Wirklich, ich hab es versucht und mußte leider zu dem Schluß kommen: es geht nicht. Stricken mit Gipsschiene oder auch Bandage geht einfach nicht. Was mich wirklich frustriert, nicht nur, weil ich dem von mir veranstalteten Kampfstricken im letzten Herbst mit großer Wahrscheinlichkeit meine aktuelle Misere zum großen Teil verdanke. Sondern vor allen Dingen, weil ich mich darauf gefreut habe, wieder schöne Mustersocken zu stricken und mich mit zwei- oder mehrfarbiger Strickerei zu beschäftigen. Und jetzt sitze ich hier und kann die schöne Wolle, die ich extra für diese Vorhaben gekauft habe, lediglich bewundernd streicheln.
So viel zu tun, so wenig Zeit!
Ich fröne meinen einzelnen Hobbys gerne in äußerst exzessiv ausgelebten Phasen. Wenn ich nicht lese, dann stricke ich. Stricke ich nicht, dann fotografiere ich. Ist es nicht das Fotografieren, bastel ich irgendwelches Zeugs. Wenn ich nicht irgendwelches Zeugs bastel, tüddel ich mit Zimmerpflanzen herum. Wenn ich nicht … Und so weiter und so fort. Ich kann auch hervorragend drölfzig Dinge mit voller Begeisterung anfangen und sie mittendrin einfach weg legen, um mich mit Elan in das nächste Projekt zu werfen. Hier wimmelt es an Material für (noch) nicht zu Ende geführten Ideen …
Wie wir alle wissen: Winter is coming!
Monatelang fristeten meine Stricknadeln und das von mir über Jahre gehortete bunte Sammelsorium gesponnener Schafwolle ein unbeachtetes Dasein in diversen Kisten und Schubladen. Bis es mich im Sommer auf einmal packte und ich der Meinung war, Cookie bräuchte im Juli unbedingt einen Ersatz für ein durch gelaufenes Paar Socken. Der friert halt bei Temperaturen über dreißig Grad so schnell an den Füßen … Während ich an dieser Fußbekleidung arbeitete, war mein Neffe zu Besuch. Guckte mir ganz interessiert zu und fragte dann, ob ich ihm nicht auch ein Paar Socken stricken könne.
Bitte? Was hat das Kind da gerade gesagt? Das Kind fragte tatsächlich, ob die Tante ihm nicht Socken stricken könne…? Natürlich kann die Tante! Und fertigte folglich ein Paar Kindersocken aus der Wolle, die der Neffe sich aus dem großen Vorrat bunt gefärbter Stränge und Knäuel ausgesucht hatte. Noch hat das Kind kleine Füße, da ist man schnell mit fertig und kann das Endergebnis per Post an den glücklichen kleinen Besitzer schicken.
Ich kann nicht nur Socken stricken.
Man friert ja nicht nur an den Füßen, sondern gerade im Winter schon mal an den Händen. Und was liegt da näher, als den Händen eine warme Bekleidung aus kuscheliger Wolle zu spendieren? Weil ich so ein wenig bescheuert bin, dachte ich mir, ich könne mir mal so eben ein Paar Fingerhandschuhe stricken … Aus einem sehr dünnen Garn. In Nadelstärke 2,25. Mal eben? Man kann es sich absichtlich schwer machen, gell? Abgesehen von der elenden Fummelei mit den gefühlt siebenunddreißig Stricknadeln um die Finger des Handschuh zu stricken gibt das pro Finger auch noch zwei Fäden zu vernähen. Und ich hasse Fäden vernähen. Trotzdem habe ich die erstaunlicherweise fertig bekommen. So ganz zufrieden bin ich damit nicht, mir mißfällt die Form der Fingerspitzen. War aber zu faul, die Dinger wieder aufzumachen und neu zu stricken.
Um mich von den Strapazen der zehn Finger und der elend vielen zu vernähenden Fäden zu erholen, habe ich den Rest genommen um mir einen dazu passenden Schlauchschal, auf neudeutsch Cowl, zu fertigen. Genug von dem Garn war noch da und mir war danach, stumpf rechte Maschen im Kreis zu stricken. Jetzt dachte ich, das ringelt dann so schön wie bei den Handschuhen. Nö, eher so … nicht. Nach den ersten zwanzig Runden stellte ich zu meinem Erstaunen fest, ich hatte genau die richtige Anzahl Maschen getroffen, damit die Farben in jeder Runde schön übereinander zu liegen kamen. In Expertenkreisen ist dieser Effekt als “Pooling” (auf Deutsch wildern) bekannt und Fachmenschen tüfteln teilweise sehr lange an ihren Werken herum um diese Farbflächen hinzubekommen. Da kann man auch eine Wissenschaft draus machen… Ich anscheinend nicht, ich mach das locker flockig aus dem Handgelenk wenn ich doch eigentlich Ringel haben möchte … Immerhin, die ganz schlichten Pulwärmer aus dem Rest des Garns ringeln.
Souvenirwolle und Sockenfieber.
Es gibt zwei Dinge, die ich gerne von Ausflügen und Urlauben mit bringe: Tee und Wolle. Das Erstere kann man konsumieren, aus Zweiterem kann man schöne Dinge herstellen. Gut, die Souvenirwolle liegt hier schon mal ein wenig länger … hust … jahrelang herum. Wird ja nicht schlecht. So wie das Knäuel Schoppel ALB Lino, das ich 2016 in Hamburg gekauft habe. Und was ich, zusammen mit einem Nadelspiel, gerade eben noch ins sehr begrenzte Gepäck quetschen konnte als ich letzten September für eine Woche alleine mit dem Moped in den Schwarzwald gefahren bin. Ja, ich kriege tatsächlich alles, was ich für eine Woche Urlaub brauche, in zwei Motorradkoffer. Vierunddreißig Liter Volumen, reicht.
Blöderweise war das Paar Socken aus dem gequetschten Knäuel bereits nach drei Tagen fertig, Cookies Ankunft mit dem Beschleunigungsmonster und gegebenenfalls Nachschub ließ hingegen noch ein paar Tage auf sich warten. Nun, ich fahre ein Motorrad mit eingebauten Koffern, was liegt da näher als den Besuch eines hübschen kleinen Fachgeschäftes in Villingen-Schwenningen mit ausgedehntem Kurven fahren zu verbinden? Eben. Es passen schon viele schöne Bobbels in so einen Seitenkoffer … Aus einer grauen Tweedwolle wurden die ersten von vielen geplanten Mustersocken: “Athos“, ein kostenloses Muster von Caoua Coffee (die viele schöne Muster für umme online zur Verfügung stellt). War ein totaler Anfixer, die Athos Fußkleider, und so hab ich mich voller Vorfreude an die Planung gemacht für die nächsten Mustersocken. Welche Anleitung mit welchem Garn?
Es kommt immer anders als man denkt.
Bevor ich mich daran machen konnte, all die tollen Muster nachzuarbeiten, die ich in Stunden der Qual schußendlich auswählte, kamen mir erst noch ein Paar schlichte Socken für Cookie, die kleine Nichte und die weltbeste Schwägerin dazwischen. Die kleine Nichte durfte sich, ebenso wie ihr Bruder, aus dem Vorrat ein Garn aussuchen und die Tante verwandelte die kuschelige rosa Wolle in warme, weiche Socken. Kinder, die man mit selbst gestrickten Socken glücklich machen kann? Find ich super.
Für meine Hände gab es Stulpen aus einem Donegal Garn, ebenfalls ein Souvenir, erstanden in einem sehr süßen kleinen Laden in Rothenburg ob der Tauber. Mit hölzernen Knöpfen als schmückendem Element. Mit denen ich gerne mal in meinen Haaren hängen bleibe. Was nicht mehr allzu schmückend ist wenn man lauthals fluchend das Handkleid aus den Haaren pfriemeln muß … Weil Souvenirwolle verstricken so viel Spaß macht, mußte ein gut abgelagertes Alpaka Garn, gekauft in Hamburg, zu fingerlosen Handschuhen verarbeitet werden. Gut, im Gegensatz zur Original-Anleitung hab ich halbe Finger dazu gedichtet, am Ende immer noch viel zu viele Fäden zu vernähen, dafür bleiben die Finger warm genug um auch bei kalten Temperaturen eine Kamera bedienen zu können und ich mußte mich nicht mit der Gestaltung von Fingerspitzen beschäftigen.
Aus die Maus, nix mehr mit stricken.
Tja. So strickte ich eins nach dem anderen, in meinem Kampfstrickwahn. Bis der Fachmann mit der Gipsschiene kam. Das war es erst einmal mit der Strickerei. Keine Mustersocken, keine ersten Gehversuche im zweifarbigen Stricken. Worauf ich mich doch so gefreut habe. Statt also tolle Sachen mit zwei oder gar mehrfarbigem Muster und wunderschöne Socken entstehen zu lassen, darf ich mich in Geduld üben und hoffen, daß meine Daumensehne sich möglichst bald erholt haben wird. Um nicht in Versuchung zu geraten, habe ich sämtliches Strickzeug irgendwo außer Sichtweite in Kisten und Schubladen verbannt. Aus dem Augen, aus dem Sinn. Oder?
Dabei hab ich gerade echt Bock auf komplizierte Strickerei. Verdammt.