Sonntagsbaum #2

Das zweite Wochenende in diesem noch jungen Jahr. Damit haben wir heute den zweiten Sonntag. Zeit, den Baum vor meinem Wohnzimmer in ein Foto zu bannen. Und für Worte zur Woche. Worte gehen schließlich immer.

Bewegt habe ich mich die Woche. Zum Schwimmen und Krafttraining. Januar ist vermutlich nicht der beste Monat, um mein Sportprogramm weiter durch zu ziehen. Diesen Sonntag hatte ich nicht so viel Glück, daß der Schnee die Neujahrsvorsätze davon abgehalten hat, sich auf den Weg ins Freibad zu machen. War doch relativ voll, genauso wie im Sportstudio. Gym, wie man das heute nennt. Wobei, so ein richtiges Gym ist das eigentlich gar nicht, ich trainiere in einem Reha-Zentrum. Hat den Vorteil, dort kein Poser und Pumper Publikum vorzufinden und mich mit übermotivierten Verkaufstrainern auseinander setzen zu müssen, die mir irgendwelche Eiweißpampe als gesunde Ernährung andrehen möchten.

Spätestens in vier, fünf Wochen ist der Neujahrsspuk ohnehin wieder vorbei. Bis dahin schwimme ich einfach um das Treibholz herum und hüpfe beim Krafttraining quer durch meinen Trainingsplan, je nachdem, welches Gerät gerade frei geworden ist. Ich mag Krafttraining, ich kann das so schön mit dem Thema „Achtsamkeit“ verbinden. Hat fast etwas meditatives, vorausgesetzt, ich habe meine Kopfhörer dabei und muß mir das Gerede anderer Menschen nicht anhören.

Belauscht habe ich heute die beste Retourkutsche seit langer Zeit. Beim Frühschwimmen drei Damen der Gen Z vor mir. Die sich beim Schwimmen – oder das, was sie dafür hielten, ihr Orthopäde wird sich freuen – lautstark über einen älteren Herren ausließen. Besagter älterer Herr war recht stämmig, so Typ Bud Spencer. Als eine der Neujahrsvorsätze ihn als den „fetten Wal, der im Weg ist“ verunglimpfte, drehte der so Bezeichnete sich um, lächelte absolut freundlich und sprach sehr laut: „Meine Damen, herzlichen Dank für das Kompliment. Wale sind hochintelligente, soziale und empathische Tiere, die herausragende Schwimmer sind. Alles Eigenschaften, die ihnen drei Arschkrampen so ziemlich abgehen.“ Drehte sich um und zog ungerührt weiter seine Bahnen.

Ich wäre vor Lachen beinahe abgesoffen. Und ich habe diesen Herren innerlich sehr gefeiert. Ich kann so Menschen nicht ausstehen, die nichts Besseres zu tun haben, als lautstark andere zu verurteilen und glauben, es wäre in Ordnung, Menschen aufgrund ihres Aussehens zu beschämen. Den Arschkrampen dieser Welt sollte man öfter mal so Sprüche um die Ohren hauen.

Beschenkt haben wir heute meinen Bruder. Zum Geburtstag. Und weil ich ein fieser Mensch bin, habe ich das Geldgeschenk in eine Rätselbox gesteckt. Da sind wir uns ähnlich, wenn wir so etwas vor der Nase haben, dann geben wir keine Ruhe, bis wir das Rätsel geknackt haben. Wenn Sie Ruhe vor mir haben wollen: schenken Sie mir was zum Knobeln.

Natürlich hat er das Rätsel geknackt. Was anderes hätte mich auch sehr gewundert.

Berührt hat mich das Strahlen des kleinen Kindes. Das hat sich von seiner Tante so einen runden Schal gewünscht. Ich hab die häufiger an, gerade im Winter, weil die einfach praktisch sind. Sie sah das, fragte ganz süß ob sie auch so einen haben dürfe und da ihr meine alle zu groß sind, durfte sie sich Wolle aussuchen. Stricke ihr die Tante eben einen eigenen. Das kleine Kind vorher vermessen, damit das Ding am Ende paßt. Damit sie nicht nur einen warmen Hals, sondern auch warme Händchen hat, gab es passend dazu noch ein paar Handstulpen. Mit Schal und Handstulpen lief sie ganz stolz den Nachmittag herum. Drinnen. Im Warmen. Hach.

Bitteschön, hier noch der sonntägliche Ausblick auf meinen Baum, damit schließe ich für heute den Beitrag. Und werde mich auf meine Couch knautschen, eine schöne Tasse Tee trinken und mit „West of Kabul, East of New York“ den Sonntag ausklingen lassen.

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