Helios 44 Spaß mit Altglas

Spaß mit Altglas: Das Helios 44

Ich bin ein Lemming. Habe ich das schon mal erwähnt? Habe ich bestimmt schon mal. Und weil ich einer bin, gerade was das Thema Kameraliebe angeht, und immer das coole Spielzeug haben muß, was die anderen Kinder haben, war es nur eine Frage der Zeit bis ich auf den Zug „Altglas an DSLR“ aufgesprungen bin … Heute möchte ich Euch von meinen ersten Versuchen mit einer der vermutlich bekanntesten M42 Linsen erzählen: dem Helios 44.

Das Objektiv gibt es in verschiedensten Serien. Ich habe, unter anderem, das Helios 44M-4. Zeit, sich eine Tasse Tee zu holen. Dann erzähle ich Euch ein bißchen was über das wieso, weshalb und warum. Oder Ihr guckt einfach Bilder. Wie Ihr mögt.

Ausgeholt: Ein bißchen Geschichte muß sein.

Nein, Geschichte ist nicht langweilig, ich mag Dinge mit Geschichte. Das Helios 44 hat eine interessante Biographie, es begann nämlich als billige Kopie des Biotar von Zeiss, gewann im Laufe seiner Produktionszeit von vierzig Jahren eine ganz eigene Reputation und war das Objektiv, das die größte produzierte Stückzahl auf seine Kappe schreiben konnte.

Die Geschichte dieses Objektivs beginnt mit dem zweiten Weltkrieg, als die Sowjetunion sich nach Einmarsch der Deutschen plötzlich mit dem Problem konfrontiert sah, daß die eigenen optischen Produktionsstätten in besetzten Gebieten lagen und man verständlicherweise nun keine optischen Geräte aus Deutschland, also dem Feind, mehr beziehen konnte. So gründete man die KMZ (Krasnogorski mechanitscheski sawod) um optische Präzisionsinstrumente für den Krieg zu fertigen.

Bekanntlich besetzte die Sowjetunion den Osten Deutschland, somit auch Jena. Dort baute man im Zuge der Reparationsleistung die Produktionsstätte von Zeiss ab und begann bei KMZ mit der Produktion von kopierten Zeiss-Objektiven nach erbeuteten Vorlagen aus Jena. Das Helios kam 1958 auf den Markt und wurde zum Standard-Objektiv der russischen Zenit-Kameras, erst mit M39, später dann mit dem M42 Bajonett. Es gibt mehrere Versionen beziehungsweise Serien und jeder schwört darauf, daß seine die jenige welche ist, die das schönste Swirly Bokeh produziert. Bei der hohen Anzahl, in der diese Linse an verschiedenen Produktionsstätten gebaut wurde und angesichts der Streuung in der Fertigungsqualität, würde ich behaupten, daß es weniger mit der Serie sondern schlicht mit der Verarbeitung zu tun hat.

Meine Version ist das Helios 44M-4 und damit aus einer der späteren Serien. Gefertigt wurde es laut Logo in der Valdai Optical-Mechanical Factory, ich vermute mal in der Mitte der Achtziger. Die unterschiedlichen Bezeichnungen ergeben sich aus den verschiedenen Serien.

Zenit mit Helios 44

Warum ausgerechnet das Helios 44?

Das Helios war nicht meine erste Wahl … Ich bin vor Jahren über einen Artikel bei Kwerfeldein gestolpert in dem es um ein Kickstarter Projekt ging, welches zum (erfolgreichen) Ziel hatte das Petzval Objektiv wieder zum Leben an digitalen Kameras zu erwecken. Das besondere an dem Teil ist sein Swirly Bokeh und hey, natürlich wollte ich auch so eins haben. Hallo? Immer noch Lemming hier. Bis ich den Preis gesehen habe. Der mir für ein Spielzeug dann doch ein wenig zu hoch war. Ein wenig Recherche zum Thema „Swirly Bokeh“ später stieß ich auf das „Bokeh Monster“ Helios 44.

Moment mal. So eins hab ich doch hier? Das hängt an einer, von einem Freund vererbten, Zenit 12XP Kamera, die bis dato als Deko-Objekt im Regal die Aufgabe hatte, interessant auszusehen. Super Sache das, wie kriege ich nun dieses Monster an meine Nikon?

Wenn das mal so einfach wäre …

M42 Bajonett ist nicht Nikons F-Bajonett, logisch. Das es übrigens bereits seit 1959 gibt, das F-Bajonett jetzt. Nun habe ich das große Glück, im Zeitalter des Internets zu leben, wo es auf jede noch so dusselige Frage eine Antwort gibt – wenn man es denn zu bedienen weiß. Das Internet riet mir also zu einem Adapter. Warnte mich allerdings auch, daß ausgerechnet bei Nikon-Kameras mit einem normalen Adapter die Altgläser nicht mehr auf unendlich zu fokussieren seien. Warum einfach wenn es auch kompliziert geht? Wer mehr dazu lesen möchte als ich in der Lage bin zu erklären, dem möchte ich diesen guten Artikel ans Herz legen: FAQ Objektive adaptieren bei Pilgerrazzi.

Also bestellte ich mir nach weisem Ratschlag des Internets sowie des Studiums diverser Testberichte einen Adapter mit einer Ausgleichslinse. Wovon in einschlägigen Foren abgeraten wird, es mache doch keinen Sinn eine billige Linse mit einem billigen Adapter auf eine teure Kamera zu montieren … Weil, wird ja dann alles unscharf. Nichtsdestotrotz hab ich das Teil bestellt, an die Kamera montiert und dann ein paar Bilder mit dem Helios gemacht bevor ich alles ernüchtert in die Schublade steckte und das Ganze als eine meiner, immerhin nicht ganz so teuren, Schnapsideen abhakte. Das war 2015 …

Und, warum lag es so lange in der Schublade?

Tja, weil Spaß mit Altglas nicht automatisch passiert sobald man ein altes Helios 44 an seine DSLR gedübelt hat. Sondern weil man den Umgang damit üben muß. Nicht nur das Fokussieren, sondern auch das Zusammenspiel von Blende, Belichtungszeit und ISO. Manuelle Bedienung meiner D5100 ist mir zwar geläufig, vermeide ich allerdings sehr gerne. Mein liebster Modus ist immer noch „A“, sprich ich wähle die Blende, den Rest macht die Kamera automatisch.

Ich fokussiere genauso ungern per Hand mit der DSLR. Bei meinen analogen Kameras ist das kein Problem, die haben entweder einen Schnittbildindikator oder einen Lichtschacht. In dem recht kleinen Sucher meiner Digitalen ist manuelles Fokussieren eher Glückssache anhand mangelnder Übung. Somit sahen meine ersten Versuche mehr danach aus als hätte ein Kleinkind mit der Kamera gespielt als nach tollem Swirly Bokeh und so …

Wenn ich das doch so ungern mache, warum tue ich mir dann ein olles Objektiv an? Weil es an der Zeit war, mich aus meiner Komfortzone heraus zu bewegen und mich daran zu gewöhnen, einfach mal zu scheitern. Beim ersten Versuch mit dem Helios kam ich mit 400 Bildern nach Hause, von denen nicht mal 20 das Prädikat „Joa, ganz nett aber da geht noch was“ verdient haben.

Wie macht sich das Helios 44 so?

Ich sagte es bereits, in meiner Komfortzone bewege ich mich hier definitiv nicht. Im Gegenteil, die scheint meilenweit entfernt zu sein. Das Objektiv läßt sich sehr fein scharf stellen, was halt bedeutet, man kurbelt damit gefühlt ewig bis man von der Naheinstellgrenze, die bei cirka fünfzig Zentimetern liegt, zu Unendlich gelangt. Bei offener Blende, die immerhin 2.0 beträgt, hat das Teil einen gefühlt winzigen Schärfebereich, den zu treffen durch den kleinen Sucher auch nicht einfacher für mich wird.

Es hat zudem recht lange gedauert, bis ich mit der Kamera vor dem Gesicht nicht immer die Blende verstellt habe statt zu fokussieren. Hab mich am Anfang teilweise angestellt wie der letzte Depp. Entweder stimmte die Blende nicht, die Schärfe saß nicht oder war gleich gar nicht vorhanden, die Belichtung war entweder zu viel oder viel zu wenig und wenn dann mal alles stimmte wehte der Wind die hübschen Blüten aus dem Schärfebereich oder die Sonne verschwand hinter einer dicken Wolke … Ich hätte auch per Live-View fokussieren können, vielleicht wäre es dann einfacher gewesen auch wenn meine Digitale nicht über so schicke Funktionen wie Fokus-Peaking verfügt.

Beispielbild Helios 44

Das ist kein einfaches Unterfangen und ich werde wohl noch viel üben müssen bis ich damit tatsächlich das berühmte Swirly Bokeh, das sich nur bei Offenblende wirklich zeigen mag, auf den Sensor bannen kann und nicht nur impressionistisch angehauchte Blümchen auf die Kette bekomme. Abgeblendet ist die Russenlinse ziemlich scharf, ich war ehrlich überrascht von der Bildqualität – trotz Ausgleichslinse im Adapter. Gut, für Landschaftsfotografie würde ich es nicht nutzen wollen, man muß schon sehr weit abblenden (maximal Blende 16, dann ist Schluß) damit es in den Randbereichen nicht total verzeichnet. Aber Blümchen und Konsorten geht prima. Viele nutzen es auch als Portraitlinse, aber ich fotografiere so gut wie keine Menschen. Die bewegen sich zu viel. Alles in allem macht es mir Spaß, zumindest im Moment, damit zu spielen und zu üben. Zum Glück kostet probieren und üben in der digitalen Fotografie nur Zeit und Speicherplatz.

Würde ich das Helios 44 empfehlen?

Ja, würde ich in der Tat. Für Menschen, die Spaß am Ausprobieren haben und mit der Unperfektion spielen möchten. Ich behaupte, es eignet sich nicht für Schärfefetischisten und Leute, die ihre Bilder in großem Format gestochen scharf bis in den letzten Winkel an die Wand bringen möchten. Es ist nicht perfekt und es macht keine perfekten Bilder. Dafür hat es Charakter. Und es ist (noch) recht günstig zu haben, mehr als vierzig, fünfzig Euro würde ich für ein gut erhaltenes Exemplar nicht ausgeben. Ich finde die Ergebnisse recht charmant und für meine Zwecke reicht es. Wenn man sich darüber im Klaren ist, was man damit anstellen will, kann es ein spannendes Experiment werden.

Und es ist eine prima Übung in Geduld. Kann ja auch nicht schaden.

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