Blogparade: „Mein Körper & ich“

Fee hat auf ihrem Blog einen Text veröffentlicht und zur Blogparade aufgerufen, der mich so tief berührt hat daß ich nach fünf Anläufen, meine Gedanken dazu in einen Kommentar zu quetschen, dieses Unterfangen wieder aufgegeben habe. Weil ein Kommentarfeld nicht genug Platz bietet um die wilden Pferde zu bändigen auf denen mir die Gedanken durch gehen. Also bin ich mit meinen vielen Worten auf meinen Blog umgezogen und schreibe einen eigenen Beitrag zu Fees Blogparade. Weil mich dieses Thema auch immer wieder beschäftigt. Es gibt diese Tage da boxen sich die negativen Gedanken zu meinem Körper aus ihrem Kerker und bemühen sich, alte und sehr tiefe Wunden wieder aufzureißen.

Denn ich bin dick.

Dick. Also nicht pummelig oder kräftig gebaut, mollig oder gar vollschlank. Sollte man besser auch nicht zu mir sagen. Also vollschlank jetzt. Ich hasse dieses verlogene kleine Wortbiest wie die Pest und bin dafür, es endlich dahin zu jagen wo all die kleinen verlogenen Wortbiester hin gehören: in den Nichtgebrauch. Aber zurück zum Thema. Ich sage das gerne noch mal. Ich bin dick. Da, in kursiv. Schlicht und ergreifend dick. Mittlerweile mag ich dieses kleine Wörtchen. Auf Kriegsfuß stehe ich mit seinem Bruder, „fett“ klingt irgendwie häßlich und grob. Auch wenn dieses Wort mittlerweile von den dicken Menschen erobert wird die es seiner negativen Bedeutung entreißen möchten. Ich komme mit dieser kämpferischen Szene nicht klar in der mittlerweile darüber diskutiert wird ab welcher Kleidergröße man sich überhaupt als „fett“ bezeichnen darf ohne die echten Fetten zu beleidigen, die wiederum alles unter Größe 48 als Einbildung abtun. Es bleibt also dabei daß ich dick bin. Das macht aus mir keinen schlechten oder guten Menschen.

Wer will das denn sehen?

Ich habe das große Glück gesund zu sein. Und es ist ein Glück, das mir nicht immer so gegenwärtig ist. Trotzdem habe ich mich jahrelang gequält und den Sommer mit seiner Hitze verteufelt. Bei über 30 Grad im Schatten bin ich mit langen Jeans herum gelaufen weil ich echte Stempelwaden habe derer ich mich geschämt habe. Ärmellose T-Shirts? Im Leben nicht bei den Speckarmen! Schwimmen gehen oder im Badeanzug am Strand liegen? Neverever, liebe Eva. Da sieht ja dann jeder alles von mir und dann gibt es wieder Blicke und Sprüche und wenn ich nicht aufpasse setzen die sich wie Widerhaken unter das dicke Fell. Und die Klamotten bitte möglichst weit und dunkel, damit niemand die Speckrollen zählen kann und schwarz kaschiert ja auch. Jo, wer das glauben möchte … Denn der allgemeine Konsens ist immer noch, daß es ja nicht schlimm sei dick zu sein aber man solle sich dann doch bitte auch angemessen verhüllen denn wer wolle das bitte schon sehen? Im Übrigen hat es nichts mit meiner Körperfülle zu tun wenn mir bei zwanzig Grad heiß wird. Mir war schon immer sehr schnell zu warm und ich hatte noch nie ein Problem mit Kälte. Auch als ich noch nicht hundertdreißig sondern achtzig Kilo gewogen habe. Von daher ist es für mich eine echte Qual bei hohen Temperaturen Sachen zu tragen, die Arme und Beine zum großen Teil verhüllen. Eine Qual, die ich mir über Jahre hinweg selber angetan habe.

Schatz, laß die Leute doch tragen was sie wollen!

Diesen Satz hat Cookie irgendwann mal zu mir gesagt als ich das tat, was Frauen so wahnsinnig gerne tun. Nämlich an anderen Frauen herum zu kritisieren und dabei zu hoffen, nicht selber ins Kreuzfeuer der Eitelkeiten zu geraten. Jeder kennt sie, diese kleinen Bemerkungen, die ganz harmlos daher kommen und das Potential besitzen, uns so richtig zu verletzen. „Ach, das Kleid ist ja toll. Daß du dich traust so etwas zu tragen …“ oder „Guck mal, die da hat Leggins an, also so was würde ich mit der Figur ja nicht tragen“ … Und der Mann, den ich hier auf dem Blog liebevoll Cookie nenne und mit dem ich mein Leben teile, hat mich damals getroffen. Auch wenn ich das da noch nicht so ganz realisiert habe. Weil er Recht hat.

Laßt die Menschen tragen was sie wollen.

Damit hat es bei mir angefangen. Jedesmal kurz inne zu halten wenn ich wieder jemand aufgrund seiner Kleidung oder seines Aussehens kritisieren wollte und mir kurz vor Augen zu führen, daß mir das schnurzegal sein kann. Dieser innere Nörgelkopp war sehr hartnäckig und es war kein leichtes Unterfangen ihn in die Verbannung zu schicken. Doch nachdem ich mir lange immer wieder bewußt klar gemacht habe daß mir die Körper anderer Menschen egal sein können passierte etwas ganz Verrücktes: ich habe angefangen mich selber mit anderen Augen zu sehen.

Röcke, ärmellose T-Shirts und Badeanzüge.

Jedesmal, wenn ich jemanden anderen dafür verurteilt oder schlecht geredet habe, wie sein oder ihr Körper beschaffen ist, habe ich im Endeffekt nur eines erreicht: mich selber zu verletzen. Das mag komisch klingen, so habe ich es einfach empfunden und ich kann es auch nicht besser in Worte fassen. Genauso habe ich mich selber verletzt mit dem Versuch mich mit möglichst unauffälliger Kleidung vor Blicken und Kommentaren zu schützen. Hat natürlich nicht funktioniert. So ein schwarzes T-Shirt und eine dunkle Jeans machen mich ja nicht unsichtbar, gell? Ich wollte jahrelang wieder schwimmen gehen, weil ich diesen Sport wirklich sehr gerne mag und Bewegung das beste mir bekannte Antidepressiva ist das auch noch ohne ewig langen Beipackzettel voller Nebenwirkungen daher kommt. Und ich bin nicht gegangen weil Badeanzug ja mal nix kaschiert. Da siehste alles. Mittlerweile ist mir das egal wenn die Leute auf die knubbeligen Knie, die speckigen Arme und die dicken Oberschenkel gucken und sich darüber auslassen müssen. Es ist eine wunderbare „Leckt mich einfach alle am Arsch“ Haltung, die sich da in mir breit gemacht hat. Jetzt mal ehrlich, wie bekloppt ist es denn eigentlich, unbekannten und für mein Leben unbedeutenden Menschen die Macht über meinen Spaß und meine Lebensfreude in die Hand zu geben?

Es ist ein langer Weg. Und er hört nie auf.

Es ist ein Prozeß, der in mir statt gefunden hat und immer noch statt findet. Ein Prozeß, der mit sehr vielen schmerzhaften Erkenntnissen daher kam. Und kommt. Es sind so viele kleine Schritte. Der erste Rock. Das erste ärmellose T-Shirt. Der erste Besuch im Schwimmbad nach Jahren. Rückschritte, Fehlschläge, Stillstand. Es war alles dabei. Und es kommt noch so viel. Fotos, ganz besonders Fotos. Ich mag mich nicht auf Fotos. Das geht vielen so aus den verschiedensten Gründen. Und weil das so ist und weil das anders werden soll zeige ich Euch heute etwas, was ich normalerweise vermeide wie die Pest. Ein Foto. Von mir. Sozusagen von oben bis fast ganz unten. Die Füße sind nicht drauf. Und ich habe eine Kamera vor dem Gesicht. Aber es ist ein Foto mit fast allem von mir drauf. Da, da isses. Mit speckigem Oberarm, knubbeligen Knien und Bauch.

Blogparade: Mein Körper & ich

Es ist ein langer Weg sich von dem Idealbild zu lösen, das man überall um die Augen gewatscht bekommt und sich stattdessen mit seinem eigenen Körper anzufreunden. Es macht mich stolz mir etwas zurück zu erobern was mir eine milliardenschwere Industrie und die Gesellschaft nehmen möchten. Es ist mein Körper und er ist mein Freund. Und wie in jeder Freundschaft haben wir Hochs und Tiefs, streiten uns manchmal, versöhnen uns wieder, können uns nicht leiden oder sind ein Herz und eine Seele. Das muß so und das ist gut so.

Liebe Fee, zum Schluß möchte ich mich ganz herzlich bei Dir für Deinen wunderbar offenen Text bedanken und wünsche Dir, daß Du einen Bombensommer im Badeanzug und mit Spaghettiträgern hast ♥

23 Gedanken zu „Blogparade: „Mein Körper & ich““

  1. Liebe Mirtana 🙂
    Vielen Dank für deinen Mut und deine Worte…in jedem einzelnen davon erkenne ich mich wieder.
    Mit meinem Gewicht habe ich schon immer zu kämpfen gehabt und auch wenn ich nach aussen hin sehr selbstbewusst wirke, innerlich kämpfe ich jeden Tag genau diesen Kampf. Gerade jetzt wieder bei diesen Temperaturen verteufel ich wieder meine Undiszipliniertheit und dass ich jetzt wieder bei diesen Temperaturen in Jeans schwitzen muss. Denn offensichtlich bin ich noch lange nicht soweit. Genau wie du schreibst, kritisiere ich auch gerne an der Kleidung anderer Frauen herum. Wie oft habe ich in meinem Kopf schon schon die Stimme gehört: Meine Dame, bei dem Gewicht würde ich jetzt aber keine Leggins tragen. Und dann gehe ich weiter, sehe mich selbst irgenwo im Spiegel oder einer Fensterscheibe und dann schreit die Stimme: Ja, Mädchen. Hast gut reden, guck doch selbst erstmal an.
    Vor vier Jahren hatte ich dreißig Kilo abgenommen und war da natürlich so selbstbewusst, dass schwimmen und sogar Sauna für mich kein Problem waren. Die Kilos sind nun wieder drauf, dank Jojo auch noch wabbeliger als vorher, und mein Selbstbewusstsein hat sich mit Hosengröße 42 direkt verabschiedet. Ja, ich kenne diesen Kampf. Verliere ihn aber leider immer noch täglich. Genau wie den Kampf, sich gesünder ernähren zu wollen.
    Umso schöner, dass du diesen Kampf jeden Tag gewinnen kannst und auf die Labberei der anderen Leute scheissen kannst. Was wäre das für eine wundervolle Welt, wenn wir uns alle akzeptieren und tolerieren könnten.
    Sei stolz auf dich und deinen Körper, denn wie ich sehe, bist du eine wunderschöne Frau 🙂
    Liebe Grüße
    Sanne K.

    1. Ich wünsche mir manchmal, ich könnte mit beiden Händen dieses Gefühl von „Ach Welt, dann guck halt woanders hin. Pöh!“ unter all denen verteilen, die sich in dem Thema wieder finden. Oder Euch den Mut zu schenken einfach mal zu machen. Rock an, Schultern zurück und Kinn hoch. Es sieht keiner, daß ich dabei jedes Mal innerlich ein bißchen sterbe vor Aufregung 😉

      Es ist so schwer daß Selbstbewußtsein vom Idealbild zu entkoppeln. Trotzdem ist es das wert. Ich gewinne den Kampf darum auch nicht jeden Tag. Für den Anfang reicht auch ein einziger Tag an dem man sich gut fühlt, sich bewegt hat und was Gesundes gegessen hat. Ich drücke Dir die Daumen, daß Du bald nicht mehr in langen Jeans schwitzen mußt sondern dem Sommer im lässigen Rock entgegen fiebern kannst ♥

      Und vielen Dank für das liebe Kompliment! Gehört auch mit dazu, endlich zu lernen Komplimente auch anzunehmen und nicht abzutun 🙂

    1. Prima, habe ich gerade gelesen. Ich weiß, daß wir zwei in der Hinsicht mit ähnlichen Komplexen kämpfen und ich finde Deine Outfit-Bilder von Deiner selbst genähten Kleidung immer mutig, richtig und schön! ♥

    1. Komplexe hat vermutlich jeder Mensch. Darüber reden hilft und sei es nur weil man fest stellt, daß man damit nicht alleine ist 😉

  2. Vielen Dank für diesen Artikel <3

    Ich finde es sehr mutig, und kann das Gefühl absolut nachvollziehen. Ich war auch mal dick, dann sehr dünn weil ich abgenommen habe und jetzt trifft es vollschlank wohl ziemlich gut (auch wenn ich wie Du dieses Wort hasse). Lustigerweise bin ich mittlerweile zufriedener mit mir als zu den Zeiten in denen ich dünn war. Alles in allem ist das wohl Kopfsache. Immer. Nur dahin muss man eben auch erstmal kommen.

    Liebe Grüße!

  3. Das ist exaktestens das, was ich auch gerade denke und fühle!

    Auch ich ertappe mich ständig selbst dabei, wie ich anderer Leute Outfits in Gedanken kritisiere, obwohl ich selbst genau das fürchte. Es wäre so schön, wenn wir uns alle von diesen Idealbildern lösen könnten und alle so sein lassen könnten, wie sie sind – vor allem uns selber.

    Nichts ist schlimmer als 35 Grad, man ist verpackt in dunklen, langen Sachen und ständig dabei, sich möglichst unauffällig den Schweiß von der Stirn zu wischen.
    Dann lieber freie Sicht auf Speckarme und Krautstampfer – und ein fettes Lächeln!

    Herzliche Grüße
    Jule

  4. Danke für deinen Mut und deine Offenheit. Ich kann das alles bestens nachvollziehen.
    Ich hab mutige Tage, da muss es bunt und lustig sein, und ich habe aber auch viele Tage, da geht nur grau und schwarz.
    Mich lieben, wie ich bin, mich so anzunehmen, das kann ich aber einfach nicht. Ich glaube, das werde ich auch nicht mehr schaffen.
    Mach weiter……..ich find dich klasse!
    Schönes Wochenende!
    Petra

    1. Ich muss ehrlich gestehen: ich hab mich beim Schreiben gar nicht mutig gefühlt 😉

      Ich verstehe Dich und das mit dem mutigen, bunten Tagen und den grauen, unsicheren Tagen habe ich genau so. Wichtig ist am Ende des Tages nur daß man nicht aufgegeben hat ♡

  5. Hallo Mirtana,

    danke für diesen ehrlichen Post und deinen Mut dich zu zeigen. Ich weiß wie schwer das ist, mag auch nur wenige Fotos von mir. Du hast so recht, das diese schön gefärbten Wörter wie vollschlank verbannt gehören. Auch die Beschreibung „Nörgelkopp“ gefällt mir, den haben wir alle und ich erwische mich auch des öfteren dabei, wie ich ihm Redezeit zugestehe. Doch es uns bewusst zu machen ist ein erster Schritt hin zu einer toleranteren Gesellschaft, die auch von anerzogenen Werten frei macht und Vielfalt/ anders sein als Chance sieht. Hoffe ich erlebe diesen Wandel noch, der unseren Kindern und Enkeln Raum zur Entfaltung bietet so wie sie sind.

    Viele Grüße, Silke

    1. Hallo Silke,

      ich finde ja, man kann in der Hinsicht unheimlich viel von (kleinen) Kindern lernen, die noch vollkommen vorurteilsfrei durchs Leben flitzen. Denen ist es im Normalfall egal ob man klein, groß, dick, dünn, behaart oder nicht behaart ist. Schade, daß wir diese Unbefangenheit irgendwann verlieren wenn wir erwachsen werden.

      Lieben Gruß,
      Mirtana

  6. Liebe Mirjana, dann sage ich mal zuerst: Ein Hoch an Cookie!!! Und ich finde es super dass du dein Foto zeigst. Es zeugt von deiner Selbstliebe und wie du zu dir stehst. Und das finde ich echt genial!!!

  7. Liebe Frau Mirtana,

    nach ca. 30 Mal Lesen Deines tollen Berichts über dein Körpergefühl, habe ich mich entschlossen,
    mir eine bunte Bluse zu kaufen. Trage seit 25 Jahren nur schwarz. Ich bin glücklich mit meiner Bluse
    und ich danke dir. Ich hoffe sehr, ich schaffe es auch noch in einen Rock.

    Du bist eine wunderschöne Frau! Dein Rock sieht toll aus!

    Viele Grüße und nochmal ein herzliches Dankeschön

    Helga

    1. Liebe Helga,

      ich bin grad total sprachlos weil mir Dein Kommentar so richtig ans Herz rührt! Ich bin immer wieder ganz platt wenn ich sehe oder lese welchen Einfluß mein kleiner Text auf andere Menschen hat <3

      Ich wünsche Dir ganz viel Spaß mit der bunten Bluse (Farbe für alle!) und drücke Dir die Daumen, daß das mit dem Rock klappt. Ganz bestimmt klappt das!

      Sei ganz lieb gegrüßt,
      Mirtana

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