Umsteigen von Auto aufs Fahrrad

Umsteigen: vom Auto aufs Fahrrad.

Wir schreiben den ersten April. Mein Telefon im Büro klingelt. „Schönen guten Tag, hier Händler XY. Ihr Fahrrad ist jetzt fertig zur Abholung!“ flötet mir eine service-orientierte Männerstimme entgegen. Mein entgeisterter Blick fällt aus dem Fenster, wo es gerade fröhlich vor sich hin schneit … „Das ist doch jetzt wohl ein Aprilscherz, oder? Die letzten Tage war das Wetter schön und frühlingshaft und wenn es schneit (!) kann ich endlich das ersehnte Fahrrad abholen?!“ denke ich, antworte stattdessen „Vielen Dank für die Info, dann komme ich das Rad gleich holen.“ Habe ich dann auch gemacht. Und bin nur mit Strickjacke und fingerlosen Stulpen als Schutz vor Schnee und Kälte auf der Jungfernfahrt vom Händler ins Büro gefahren. Hey, nur die Harten und Garten und so, gell?

Bevor mir hier Beschwerden kommen: ich hatte Euch angedroht, daß hier zu dem Thema „Fahrrad fahren“ noch mal ein wenig weiter ausgeholt werden wird. Weil ich immer mal wieder Fragen zu dem Thema bekommen habe. Und nicht nur Fragen, auch jede Menge hilfreiche und nicht ganz so hilfreiche Ratschläge wurden mir um die Ohren geworfen. Meist wenn Menschen gehört haben, daß ich tatsächlich mein Auto, Kennern auch bekannt unter dem Namen „Der Beschleunigungsmonster“, gegen ein Zweirad eintauschen würde. Nicht mal gegen ein motorisiertes Zweirad, für dessen Benutzung ein Führerschein zwingend vorgeschrieben ist, sondern nur ein schnödes Fahrrad.

Gut, gut, so schnöde ist das gar nicht. Ganz im Gegenteil, da steckt schon eine Menge Technik drin, in so einem Pedelec. Genug, daß es mit einer Bedienungsanleitung in meine Hände überging. Ernsthaft, ich hätte ja nie gedacht, daß ich mal ein Fahrrad mit einer Bedienungsanleitung in meiner Garage beherbergen würde. Die neben zwei Motorrädern jetzt noch einem weiteren Zweirad ein trockenes Zuhause bietet.

Wie kommt man drauf, aufs Auto zu verzichten?

Erinnert sich noch jemand an den ersten Lockdown 2020, als Corona plötzlich in unser aller Leben hereinbrach, sowie die leer gefegten Straßen? Ich fand das super, weil ich nicht nur in meine erste Saison als Motorradfahrerin gestartet bin, sondern mir das minimale Verkehrsaufkommen die Chance gab mich in aller Ruhe mit meiner Deauville vertraut zu machen.

Mehr noch, ich erinnerte mich an die Zeiten, in denen ich gar kein eigenes Auto besessen habe, sondern alle Fahrten mit meinem Roller bestritten habe. Bei jedem Wetter, egal ob Sommer oder Winter. Das Teil war super, ich war unabhängig von öffentlichen Verkehrsmitteln, mit denen mich nach wie vor eine ausgesprägte Haßliebe verbindet, und ich konnte selbst Einkäufe damit erledigen. Ohne vorher erst ewig irgendwo einen Parkplatz suchen oder mich durch olle Parkhäuser quälen zu müssen, deren Abmessungen sich an den Kleinwagen der 60er Jahre orientieren.

Während ich in diesem ersten Corona-Frühjahr als frischgebackene Motorradfahrerin durch die Lande fuhr, dachte ich ebenfalls darüber nach, wie bequem und faul ich eigentlich geworden bin seitdem ich ein eigenes Auto besitze. Den größten Teil der Fahrten mit dem Auto bestreite ich innerhalb der Stadt und es würde mich wundern wenn ich damit pro Strecke mehr als fünf Kilometer am Stück auf den Tacho bekomme. Mein Arbeitsweg ist nun auch nicht nennenswert länger und bis dahin ist die Kiste nicht warm gefahren. Der Motor hat sich gerade so bei Betriebstemperatur eingepegelt wenn ich Der Beschleunigungsmonster am Büro parke. Vom Innenraum mal ganz zu schweigen … Nein, er hat weder Stand- noch Sitz- oder Lenkradheizung. Also bitte, nur die Harten, wir erinnern uns?

Mal so ganz ehrlich, brauche ich echt ein Auto?

Cookie und ich hatten jeder unser eigenes Auto. Was für mich durchaus Sinn ergeben hat, pro Person im Haushalt ein Auto zu besitzen. Immerhin kam ich so wetterunabhängig trocken von A nach B. Es ist halt furchtbar bequem, mal eben irgendwohin zu fahren. Überhaupt, mit eigenem Auto war ich unabhängig! Nämlich von Cookies Arbeitszeiten, öffentlichen Verkehrsmitteln und Fahrplänen, dem Wetter und überhaupt, ich musste keinen um Erlaubnis fragen, denn das war mein Auto. Meins allein!

Diese Unabhängigkeit war mir sehr, sehr wichtig. Wollte ich das wirklich aufgeben? Ich meine, ich könnte mir doch einfach zusätzlich ein vernünftiges Fahrrad kaufen. Ohne mein Auto und die damit verbundene Unabhängigkeit wirklich aufzugeben? Oder?

Ja, wäre Corona halt nicht passiert und hätte unser Leben auf den Kopf gestellt. Cookie arbeitete im Home Office, sein Auto stand sich die Reifen platt und kostete lediglich Geld. Abgesehen davon, wir hätten seinen Darth Avensis mit großer Sicherheit nicht mehr über den TÜV bekommen ohne massiv Geld hinein stecken zu müssen. Was sich bei einem zwanzig Jahre alten Auto mit über vierhunderttausend Kilometern auf dem Tacho nun nicht so wirklich lohnt. Nicht, wenn der ohnehin mehr vor der Türe steht als tatsächlich bewegt zu werden.

Umstieg Auto Fahrrad

Ein Auto pro Haushalt reicht.

Zu dem Schluß kam ich nach vielem Nachdenken. Und ich fing an, mich jeden Abend zu ärgern. Denn hundert Meter weiter sind zwei große Ärztehäuser entstanden. Mit einem großen Parkplatz, auf dem die Mitarbeiter anscheinend nicht parken dürfen und ihre Chefs nicht wollen. Denn die parken jetzt alle munter im großen Umkreis gnadenlos jeden Platz zu, wo man ein Auto abstellen kann. Und es ist verdammt schwer geworden, das sehr schmale Zeitfenster zu erwischen in dem die Angestellten in den Feierabend fahren und die Anwohner noch nicht nach Hause gekommen sind. Da brauche ich knapp acht Minuten nach Hause und fahre dann fünfzehn, zwanzig Minuten um den Pudding weil ich mein Auto nirgendwo abgestellt bekomme. Nicht cool.

Als mein Arbeitgeber also Anfang 2021 beschloß, seinen Mitarbeitern zukünftig Bikeleasing anbieten zu wollen, war die Entscheidung gefallen. Der Darth Avensis wird verkauft und Cookie bekommt mein Auto statt den Darth Avensis durch einen neuen Gebrauchten zu ersetzen.

Ja aber, was ist wenn es regnet?

Tja, was soll dann sein? Dann werde ich eben nass. Kaum zu glauben, aber das gehört mit zu den Dingen, die ich bei dem Thema jedes zweite Mal gefragt werde. Wenn nicht sogar noch öfter. Was denn bei schlechtem Wetter wäre und überhaupt, man hätte da ja überhaupt keinen Bock drauf. Fahrrad fahren bei schönem Wetter, meinetwegen, aber doch nicht bei Regen. Oder gar bei Temperaturen unter zwanzig Grad, viel zu kalt!

Dann stehe ich immer da, verrenke mir mit einem sarkastischen Lächeln das Gesicht und denke so für mich … Alter, ich fahre bei einstelligen Temperaturen noch Motorrad. Ich bin bei minus zwölf Grad noch Roller gefahren. Sowie bei Sonne, Wind und Regen und in all der Zeit als Rollerfahrerin bin ich ganze zwei Mal wirklich richtig naß geworden. Also durchdringend bis auf die Unterbuxe naß. Ich weiß in der Tat, was es heißt bei jedem Wetter ohne schützende Blechhülle, die einem vor der Witterung verschont, unterwegs zu sein.

Das ist keine Schönwetterlaune, ich bin mir absolut im Klaren darüber, worauf ich mich einlasse. Wenn du da keinen Bock drauf hast, dann ist das doch vollkommen legitim, deine Einwände interessieren mich halt mal so … Null. Nada. Niente. Zilch. Schlechtes Wetter macht mir nix aus, aber ob ich das bei 35° C noch als eine wirklich glorreiche Idee empfinde, meine fahrbare Klimaanlage aufgegeben zu haben? Das wird sich zeigen …

Hätte man mich vor drei Jahren gefragt, ob ich mein Auto her geben oder mit Cookie teilen würde, ich hätte die arme Socke höhnisch lachend mit der Mistgabel vom Hof gejagt. Mein Auto, meine Unabhängigkeit, meine Bequemlichkeit tatsächlich aufgeben? Im Leben nicht.

Nun, Ansichten ändern sich. Offensichtlich. Ich habe die Vorteile gegen die Nachteile abgewogen und am Ende hat die Bequemlichkeit verloren. So einfach ist das.

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Aha, welche Vorteile denn bitte?

Wo soll ich da anfangen? Starten wir mit dem Griff ins Portemonnaie. Das Rad über den Arbeitgeber zu leasen kostet mich ein Viertel dessen, was ich im Monat für mein Auto habe aufwenden müssen. Versicherung, Steuern, Reparaturen und nicht zu vergessen Sprit, von dem selbst mein (und jetzt unser) sparsamer Corolla sich im reinen Stadtverkehr auf Kurzfahrten immerhin noch gut acht bis neun Liter durch den Auspuff haut.

Wobei mir persönlich, ehrlich gesagt, ziemlich egal ist wie hoch der Spritpreis aktuell ist. Bei nicht mal einer Tankfüllung, die ich normalerweise im Monat verfahre, tun mir persönlich zwei Euro pro Liter nicht wirklich weh. Im Gegenteil, ich bin der Meinung so lange Eltern ihre Kinder im SUV zur Schule fahren und dicke Schlitten mit Lichthupe bei hundertachtzig Sachen und mehr über die Autobahn schießen ist der Sprit noch nicht teuer genug … Das wäre allerdings ein Thema für einen eigenen Rant.

Von daher kommen wir zurück zum Rad und den, für mich, wichtigen Vorteilen. Für mich der größte Punkt: ich starte den Arbeitstag mit Bewegung und ich beende ihn damit. Das macht jeden Tag dreißig bis vierzig Minuten, in denen ich gezwungen bin mich zu bewegen. Weil, sonst komme ich halt nicht ins Büro, zum Supermarkt, in die Stadt oder schlicht nach Hause. Und ich bewege mich an der frischen Luft. Macht für mich zwei Fliegen mit einer Klappe.

Ich spare Zeit und vor allen Dingen Nerven wenn ich abends nicht mehr ewig nach einem Parkplatz suchen muß. Und ich kann mal eben in die Stadt oder zum Supermarkt fahren ohne mich entweder um einen freien Parkplatz prügeln zu müssen oder für teuer Geld in ein enges unübersichtliches Parkhaus fahren zu müssen. Das Auto wird nicht mit ständigen Kurzfahrten gequält sondern Cookie fährt, beruflich bedingt, damit jetzt vermehrt Autobahn, was für den Motor und die Haltbarkeit des Wagens vorteilhafter ist.

Umstieg Auto Fahrrad

In der Stadt bin ich mit dem Fahrrad teilweise schneller am Ziel als mit dem Auto, weil ich keine Zeit mehr dafür aufwende, einen Parkplatz für Der Beschleunigungsmonster finden zu müssen. Den Samstagseinkauf kriege ich locker in den zwei super schönen Packtaschen unter, die ich mir hier gekauft habe: ARTHURKOPF (freiwillige Werbung, unbezahlt). So ein Rad ist – im Gegenzug zum Auto – ziemlich wartungsarm, muß nicht alle zwei Jahre zum TÜV, kostet keine Versicherung und Steuern und man kann es überall abstellen. Die paar Euro im Jahr, die mich das Akku aufladen kostet? Geschenkt …

Am Ende ist es natürlich ein Experiment.

Wem sich immer noch nicht erschlossen hat, warum man dafür sein Auto an den Mann übergibt und auf vier Räder mit Blech drum herum verzichtet: Damit für mich die Qual der Wahl weg fällt. Denn ich kenne mich gut genug zum zu wissen daß ich mich für die bequemere Möglichkeit entscheide wenn ich die Wahl habe. Wenn Cookie mit Der Beschleunigungsmonster zur Arbeit fahren muss, dann bleibt mir nur das Fahrrad. Nägel mit Köpfen, ganz einfache Kiste.

Ich bin sehr gespannt, wie das so werden wird, der Alltag mit höchstens einem halben Auto, was mir nur dann zur Verfügung steht wenn Cookie es nicht braucht. Und sonst halt überwiegend mit dem Fahrrad fahren. Bisher habe ich unglaublich Spaß an meinem Pedelec und freue mich auf den täglichen Arbeitsweg damit. Für mich ist das Ding mit dem Rad bzw. Pedelec fahren unter dem Strich ein Gewinn und kein Verzicht. Und ich mag es halt einfach, zu gewinnen.

In dem Sinne: gute Fahrt!

2 Gedanken zu „Umsteigen: vom Auto aufs Fahrrad.“

    1. Hi Ruthy,

      das Rad ist über den Bikeleasing-Anbieter gegen alles mögliche versichert … von Diebstahl, Vandalismus, etc. bis hin zu „unsachgemäßem Gebrauch“ – wobei mir noch keiner erklären konnte, wie ich ein Fahrrad denn bitte unsachgemäß gebrauche 😛

      Bisher habe ich nur die Erfahrungswerte unserer Schwester-Gesellschaft, die haben bisher mit Versicherungsfällen keinerlei Probleme gehabt. Von daher belasse ich es bei der inkludierten Versicherung und schließe nicht noch extra eine ab – zumal ich die Versicherung über die Leasingrate ohnehin mit bezahle. Wäre das mein Privatrad, dann würde ich der Empfehlung mit Sicherheit folgen. So ein Ding ist ja nun nicht gerade günstig.

      Liebe Grüße,
      Frau Mirtana

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