, daß keines der Restaurants geöffnet hat. Eiscafés an jeder Ecke, doch mit Eis kann ich das Loch in meinem Magen nicht füllen. Nicht mal Fastfoodbuden finde ich. Immer noch sehr hungrig setze ich mich in ein Straßenbistro und bestelle mir einen schwarzen Tee.

Mit Hilfe des Übersetzungstools einer großen Suchmaschine frage ich die Bedienung, ob ich etwas zu essen bestellen könne. Die Bedienung guckt erfreut und ein Schwall italienischer Worte bricht über mich herein. Ich gucke wissend während die Bedienung fragend auf etwas in der Karte tippt. Ich nicke. Die Bedienung schreibt etwas auf ihren Block und entschwindet, wohingegen ich nicht weiß ob ich jetzt eine Schale Erdnüsse oder ein ganzes Schwein auf Toast bestellt habe.

Offensichtlich habe ich Sandwiches bestellt. Mit Schinken und einer Käsecreme. Nun, immerhin keine Schale mit Erdnüssen und kein ganzes Schwein auf Toast. Gestärkt schlendere ich später zurück zu meiner Unterkunft um einzuchecken.

Ein Königreich für eine Dusche!

BRÄÄÄNG! scheppert die Klingel, doch niemand öffnet die Türe. Dabei bin ich pünktlich. Und nun? Neben mir stehen drei junge Italiener, ein Kerl und zwei Frauen, die sehr schick angezogen sind und alle in ihr Handy starren. Die haben Koffer dabei, ob die auch hier übernachten wollen? Anscheinend sind deren Handys so spannend, die kriegen nicht mit daß sie angesprochen werden. Dann eben nicht. In meiner Buchungsbestätigung steht eine Telefonnummer, die rufe ich jetzt an. Es meldet sich eine Maria Irgendwas, anscheinend heißt hier jede zweite Frau Maria mit erstem Vornamen. Maria Irgendwas Englisch ist ebenso gut wie mein Italienisch.

Erstaunlicherweise entnehme ich diesem schrägen Telefonat, daß ich nur noch zehn Minuten warten müsse, dann wäre sie da. Und siehe da, nach acht Minuten kommt ein Golf Kombi (wie ist die bitte mit diesem Auto in diese enge Straßeneinfahrt rein gekommen?!) vor gefahren und es steigt eine kleine, zierliche Frau mit braunen Locken aus. Ich kann einchecken, bekomme das W-LAN Passwort sowie den Schlüssel und dann verschwindet Maria Irgendwas wieder.

Ich bin den halben Tag in einem Auto ohne Klima-Anlage unterwegs gewesen und freue mich darauf, jetzt erst einmal zu duschen und frische Klamotten anziehen zu können. Dummerweise waren die drei italienischen Bratzen schneller als ich und besetzen das Gemeinschaftsbad. Gut, dann warte ich eben. Ich weiß nicht, was die da zu dritt gemacht haben und ich möchte das gar nicht wissen. Nachdem ich über eine Stunde darauf gewartet habe, daß die da endlich mal wieder heraus kommen, ist mir das Warten zu blöde und ich klopfe dezent feste gegen die Badezimmertüre. Könnte sein daß ich sehr laut so etwas wie „Ey ihr dämlichen Kackbratzen, ihr seid hier nicht alleine!“ gesagt habe. Und oh Wunder, nach über einer Stunde komme ich dann endlich in den Genuß einer erfrischenden Dusche … Wieder was gelernt für das nächste Mal, nur noch Zimmer mit eigenem Bad buchen.

Der Tag neigt sich dem Ende entgegen.

Frisch geduscht mache ich mich zurück auf den Weg in die Innenstadt. Es ist weit nach achtzehn Uhr und siehe da, mittlerweile sind die Restaurants und Pizzerien geöffnet. Vor einigen Bars tummeln sich viele junge Menschen mit Drinks in der Hand. Der ein oder andere versucht anscheinend, mich einzuladen. Ich schüttele vehement den Kopf und marschiere stur weiter bis ich die Pizzeria gefunden habe, die mir der Reiseführer empfohlen hat.

Anscheinend werfen die hier alles auf die Pizza, bis hin zu kleinen Würstchen. Ich grinse über das „Wurstel“ und bestelle meine Lieblingspizza, die ich zu Hause auch meistens esse. Ja, ich weiß, wie langweilig und vermutlich wäre es viel spannender gewesen, hätte ich die Pizza Wurstel probiert. Allerdings war ich immer noch recht hungrig und in diesem Zustand mache ich keine Experimente. Es bleibt bei Pizza al prosciutto e funghi. Und sie mundet hervorragend.

Satt und zufrieden mache ich mich auf den Weg zu meiner Unterkunft. Es wird schnell dunkel und von den italienischen Badbesetzern höre und sehe ich bis zu meiner Abreise zum Glück nichts mehr. Und so endet mein zweiter Tag auf Sardinien.

Sie haben tatsächlich bis hier hin durch gehalten? Respekt. Ich hoffe, Sie sind auch wieder an Bord wenn ich von meinem dritten Tag auf Sardinien erzähle. Wo ich die Ruinen von Tharros besuchen, lustige Ehepaare kennen lernen, Bosa erreichen und bei einer Mamma wie aus dem Bilderbuch essen werde. Wenn Sie mögen, dann sehen wir uns im dritten Teil wieder.

Haben Sie eine gute Zeit bis dahin.

2 Gedanken zu „Roadtrip Sardinien: Von Portoscuso nach Oristano.“

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