Lieber Neffe …

Neffe 01… nun bist Du schon fast drei Monate auf dieser Welt. Ist das wirklich schon so lange her daß ich jauchzend und freudestrahlend an zwei geöffneten Wettbüros die Straße hinunter getanzt bin und im Dunklen mir fremden Menschen “Ich bin Tante!” entgegen gerufen habe? Nein, mein lieber Neffe, Deine Tante ist nicht Gaga. Die dachte nur sie müsse etwas zur Erklärung sagen weil die Herren vor dem geöffneten Wettbüro sie doch etwas schräg angeschaut haben. Dein Papa hat mich nämlich angerufen als ich gerade auf dem Weg zur Bank war um mir die freudige Nachricht mitzuteilen.

Als ich Dich dann das erste Mal gesehen habe kam ich aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Du siehst so aus wie Dein Papa! Und als Deine wunderhübsche, strahlende Mama Dich zum ersten Mal in meine Arme gelegt habe war ich ganz nahe an einem Herzstillstand. Während Du so friedlich schlummernd in den Armen Deiner Tante gelegen hast hatte die nur einen Gedanken: “Ohmeingott! Nicht fallen lassen. Nicht das Baby fallen lassen!”

Tja, Deine Tante muß gestehen daß sie absolut keine Ahnung von Babys hat. In ihrem Umfeld gibt es niemanden der welche hat. Die weiß nicht, warum Du weinst hat aber schon begriffen daß Du auf Papas Arm damit aufhörst. Deine Tante weiß auch nicht, welche Kleider- oder Schuhgröße Du hast, wie groß ein Mützchen sein muß damit es Dir nicht vom Kopf rutscht und was Du brauchst. Deine Tante weiß nur, daß Du noch ganz klein und zart bist wohingegen Deine Tante groß, laut und ungeschickt ist. Doch zum Glück für Dich und Deine Tante wirst Du wachsen, anfangen zu laufen und zu sprechen und wirst ihr irgendwann sagen können “Hömma Tante, ich hab Hunger.” Oder so, Dein Vater wird mir vermutlich die Ohren langziehen und hinterm Kopp verknoten wenn ich Dir Ruhrpott beibringe.

Ach ja, Deine Tante hat Dich übrigens nicht fallen lassen. Die hat Dich sicher auf dem Arm gehabt und angeschaut. Das hätte sie auch noch Stunde um Stunde machen können wenn sie nicht Deinen Eltern versprochen hätte beim Tapeten abreißen zu helfen. Du hast so wunderbar friedlich geschlafen, Du kleines Wunder von Mensch. Und als ich Dir so zugeschaut habe, da war ich so unglaublich stolz auf Deine Eltern und so wahnsinnig glücklich daß Du jetzt zu ihrem Leben gehörst daß ich hätte platzen können.

Du bist so zuckersüß wenn Du lachst und strahlst. Wenn Dein Papa Dich auf dem Arm herumträgt dann schmilzt etwas in mir einfach davon. Dein Papa, das ist nämlich mein kleiner Bruder und der Gedanke, daß der kleine Dreikäsehoch, der nur Streiche im Kopf hatte, in ein paar Jahren selber hinter einem kleinen Lausbub hinter her flitzen wird, der ist so groß und wuchtig, da haut es Deiner Tante die Sprache weg.

Denn daß es Dich gibt ist so groß und wunderbar. Das Bild von Dir, das mir Dein Papa nach Deiner Geburt geschickt hat, steht auf meinem Schreibtisch und jedesmal wenn ich es sehe geht mir das Herz auf. Ich mag keine Ahnung davon haben was ein Baby so braucht, doch zu unser beider Glück wirst Du nicht immer eines bleiben. So wie Du wachsen wirst, wird Deine Tante das Tante sein auf die Kette kriegen.

Und wenn Du größer bist, dann werden wir in den Zoo gehen und uns ein Lieblingstier aussuchen. Zusammen Eis essen und Blödsinn machen. Ich werde Dir Geschichten erzählen und vorlesen. Du kannst mit mir Kekse backen und basteln und dabei meine Küche in ein Chaos verwandeln. Wir können unter Tage die Welt im Bergbaumuseum entdecken und im Planetarium Sterne zählen. Wir können Kastanien sammeln und merkwürdige Männeken daraus basteln. Ich werde Dir zeigen wie eine Kamera funktioniert und mit Dir Eisenbahn fahren. Wir können ins Kino gehen und Märchen anschauen. Es gibt so viel was ein kleiner Neffe mit einer Tante anstellen kann und mit mir darfst Du alles anstellen.

Nur eines, mein noch so winzig kleiner Neffe, wird Deine Tante nie tun:

Dich fallen lassen.
Niemals.
Versprochen.

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