Es klopfte an meiner Türe. Energisch und dementsprechend lautstark. Ich fragte mich schlaftrunken, wer denn bitte an einem Sonntag früh morgens so einen Radau an meiner Türe veranstaltet. Und beschloß, den Störenfried zu ignorieren. Würde schon wieder weg gehen, der Klopfer. Wie das Gebimmel der Kirche nebenan. Dauert gefühlt ewig und hört dennoch nach ein paar Minuten von alleine wieder auf. Da muß man nix machen.
Es klopfte schon wieder an meiner Türe. Lauter diesmal. Ich zog mir die Decke über den Kopf und murmelte halbherzige Verfluchungen in mein Kopfkissen. Jetzt nicht, es ist Sonntag morgen und ich will nicht um kurz nach sieben schon aufstehen. Verdammt noch eins, geh halt weg! Was soll denn das?
Dieses Mal klopfte es nicht, dieses Mal hämmerte es gegen meine Türe. Da wollte wirklich jemand, daß ich ihm die Türe aufmache? Wie lebensmüde muß man sein um an einem Sonntag morgen kurz vor sieben dermaßen nervig meine Türe zu malträtieren? Nun, ich sollte es heraus finden. Mehr als genervt warf ich die Decke schwungvoll zurück, quälte mich aus dem Bett in die Jogginghose und stapfte mit Mordlust in den Augen zur Türe.
Ich riß die Türe auf und erblickte einen häßlichen Gnom mit schwarzem Bart und über die Schulter geworfenen Seesack, der grinsend zu mir hochblickte. „Schönen guten Tag, wenn Sie gestatten täte ich gerne eintreten!“ flötete es mir von unten entgegen. „Ich gestatte nicht!“ schnaubte ich. Was glaubte der denn? Mir den Sonntag morgen vermiesen und dafür auch noch eingeladen zu werden? Im Leben nicht. Aber sowas von im Leben nicht!
Einen sehr giftigen Blick später versuchte ich, dem Gnom die Türe vor der Nase ins Schloß zu werfen. Mit erstaunlicher Kraft, die ich ihm nicht zugetraut hätte, hielt der Gnom die Türe fest und schob sich an mir vorbei in den Flur. „Entschuldigen Sie das Gehämmere an Ihre Türe, aber anders bekommt man Sie wohl nicht aus dem Bett,“ sagte er, ging ins Wohnzimmer und warf seinen Seesack neben meine Couch bevor er mit einem Satz auf selbige sprang.
Mit offenem Mund stand ich mit abgeliebter Jogginghose und löchrigem T-Shirt in meinem Wohnzimmer und starrte fassungslos auf den ungebetenen Gast. „Wenn Sie gestatten, dann würde ich mich Ihnen gerne vorstellen. Mein Name ist Schreibblockade, Horst Schreibblockade, und Sie haben das unverschämte Glück, daß ich Ihnen zugewiesen wurde! Ich finde das ja richtig super,“ erklärte er, immer noch grinsend. „Möchten Sie mir nicht eine Tasse Tee anbieten?“
Mochte ich nicht. Aber mal so überhaupt nicht. Ich suchte immer noch die passenden Worte um diesem Gnom da sehr eindrücklich zu erklären was ich von seinem Eindringen in meine Privatsphäre hielt. Und überhaupt, wieso war mir ein Gnom zugeteilt worden und von wem? Kopfschüttelnd stand ich dort, vor meiner Couch, und sah mit an, wie sich dieser Horst umschaute. „Nett haben Sie es hier. Gefällt mir, hätte es schlechter treffen können. Darf ich Sie eigentlich auch duzen, wo wir ja jetzt miteinander diese hübsche Wohnung teilen?“
„Nein. Nein, nein, nein. Weder teile ich mir mit Ihnen eine Wohnung noch dürfen Sie mich duzen!“ ich hatte meine Sprache nach heftigem Ringen mit meiner Müdigkeit wieder gefunden. „Sie können sich Ihren Seesack unter den Arm klemmen und sofort meine Wohnung verlassen, das dürfen Sie!“ böse blickte ich diesen Horst an.
Horst blickte böse zurück. Das taten wir eine ganze Weile und wer mich kennt, der weiß, daß ich keine Angst vor Blickduellen habe. Ich bin selten diejenige, die zuerst den Blick senkt. Während wir uns also gegenseitig in Grund und Boden zu starren versuchten, geschah etwas Merkwürdiges mit mir. Mein Widerstand gegen diesen Gnomenhorst schien dahin zu schmelzen, der war doch eigentlich ganz knuffig. Oder nicht? Ich wandte den Blick ab und ging in die Küche, Horst wollte schließlich eine Tasse Tee.
So zog also Horst Schreibblockade bei mir ein und es dauerte keine zehn Minuten, da duzten wir uns. Horst schien mich gut zu kennen und verstand es, in meinen Augen immer sympathischer zu werden. Na, wenn ich mich gegen Cookie schon in Sachen Katzen nicht durch setzen konnte, dann durfte ich wenigstens einen Horst haben. Fand ich.
Horst lebte sich schnell ein. Im Grunde hätte mich das mißtrauisch machen sollen, doch die erste Zeit hatte ich echt eine Menge Spaß mit Horst. Ich verstand erst später, welch perfides Spiel dieser Gnom eigentlich mit mir spielte. Denn jedesmal, wenn ich mich vor meinen Rechner, mein Notizbuch oder mein Tablet setzte um mir von der Seele zu schreiben was auf eben jener so vor sich hin brannte, stand Horst parat.
Er zeigte mir lustige Katzenvideos. Wir scrollten stundenlang durch Instagram oder Facebook. Sahen gemeinsam eine Serie nach der anderen bis wir Netflix gefühlt durch gespielt hatten. Räumten zusammen den Schreibtisch auf oder recherchierten uns durchs Internet. Horst stand neben mir sobald ich auch nur an eine Tastatur zu denken schien und nörgelte so lange, bis ich nach gab und meine Zeit mit anderen Dingen verplemperte. Setzte ich mich tatsächlich einmal durch und saß zum Schreiben am Rechner ohne vorher stundenlang irgendetwas aufgeräumt, sortiert oder geputzt zu haben, dann ließ er an meinen Texten nicht ein gutes Haar.
Ehrlich, Horst ist kein Kritiker. Der Typ ist mehr so Marke Spielverderber. Von der ganz üblen Sorte. Da konnte ich meinen Text noch so gut finden, spätestens wenn Horst seinen Senf dazu abgegeben hatte fühlte ich mich wie der letzte Versager, dem man weder Tastatur noch Stift in die Hände geben sollte. Innerhalb kürzester Zeit strich meine Kreativität die Segel, packte ihre Siebensachen in ihr winziges Köfferchen und fuhr beleidigt in den Urlaub. Irgendwas mit Sonne und Strand und Schirmchen im Cocktail. Zurück blieben ich und, naja, Horst eben.
Die ersten Tage vermißte ich sie nicht mal sonderlich, die Kreativität. Ganz im Gegenteil, ich hatte vor lauter Netflix und Serien gucken und Ablenkung nicht mal mitbekommen wie sie mit ihrem Köfferchen schnaubend durch die Türe hinaus in die weite Welt marschiert war. Sehen Sie, Horst verstand es hervorragend, mich immer wieder abzulenken. Doch die ganze Schuld nur auf Horst zu schieben wäre auch nicht fair, es gehören ja immer zwei dazu. Einer, der ablenkt, sowie ein Dummer, der sich ablenken läßt. Es fällt mir sehr schwer, Ihnen das einzugestehen, doch in diesem Fall war ich tatsächlich die Dumme.
Ohne meine Kreativität am Start, die saß ja irgendwo in der Sonne am Strand und trank Cocktails mit Schirmchen drin, versumpfte ich vor meinen Serien und Facebook und Instagram. Immerhin bekam ich drei Mützen, ein Paar Socken und einen dreiviertel Pullover gestrickt während Horst an mich geschmiegt neben mir auf der Couch hockte. Stricken und Serien glotzen geht simultan. Und für simples glatt rechts in der Runde stricken braucht es keine Kreativität, höchstens eine Minimaldosis an Aufmerksamkeit. Eine ganze Zeitlang merkte ich nicht, was ich da eigentlich tat. Bis zu dem Morgen, an dem mir die Postbotin, die immer so quietschig „Daaaanke, Pohooost!“ durch den Hausflur schreit nachdem man sie ins Haus gelassen hat, eine Postkarte aus der Karibik in den Briefkasten warf.
„Hallo meine Liebe, ich sitze hier schön am Strand, schlürfe Cocktails aus langen Gläsern mit Schirmchen drin und beobachte einen Sonnenuntergang nach dem anderen. Ich habe eine Menge netter Leute kennen gelernt und eine Dame hat mir sogar angeboten, ich könne bei Ihr einziehen wenn Du mich nicht mehr haben willst. Ich hoffe, Du hast diesen Horst mittlerweile raus geschmissen, der ist echt nicht gut für Dich! Hoffentlich bis ganz bald, Deine Kreativität!“
Bämm. Meine Kreativität war ohne mich in den Urlaub gefahren? Und ich hatte das vor lauter Bespaßung und Ablenkung seitens dieses komischen Gnoms nicht bemerkt! Wie peinlich war das denn? Was war das überhaupt für eine Type, die ich da in mein Zuhause und mein Leben gelassen hatte? Ich begann damit, nach Feierabend für ein paar Minuten länger im Büro zu bleiben um dort zu recherchieren wer und was dieser Horst Schreibblockade überhaupt war und, viel wichtiger noch, wie ich den Sausack wieder loswerden könnte. Zuhause war das nicht möglich, Horst war ja immer da und Mupfelheim ist gerade mal 65 m² groß, da hatte ich wenig Gelegenheit mich vor diesem Gnom lange genug zu verstecken für meine Recherche.
Dieses Internet ist ja was tolles, da findet man für jedes Problem eine Lösung. Manchmal findet man sogar Lösungen für Probleme, von denen man nicht mal wußte, daß man sie überhaupt hatte! Das Internet empfahl mir so hilfreiche Sachen wie „Setzen Sie sich durch und schreiben Sie!“ oder auch „Machen Sie Dinge anders als sonst, putzen Sie die Zähne mit der anderen Hand.“ und ähnlichen Krempel. Damit konnte ich nun herzlich wenig anfangen, stattdessen begann ich nicht nur, wieder zum Sport zu gehen sondern ging tatsächlich mit Cookie zum Sport. Denn Sport bringt mich auf andere Gedanken und so vergaß ich diesen Horst, der in meiner Wohnung hockte und erst meine Texte niedermachte um mir dann zum vermeintlichen Trost Katzenvideos und Netflix unter die Nase zu halten. Zumindest für die Zeit, in der ich mit Cookie auf dem Laufband schnaufte oder Gewichte durch die Gegend stemmte, zog und zerrte.
Eines Abends kam ich gerade vom Sport und sah, wie Horst auf der Couch schlief. Diese Gelegenheit mußte ich beim Schopfe packen. Sofort. Ich stopfte seinen Krempel, der überall in der Wohnung verteilt zu sein schien, zurück in seinen Seesack. Packte den schlafenden Horst am Kragen und zog ihn als auch seinen Seesack zur Wohnungstüre, riß diese sperrangelweit auf und warf den schäbigen Gnom samt Seesack mit Schmackes in den Hausflur. Ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen, schloß ich die Türe hinter mir, öffnete mein Notebook und seufzte erleichtert auf als ich meine Hände auf die Tastatur legte. Fast wie von alleine floßen mir Buchstaben, Sätze, Absätze auf das virtuelle Papier während vor meiner Haustüre laut schluchzend ein Gnom namens Horst Schreibblockade die Fußmatte naß heulte.
Ich schrieb eine lange E-Mail an meine Kreativität in der Karibik und bat sie inständig um Verzeihung für die schlechte Behandlung, die ich ihr hatte angedeihen lassen. Ich hatte meine Lektion gelernt und würde bestimmt nie wieder einen Horst Schreibblockade einfach so mein Leben übernehmen lassen. Kreativität ließ mich ein Weilchen zappeln bevor sie mir in einer kurzen Antwort die Mitteilung machte, sie hätte sich zur Rückkehr entschlossen und ich solle mir darüber im Klaren sein, daß eine Menge Arbeit vor uns läge. Sie wäre aber bereit, mir noch eine letzte Chance zu geben.
Man kann sich gar nicht vorstellen, wie erleichtert ich darüber war. Ich las ihre knappe Mail immer wieder und vergoß die ein oder andere Freudenträne bevor ich mich daran machte, meinen Schreibtisch aufzuräumen und neu zu dekorieren. Sie steht auf meine Schreibtischdeko, das wußte ich. Und dann war der große Tag da, die Kreativität stand mit samt ihrem Köfferchen und den Siebensachen vor meiner Türe. Wir fielen uns in die Arme und besprachen erst einmal bei einer Tasse Tee unsere Probleme der letzten Zeit. Wir sind zuversichtlich, daß wir das wieder in den Griff kriegen.
Und Horst? Nun, der sitzt immer noch im Hausflur mit seinem Seesack. Mittlerweile hat er die Flennerei aufgehört und zum Trost habe ich ihm Wolle und ein Nadelspiel geschenkt. Er strickt jetzt Socken. Und guckt dabei Katzenvideos auf seinem Handy. Für Netflix fehlt ihm die Kohle, jetzt wo er arbeitslos ist.
Sollte dieser Horst Schreibblockade bei Ihnen auftauchen, machen Sie ihm bitte nicht die Türe auf. Sie fallen schneller auf seine charmante Tour herein als Sie „Schreibblockade“ buchstabieren können. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich hier rede.
Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich muß den Staub hier aus den Ecken wischen, Texte schreiben und Bilder machen. Wir lesen uns!
Herzlichst, Ihre
Frau Mirtana
Schön, wieder von dir zu lesen… 🙂
Schön zu wissen, daß Du noch hier vorbei schaust! <3
Ja, genau – Frau Mirtana. Sehr schön wieder von Dir zu lesen. Ich kann das so nachvollziehen. Habe derzeit auch irgendwie keine Lust zu schreiben. Und die kreativen Fotos sind wieder mal sehr hübsch!
Liebe Grüße,
Schirrmi
Danke schön, ich freue mich darüber daß Dir die Bilder gefallen – ich hab lange darüber nachgedacht welche Bilder ich für diesen Beitrag eigentlich machen möchte und freue mich über das Kompliment! Ich wünsche Dir, daß die Lust am Schreiben bald auch bei Dir wieder zurück kommt.
Liebe Grüße,
Mirtana
<3 Ein toller Text (mit genauso tollen Bildern!), aber musstest du Horst ausgerechnet zu mir schicken? 😉
Hi Nele,
als ich am Wochenende einkaufen war saß Horst noch in meinem Treppenhaus, aber da ich ja selten wirklich den ganzen Tag zu Hause rumhänge habe ich natürlich auch nicht die Zeit ständig zu kontrollieren ob Horst wirklich noch im Treppenhaus sitzt. Ansonsten bei der nächstbesten Gelegenheit am Schopf packen und wieder vor die Türe setzen, den Schlingel 😉
Danke für Deine lieben Worte!
Mirtana
Bist du sicher, dass der Horst noch in deinem Hausflur ist? Ich könnte schwören, dass der zwischendruch auch bei mir war. Aber vielleicht hat der ja auch fiese Geschwister. Ich bin auf jeden Fall droh, dass du ihn hinausgeworfen hast. Ich habe deine Texte vermisst.
Liebe Grüße, Carmen
Hi Carmen,
ich vermute mal, daß Horst noch eine ganze Menge Geschwister hat. Würde Sinn machen 😉
Danke fürs Vermissen <3
Liebe Grüße,
Mirtana
Liebe Frau Mirtana!
Ich habe mich köstlich amüsiert beim Lesen! Dieser Horst schien anfänglich ein gestandener Mann zu sein, der sich da in Ihrer Wohnung breit machen konnte, obwohl er unerwartet erschienen ist und sich unerwünscht in ihren vier Wänden aufhielt.
Als Horst Schreibblockade voriges Jahr ein paar Monate bei mir zu Gast gewesen war, da fiel mir auf, da war auch was Gutes dran an seiner Anwesenheit.
Hi Rosenherz,
dann hat der Text seinen Zweck erfüllt, schön zu hören daß Du Dich amüsiert hast 😉
Ja, ganz schlecht ist selbst so ein Horst Schreibblockade wohl nicht, immerhin habe ich in der Zeit fast zwei Pullover gestrickt. Warme Pullover kann man ja nie genug haben – man weiß nie, wann das wieder so furchtbar kalt wird wie in den letzten Wochen.
Liebe Grüße,
Mirtana
Schön, dass du diesen Kampf gegen Horst gewonnen hast.
Habe dich ganz schön vermisst. Ich mag nämlich deine Fotos vom Ruhrpott und freue mich auf neue…..
Liebe Grüße
Christa
Hi Christa,
das freut mich! Allerdings fällt gerade gefrorenes Wasser vom Himmel, die neuen Bilder vom Ruhrpott müssen noch ein wenig warten. Ich bin kein Fan von Schnee 😉
Liebe Grüße,
Mirtana
liebe frau mirtana,
ich habe sie vermisst und ihre wunderbaren fotos. meine freude ist groß, daß horst vor die tür gesetzt wurde und ich freue mich auf neue texte, ideen, ansichten und fotos!
liebe grüße
nimitz
Es rührt mich sehr, daß Du mich und meine Fotos vermißt hast! Es ist schön zu wissen, daß meine Leser mir auch dann noch treu sind wenn ich mal ein halbes Jahr in der Versenkung verschwinde.
Liebe Grüße <3,
Mirtana