Mein heimlicher Fetisch: Autofahren (lassen)

Ich fahre gerne Auto. Ökologisch absolut inkorrekt, ich weiß. Trotzdem, ich fahre gerne Auto. Je größer, desto besser. Ich habe vor fünfzehn Jahren mein Autofahrerherz an die VW-Bullis verloren als ich nebenbei für einen Kurierdienst gearbeitet habe. Porsche, Ferrari, Maserati und ähnliches läßt mich vollkommen kalt, aber ein VW-Bus! Da wird meinem Autofahrerherz schwindelig. Ich mag auch alte Autos. So aus der Zeit, als man einen Opel noch von einem VW anhand der Form unterscheiden konnte. Ich finde ja, heute sehen die Kisten alle gleich aus. Alle gleich langweilig, alle gleich rund, alle gleich knubbelig, alle ohne eigenen Charakter. Allerdings fahre ich nicht erst gerne Auto seitdem ich einen Führerschein besitze.

Sondern ich war schon weit davor begeisterte Beifahrerin. Ich habe das geliebt wenn wir mit der Familie weite Strecken in den Urlaub gefahren sind und ich vorne sitzen durfte. Meine Eltern waren da praktisch veranlagt, wenn ein Kind vorne und eines hinten sitzt ist der Lärmpegel im Auto geringer, die Kinder prügeln sich nicht ständig und alle kommen heile am Zielort an. Ich konnte auf langen Autofahrten stundenlang aus dem Fenster in die Landschaft starren. Als wir dann nach Ungarn in den Urlaub fuhren starteten wir meist spät abends und mein Vater fuhr die Nacht durch. Im Auto durch die Nacht zu fahren während außer einem gelegentlichen LKW kaum einer auf der Autobahn unterwegs ist war für mich als Kind das Größte.

Mein heimlicher Fetisch: Autofahren (lassen)

Ich liebe das auch heute noch. Deswegen lasse ich mich für gewöhnlich nicht lange bitte wenn der beste Ex von allen anruft und mich fragt, ob ich mit ihm Tour fahren möchte. Der beste Ex von allen holt Unfallwagen und gestohlene Autos ab, die von der Versicherung abgeschrieben sind. So ziemlich aus allen Ecken Deutschlands sowie Europas. Und er fährt große Autos. Macht ja auch Sinn wenn man einen Anhänger mit einem mehr als anderthalb Tonnen schweren Unfallwagen quer durch Deutschland transportieren will, gell.

Bis jetzt ist uns auf jeder dieser Touren immer irgendwas passiert. Ohne Zwischenfall geht nicht. Sei es eine durchgeschmorte Sicherung in Österreich, eine immer wieder zufrierende Windschutzscheibe in Polen, eine Motorkontrolllampe die auf einmal brennt, zehn Stunden Fahrt von Berlin ins Ruhrgebiet mit einem Leiterwagen oder in Slowenien der beste Schweinebraten, den ich in meinem Leben je gegessen habe.

Mein heimlicher Fetisch: Autofahren (lassen)

Mit einem Anhänger darf man nur achtzig Stundenkilometer schnell fahren, da bleibt lange Zeit um aus dem Fenster auf die vorbei fliegende Landschaft zu schauen. Das macht meinen Kopf frei und plötzlich ist die Welt nicht mehr klein und beengt. Sondern groß und weit. Es ist der Ausstieg aus den schweren, grauen Gedanken und der Einstieg in die Leichtigkeit. Alles ist gut während die unterschiedlichsten Landschaften draußen am Fenster vorbei rauschen. Alles ist einfach auf dem Beifahrersitz.

Mein heimlicher Fetisch: Autofahren (lassen)

Der beste Ex von allen nimmt mich nicht nur mit, damit ich stundenlang meinem „Ich starre in die Landschaft Fetisch“ nach gehen kann. Er nimmt mich auch nicht mit, damit ich irgendwann auf dem Beifahrersitz ein Nickerchen halte. Sondern weil die Zeit schneller vergeht wenn man Unterhaltung hat während der langen Fahrt.

Unterhalten kann man sich mit dem besten Ex von allen wirklich gut. Zumal er ja nicht nur der beste Ex von allen sondern auch mein bester Kumpel ist. In Personalunion. Das kriegt er echt gut hin. Ich kenne niemanden, der ehrlicher ist als er. Mich eingeschlossen. Sagt Dir der beste Ex von allen „Hömma, du siehst heute mal echt scheiße aus“ dann kannst du davon ausgehen daß du tatsächlich keinen Blumentopf mit deinen Augenringen gewinnen wirst.

Mein heimlicher Fetisch: Autofahren (lassen)

Wir lästern über gemeinsame Bekannte. Wir regen uns auf. Über Politiker zum Beispiel. Wir tauschen uns aus über Filme und Serien. Wir spinnen herum und überlegen uns, was wir mit einem Lottogewinn alles anstellen würden. Obwohl wir beide kein Lotto spielen malen wir halt gerne Luftschlösser. Wir erzählen uns Anekdoten von früher, als wir nette und liebenswerte Teenager waren. Manchmal jammern wir uns auch gegenseitig die Ohren voll daß grad alles irgendwie Scheiße ist. Muß auch mal sein. Für die Seelenhygiene.

Mein heimlicher Fetisch: Autofahren (lassen)

So eine lange Fahrt mit Anhänger kann anstrengend sein. Wer schon mal über zweitausend Kilometer mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von achtzig Stundenkilometern hinter sich gebracht hat wird wissen was das heißt. Trotzdem sind diese Ausbrüche aus dem Alltag erholsamer als Urlaub. Denn auf über zweitausend Kilometern hat man genug Zeit um in die Landschaft zu starren und ihren Wechsel zu bewundern. Und wenn ich die Alpen im Sonnenuntergang glühen sehe während wir Kilometer um Kilometer Autobahn hinter uns lassen dann weiß ich wieder: Alles ist gut.

Mein heimlicher Fetisch: Autofahren (lassen)

5 Gedanken zu „Mein heimlicher Fetisch: Autofahren (lassen)“

  1. Hach.. bin ganz bei dir. Ich liebe Autofahren. Doof bloß: ich hab keinen Führerschein, gg.. ja wirklich nicht. Also: ich liebe Autofahren als Beifahrer. Darin bin ich auch gut. Ich kann mich unterhalten. Oder stundenlang auch rausstarren und die Klappe halten. Ich habe mit einem Freund früher ganz viele Touren unternommen. Einfach ins Auto und los. Bedauerlicherweise wohnt er mittlerweile in HH. Das fehtl mir echt… Das macht hier sonst keiner allzu gerne… tja.
    🙂
    Oh und ja: große Autos.. und gerne auch ältere. Stimmt, neue sehen alle gleich aus.

    1. Ich hab das früher sehr oft gemacht, als ich noch zu Hause wohnte und den alten Passat von meinem Freund da hatte: einfach für zwanzig Mark tanken (mach das mal heute mit zehn Euro …) und ab ins Blaue fahren. Meist ins Bergische Land, liegt halt um die Ecke von meinem Heimatkaff. Weil ich gerne Landstraße fahre und das Bergische Land wirklich schön ist.

      Mittlerweile ist der Sprit viel zu teuer geworden um solche ziellosen Fahrten öfter in Angriff zu nehmen :-/

  2. Oh ja, Autofahren liebe ich auch. Ich hatte diese Woche einen Post veröffentlicht mit 7 Fakten über mich, Autofahren war einer davon. Übrigens sehr schöne Bilder zum Thema.

    Allerdings muss ich zugeben, ich bin ein ganz schlimmer Beifahrer. Auch langsames Fahren finde ich schwierig, in den USA zu fahren ist anfangs eine echte Umstellung, aber da ja kaum einer schneller fährt, gewöhnt man sich schnell dran 🙂

    1. Die Bilder sind alle auf den unterschiedlichen Touren entstanden 😉

      Ich fahre gerne schnell. Sehr gerne. Aber nur bei leerer Autobahn. Was wiederum im Ruhrgebiet eher selten der Fall ist. Ansonsten habe ich fest gestellt, daß ich langsamer fahre je schneller und härter die Musik ist, die ich im Auto höre. Klingt komisch, ist allerdings so. Was mich ja immer aufregt sind die Deppen, die auf der dreispurigen Autofahn in der Mitte schleichen und das Tempo mit den LKWs halten und damit alle auf die Überholspur zwingen. Da könnte ich aussteigen, die Deppen aus dem Auto holen und immer schön rechts, links abwatschen 😀

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