Ist das jetzt die Arschkarte für Deutschland?

Und immer, wenn Du denkst: schlimmer geht nimmer … Dann kommt irgendwo die CDU mit Merz und Söder daher und grinst „Challenge accepted.“ Während ich mir (wie viele andere Menschen in Deutschland vermutlich auch) die Frage stelle, wie es nach dieser Bundestagswahl weitergeht, während über Wahlbeteiligung, Politikverdrossenheit und den Zustand der Demokratie diskutiert wird, während die echten Probleme immer noch zuhauf auf Lösung warten, da sitzt die CDU in ihrem Kämmerlein und grübelt: „Hm, was könnte denn jetzt wohl das dringendste Problem in diesem Lande sein? Was sollen wir denn als Erstes angehen?“

Spoiler: eine Koalition zu schmieden um eine stabile Regierung zu bilden scheint gerade nicht als Top Eins auf der Prioritätenliste des Wahlsiegers zu stehen. Weil: Klimakrise? Na, wird halt ein wenig wärmer, was solls. Steigende Mieten und Wohnungsnot? Ach, stellt Euch nicht so an, das regelt der Markt. Wie, Überlastete Pflegekräfte, ausgebrannte Lehrer, kaputte Brücken und Straßen, marode Schulen? Joah, wird dann wohl teuer, ne? Wir streichen das Bürgergeld, dann können wir das schon bezahlen. Aber das kann warten, weil wir als CDU haben ja die wahre Gefahr für Deutschland erkannt. Und wir tun jetzt was dagegen. Tschakka!

Die wahre Gefahr ist friedlicher Protest.

Seit Wochen demonstrieren Menschen aus allen Gesellschaftsschichten friedlich und anhaltend gegen den Rechtsruck in der Bundesrepublik. Bündnisübergreifend, organisiert von Initiativen, Vereinen, Gewerkschaften, NGOs und Stiftungen. Und weil diese Organisationen so brandgefährlich sind, kommt am 24. Februar, also exakt einen Tag nach der Bundestagswahl, eine „kleine Anfrage“ mit 551 Fragen von der CDU zur Finanzierung und Arbeit eben jener Organisationen. Da hat Merz wohl mal eben die Nacht durch diktiert, um das 32 Seiten starke Pamphlet rechtzeitig abgeben zu können. Wer käme denn auch bitte auf den bösen Gedanken, daß das schon länger in der Schublade gelegen haben könnte? Hmm.

Einen Tag nach der Wahl ist schon der absolut richtige Zeitpunkt, um sich mit genau den Menschen und Gruppen zu befassen, die in den vergangenen Wochen ihren Unmut über den Kuschelkurs der CDU mit der Arschkarte für Deutschland auf die Straße gebracht haben. Aber hey, das ist doch ganz bestimmt nur ein merkwürdiger Zufall.

Aber, aber … das ist bestimmt nur Zufall!

Ah ja. So wie es reiner Zufall ist, daß Friedrich Merz beim Wahlkampfabschluß in München mit gerecktem Kinn ins Mikrofon wutschnaubt, er werde wieder Politik für die Mehrheit der Bevölkerung machen, die gerade denke und alle Tassen im Schrank habe und nicht für irgendwelche grünen und linken Spinner auf dieser Welt. Links sei schließlich jetzt Geschichte! Das war natürlich keine Kampfansage an all die Menschen, die in den letzten Wochen mit Plakaten und Bannern gegen den rechten Vormarsch protestiert haben. Natürlich nicht. Hat er ja im ZDF in der Talkrunde am Wahlabend klargestellt, daß das nur gegen die paar Hanseln von der Antifa vor der Halle gerichtet war … Habecks Antwort darauf war die einzig Richtige. Der hat dazu nichts mehr sagen wollen und damit alles gesagt.

Und natürlich ist das kein Frontalangriff auf all die Organisationen, die diese Proteste in übergreifenden Bündnissen organisiert haben. All die linken Spinner. Menschen wie Du und ich, die wir unser Grundrecht nutzen, um unsere Meinung kundzutun. Uns besorgt, was da passiert und wir möchten nicht zurück ins Jahr 1933. Dafür stehen wir bei Minusgraden auf der Straße und nicht, weil wir gerade nix besseres vorhatten, der Tatort ausgefallen ist oder sich die Schwiegermutter zum Überraschungsbesuch angekündigt hatte.

Es ist vermutlicher auch reiner Zufall, daß die CDU am 29. Januar einen Antrag zur Begrenzung von Migrationszahlen durchgebracht hat (Grüße an die CDU-Abgeordnete Tillmann, die einzige mit genug Eiern in der Hose um gegen die eigene Fraktion zu stimmen). Mit Hilfe der AfD, wir erinnern uns. Ja, und der FDP, geschenkt. Der Lindner wollte wohl auch noch ein wenig am rechten Rand herumfischen, bevor er warm und weich in irgendeinem Aufsichtsrat-Sessel landet. War für die CDU dann auch kein Problem mehr, am 31. Januar gleich noch einen draufzusetzen mit dem Zustrombegrenzungsgesetz. Das knapp gescheitert ist … Weil sich einige von CDU und FDP zumindest entschlossen haben, nicht mitzustimmen. Und dafür dann ihre Gesichter am nächsten Tag als Verräter gebrandmarkt in der BLÖD bewundern durften …

Die Brandmauer gegen rechts? Jetzt stell Dich doch nicht so an, kann einem doch wohl mal passieren, daß die AfD versehentlich einem Antrag zustimmt, der klingt, als hätte man den von ihr abgeschrieben … Und gut, beim zweiten Mal ist das eben einfach doof gelaufen! Herr Merz hat uns doch hoch und heilig versprochen, mit „denen da“ nicht zusammen arbeiten zu wollen.

Die CDU wird zur AfD – aber mit Schlips und Kragen.

Merz, der sich gerne als der Retter der Demokratie hervortut, sich mit seiner Partei dabei immer weiter nach rechts bewegt, sieht die Bedrohung nun wirklich nicht in einer AfD, die sich immer offener rechtsradikal positioniert, sondern in den NGOs, die genau davor warnen? Sach ma, wie viel Lack muß man eigentlich saufen, um in friedlichem Protest eine Bedrohung zu sehen? Da ist die Tinte auf dem amtlichen Wahlergebnis noch nicht mal trocken, da folgt der erste „Schlag gegen den linken Sumpf“? Ist das euer Ernst bei der CDU?

Was ist denn eigentlich die Botschaft hinter eurer „kleinen Anfrage“? Was wollt ihr mir damit sagen? Daß es nicht Aufgabe des Staates ist, Organisationen zu fördern, die sich für Menschenrechte, Tierwohl, Umwelt- und Klimaschutz einsetzen? Daß man in Deutschland nun wirklich nicht gegen Faschismus protestieren soll? Daß Proteste gegen die AfD und Eure Zusammenarbeit mit einer Partei, deren Mitglieder mittlerweile offen ihre „Remigrations“-Fantasien herumbrüllen, zu weit gehen?

Die Zivilgesellschaft, das sind die Menschen auf der Straße. Bürger dieses Staates. In deren Auftrag ihr im Parlament sitzt. Von deren Steuern ihr dafür bezahlt werdet, die Probleme dieses Landes zu lösen. Die kritisieren euch und euren Kurs. Zu Recht. Friedlicher Protest gehört zu einer Demokratie. Deshalb anzufangen, die Zivilgesellschaft einzuschüchtern, zu schikanieren? Das geht nicht. Mal so gar nicht. Was ist das bitte für ein Signal? „Ihr nehmt Euer Recht auf freie Meinungsäußerung in Anspruch und wagt es, mich zu kritisieren? Dann wollen wir doch mal gucken, wer hier am längeren Hebel sitzt?“

Wie, ich hab da was mißverstanden? Ihr wollt doch nur mal schauen, daß unsere schönen Steuergelder nicht vielleicht doch in „problematische“ NGOs fließen könnten. Rein sachliches Interesse, natürlich. Weil wegen Transparenz und so. „Problematische NGOs“ habt ihr freundlicherweise schon mal für mich als blöde:n Bürger:in definiert: alles, was euch als CDU nicht in den Kram paßt.

Kann man natürlich nicht so offen sagen, als Christdemokraten. Dann lieber mit dem Scheinheiligenschein des „Wir wollen doch nur wissen, ob diese Organisationen korrekt finanziert werden!“ Ja klar. Weil das ja bei Unternehmenssubventionen, Kirchenförderung oder Parteistiftungen von euch auch immer genauso kritisch hinterfragt wird, richtig? Sagt es doch einfach: hier geht es nicht um Transparenz, hier geht es um gezielte Einschüchterung von unbequemen Stimmen.

Immer schön auf der Empörungswelle reiten.

Als ob wir nicht wüßten, wie das läuft. Sachliches Interesse, am Arsch. Eure kleine Anfrage ist nichts anders als eine politische Kampfansage und ein Angriff auf die Zivilgesellschaft. Eine gezielte Diskreditierung von Organisationen, die nicht mehr in das Bild einer CDU passen, die in den letzten Jahren nach rechts gerückt ist wie ein umgekippter Bücherstapel. Die allen Ernstes so tut, als sei das eigentliche Problem in diesem Land nicht eine AfD, die auf verfassungsfeindliche Umtriebe überprüft wird – sondern die Organisationen, die sich gegen diese braune Suppe stellen.

Mal ernsthaft, ihr fühlt Euch bedroht von einer Gruppe Omas, die mit Schildern in der Fußgängerzone stehen weil sie keine Faschisten im Bundestag haben möchten? Diese Taktik ist altbekannt und es macht mich wirklich sauer, daß diese Scheiße immer noch funktioniert. Rechts blasen die Netzwerke auf Telegram zum Angriff, Springer liefert die passenden Schlagzeilen und die CDU bringt den Rotz dann ins Parlament. Oder warum verweist die CDU in ihrer Anfrage auf dubiose Artikel in der WELT, die sich mittlerweile hinter einer Paywall befinden? Ja, ich habe die 32 Seiten tatsächlich gelesen. Die WELT, neben der BLÖD euer Lieblingssprachrohr, warnt also vor staatlich finanziertem Protest und ihr kommt mit so einer Anfrage um die Ecke? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Und morgen? Wird in der WELT und der BLÖD eine „brisante Enthüllung“ über Millionenbeträge an dubiose linke Gruppen auftauchen, hübsch garniert mit ein paar Zitaten von besorgten CDU-Politikern. Wie lange dauert es dann, bis Herr Merz beteuert, daß es bloß „offene Fragen zur Finanzierung“ gäbe, während Jens Spahn vermutlich schon die Forderung in den Äther geblasen hat, diesen NGOs endlich die Mittel zu streichen. Denn das ist das eigentliche Ziel, mark my words.

Auf Hetze folgt Diskreditierung. Immer.

Die CDU bereitet den Boden für Mittelkürzungen und gibt der AfD ein weiteres Narrativ, das diese populistischen Schreihälse mit ausgestreckten Armen freudig umarmen werden. Die empörungsgeile Empfängerschaft der BLÖD wird mit einem neuen Feindbild bedient, die AfD nimmt den Ball auf, plötzlich ist das Thema „breit in der Öffentlichkeit diskutiert“ und ZACK, damit surfen alle auf der nächsten Empörungswelle. So fällt keinem mehr auf, daß weder Herr Merz noch seine CDU in irgendeiner Art und Weise Antworten oder gar Lösungen für die drängenden Probleme dieses Landes hätten. Aber sich dann bei den nächsten Wahlen wundern, warum noch mehr Menschen in diesem Land glauben, es sei eine geile Idee, die originalen Schreihälse und Faschisten zu wählen statt der billigen, christlich angemalten Kopie.

Wie verlogen ist das bitte, sich in den letzten Wochen als „demokratische Alternative zur AfD“ zu präsentieren und jetzt genau mit den Methoden zu arbeiten, die diese rechtsextreme Partei erst hoffähig gemacht haben? Wie dreist ist diese CDU eigentlich, sich über Politikverdrossenheit zu wundern, wenn sie einen Tag nach der Bundestagswahl nichts besseres zu tun hat, als protestierende Omas zu einem neuen Feindbild aufzubauschen? (Sidenote für die Transparenz: Ich habe mein Erfrischungsgeld, das ich für die Tätigkeit als Wahlhelferin bekommen habe, dem Verein Omas gegen Rechts gespendet. Aus Prinzip.)

Die CDU macht am Ende dasselbe wie die AfD. Sie verpackt es nur in weniger plumpen Populismus. Am am Ende des Tages bleibt das Ziel dasselbe: die Demokratie zu schwächen, kritische Stimmen mundtot zu machen und die Rechtsstaatlichkeit auszuhöhlen. Damit der Pilot aus dem Sauerland endlich Bundeskanzler spielen kann. Da wünscht man sich Merkel zurück, die in bester Mutti-Manier dem kleinen Friedrich mal den Hosenboden lang macht …

Der Mann will mein Kanzler sein?

Merz und seine CDU zeigen mit dieser Aktion erneut, daß sie keinerlei Interesse an echter Demokratie oder Vielfalt zu haben. Statt Politik für dieses Land und all seine Bürger zu machen, bekämpfen sie lieber die Leute, die das tun, was sie längst nicht mehr hinkriegen: die Gesellschaft zusammen zu halten und sich für etwas einzusetzen, etwas bewegen zu wollen und sich Gehör zu verschaffen.

Wer NGOs kriminalisiert, die gegen Faschismus, für soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte, Tier-, Umwelt- und Klimaschutz kämpfen, der hat aus der Geschichte nichts gelernt. Wer Protest und die Ausübung der im Grundgesetz verankerten Meinungsfreiheit als „linke Spinnerei“ diffamiert, aber in der eigenen Partei kaum klare Kante gegen rechtsradikale Umtriebe zeigt, der ist nicht geeignet, dieses Land zu führen. Wer am Tag nach der Bundestagswahl nix Besseres zu tun hat, als eine Hetzkampagne gegen zivilgesellschaftliches Engagement zu starten, der verdient die Bezeichnung Demokrat nicht. Den nenne ich einen Zyniker, der Politik als reines Machtspiel versteht.

Man erzähle mir bitte nicht, daß Friedrich Merz Politik für mich als Bürgerin dieses Landes machen möchte. Der Mann möchte Bundeskanzler sein, um sein eigenes Ego aufzupolieren, sonst nichts. Und ich glaube diesem Herrn nicht, daß er mit der AfD nicht zusammen zu arbeiten gedenkt. Schließlich tut er das über zwei Ecken bereits.

Denn wenn die CDU nicht gerade die Hetze gegen NGOs an den Start bringt, dann setzt sie sich aktiv dafür ein, daß Asylrecht auszuhöhlen. Wir erinnern uns, der Gesetzesentwurf, der im Kern genau das macht, was die AfD seit Jahren geifernd fordert: härtere Abschieberegeln, mehr Lager (!) für Geflüchtete, keine staatliche Unterstützung, Aufweichen des Grundrechtes auf Asyl sowie den Bruch von Europarecht. Aber klar, die CDU ist die demokratische Alternative zur AfD. Nun, wenn man das Asylrecht so umbaut, daß es Höcke und Konsorten gefällt, dann ist das natürlich reiner Pragmatismus und kein Rechtsruck, nicht wahr?

Braun war noch nie eine appetitliche Farbe.

Aber gut, CDU. Du warst ja die letzten Jahre schon immer besser darin, Feindbilder zu pflegen als echte Lösungen für Probleme zu erarbeiten. Von Eurer Heißluftpumpe Markus Söder kam in den letzten Jahren nicht eine einzige Lösung. Kann der Mann eigentlich was? Also außer Döner fotografieren für Instagram und allen anderen Inkompetenz vorwerfen? Werte CDU, mit Antworten aus der Vergangenheit auf die Fragen der Gegenwart gestaltet man keine Zukunft.

Wer diesen braunschwarzen Sumpf gewählt hat, der hat bis zur nächsten Bundestagswahl das Recht verwirkt, sich über „die da oben“ zu beschweren. Ich will da nix von Euch zu hören. Ihr wolltet das so, jetzt löffelt die braune Suppe auch aus. Sorry Deutschland. Du hast Dir die Arschkarte gewählt. Vielleicht solltest Du jetzt anfangen zu beten, daß die nächsten vier Jahre doch etwas Brauchbares von der noch zu bildenden Regierung kommt. Damit wir nach der nächsten Bundestagswahl nicht alle den rechen Arm hochreißen, pardon, eine irritierende Geste machen und dabei „Alice für Deutschland“ zur Begrüßung brüllen müssen.

Ich sehe da gerade schwarz für uns. Pun intended.