Zu Gast bei Marmeladekisses: Foto-Workshop mit Berit.

Sonntag abend und vor mir fährt ein Rentner. So ein richtiger Klischee-Rentner. So einer, der mit vierzig Sachen über die Bundesstraße fährt. Die Bundesstraße, auf der in regelmäßigen Abständen Schilder mit einer dicken “70” darauf daran erinnern, daß man hier schneller als vierzig fahren darf. Ich klebe also hinter diesem Klischee-Rentner und warte auf eine Lücke zwischen all den Autos auf der linken Spur, in denen Menschen sitzen, die in der Lage sind ein Gaspedal zu bedienen.

Es ist einer dieser Abende, die lauthals danach rufen einfach ein Stündchen ziellos durch die Gegend zu fahren. Weil ich beim Autofahren hervorragend nachdenken kann. Ich habe einen spannenden Sonntag hinter mir und mir ist, als hätte ich in meinem Inneren eine Türe aufgemacht und all die Gedanken hinaus gelassen, die ich dort eingesperrt habe. Jetzt wirbeln diese Gedanken durch meinen Kopf und ich fahre Auto, um sie zu sortieren.

Foto-Workshop bei Marmeladekisses

Ich komme aus Duisburg, von einem Workshop bei Berit von Marmeladekisses. Ein ganzer Tag zusammen mit anderen Frauen, die alle lernen möchten wie man schönere Fotos macht. Ich wollte schon länger einen Foto-Workshop bei Berit machen und war ganz aus dem Häuschen, daß es dieses Mal geklappt hat und ich einen der Plätze ergattern konnte. Um es vorab zu verraten, ich hatte einen wunderbaren Tag, der unglaublich viel in mir bewegt hat.

Es ist kompliziert.

Denn wären die Fotografie und ich ein Paar, dann hätten wir unseren Beziehungsstatus schon vor langer Zeit auf “Es ist kompliziert” ändern müssen. Denn die arme Fotografie konnte mir in den letzten Monaten nix mehr recht machen. Und so stand meine bedauernswerte Kamera oben auf ihrem Platz im Regal über meinem Schreibtisch. Schaute mich ab und an traurig oder vorwurfsvoll an ob der Tatsache, von mir so sträflich vernachlässigt zu werden. Irgendwie war die Luft raus und ich trat auf der Stelle. Jedes Mal, wenn ich etwas Neues probierte und damit auf die Nase fiel, hielt mich mein Frust davon an, es noch einmal zu versuchen. Nicht gut, nicht originell, nicht schön, nicht besonders, nicht weiß der Geier genug sagten die Stimmen in meinem Kopf.

Foto-Workshop bei Marmeladekisses

Ja, immer noch. Ich höre halt Stimmen, get over it. Und die Stimmen in meinem Kopf, die sorgten dafür daß ich mich von dem Frust klein kriegen ließ, wenn wieder mal etwas nicht so funktionierte wie ich mir das ausgemalt hatte. Offensichtlich bin ich mittlerweile nicht mehr sonderlich frusttolerant. Gibt es das Wort überhaupt? Egal, Ihr wißt, was ich meine. Oder?

Dieser Frust sorgte dafür, daß ich aufhörte damit neue Dinge zu probieren. Wer aber aufhört, neue Dinge auszuprobieren weil er Angst hat damit auf die Fresse zu fallen, der bewegt sich nur noch auf sicherem Terrain. Da kann einem ja auch nix passieren. Tja, da lernt man aber nichts Neues, wird nicht besser und setzt höchstens die eigenen Grenzen tiefer in Stein.

Der Foto-Workshop, so lief er ab.

Wir sitzen in der Bürogemeinschaft Oppa Franz und nachdem wir vollzählig sind, stellen wir uns einander kurz vor. Wer wir sind, was wir machen, wo wir herkommen und warum wir hier sind. Und schon folgt der erste “Aha Moment” des Tages, ich bin nicht die Einzige, die gerne die Möglichkeiten ihrer Kamera voll nutzen und manuell fotografieren möchte, aber auf dem Weg dahin immer wieder schwungvoll auf die Nase fällt.

Berit geht dann über zum technischen Teil und erklärt mit einer Präsentation, worauf es ankommt und welche technischen Details man verstehen muß um im manuellen Modus fotografieren zu können. Spoiler: es ist nicht mal halb so kompliziert wie ich gedacht habe. Es gibt, bei Licht betrachtet, überhaupt keinen Grund vor dem manuellen Modus meiner Kamera in irgendeiner Weise Schiß zu haben. Ganz im Gegenteil. Hat man die technischen Details und die Zusammenhänge von Blende, Iso, Belichtungszeit erst einmal begriffen und wendet sie konsequent an, dann übernimmt man die volle Kontrolle über die eigenen Bilder. Angefangen vom manuellen Fokussieren bis hin zu der Entscheidung, wie ich bei welcher Blende belichte und wie ich damit welchen Effekt erzeuge.

Foto-Workshop bei Marmeladekisses

Der technische Teil ist dementsprechend recht kurz und nachdem wir alle heraus gefunden haben wie wir bei unseren Kameras die benötigten Parameter einstellen können läßt uns Berit auf Blutorangen, Blumen, Kuchen (der Schokokuchen, den wir alle fotografiert und kaum einer probiert hat!) und all ihre wunderschönen Props los um selber Bilder zu machen. Berit gibt jeder von uns Hilfestellung, beantwortet geduldig unsere Fragen und erklärt, wie man bestimmte Effekte erreichen kann und welcher Körpereinsatz dazu manchmal notwendig ist. Mit welch einfachen Tricks man das Licht lenken und damit bestimmen kann, welche Teile des Motivs im Licht und welche im Schatten liegen. Ganz abgesehen von den vielen kleinen Aha-Momenten, die ich den Tag über immer mal wieder habe im Sinne von “Aha, sooo macht man das also!”

Berit hat die wunderbare Gabe einen geschützten Raum für ihre Teilnehmer zu erschaffen, in dem es kein richtig oder falsch gibt. Sondern Anregungen und Verbesserungsvorschläge und ganz viel Raum zum Ausprobieren. So fühle ich mich mehr wie auf einem Kaffeekränzchen bei einer Freundin, die mir mit viel Herzblut ihre Art der Fotografie näher bringt und nicht wie auf einem starren Workshop, auf dem einer vorne an der Tafel steht und mir etwas beizubringen versucht. Learning bei Doing steht hier auf der Tagesordnung. Und lecker Essen gibt es obendrein auch noch!

Und so gehe ich am Ende des Tages mit neuartigen Bildern und einer Türe im Kopf, die wieder sperrangelweit offen steht, nach Hause. Habe tolle Frauen getroffen, kenne jetzt eine gute handvoll neuer Instagram-Accounts, denen ich folgen kann, während ich eine gute Zeit hatte und noch eine Menge gelernt habe. Über meine Kamera, über das Fotografieren und zu guter Letzt noch über mich selbst.

Foto-Workshop bei Marmeladekisses

Und, was haste nun so gelernt?

Endlich, eine Lücke im Strom der Autos, die links an mir vorbei fahren. Ich kann ausscheren und diesen Klischee-Rentner überholen. Ich fahre Richtung 52, nach Haltern. Dort kann man schön über die Dörfer bummeln wenn man einfach nur beim Autofahren ein wenig nachdenken möchte.

“Es wurde bereits alles fotografiert, nur noch nicht von jedem.” Immer wieder drängt sich dieser Satz nach vorne, bettelt um meine Aufmerksamkeit. Und es stimmt. Es gibt im Bereich der Fotografie nichts wirklich Neues mehr und das ist auch okay. Ich muss das Rad nicht neu erfinden, ich kann einfach nur Spaß daran haben mich auszuprobieren. Und sei es, die Bilder, die mir gefallen, zu analysieren und versuchen, ähnliche Bilder zu machen. Es sagt ja niemand, daß ich die Nachahmungen irgendwo veröffentlichen muss, zumal sie in erster Linie nur für mich da sind. Zum Lernen und zum Verstehen.

Foto-Workshop bei Marmeladekisses

Gelernt habe ich außerdem, daß ich meine Kamera wirklich gut kenne. Gut, jetzt ist sie schon etwas älter und hat zum einen nicht so viele Knöpfe und kein Touchdisplay oder ähnlich tolle Spielereien. Dafür kann ich sie ohne Hingucken bedienen. Vermutlich ist das so ein wenig wie mit den Autos. Je weniger Komfort und Knöppe, mit denen man den Komfort einstellen kann, ein Auto hat desto besser komme ich damit klar … Ehrlich, ich kann auch noch den letzten Schrottkübel sicher durch den Verkehr bringen! Spaß beiseite, ich hätte wirklich nicht gedacht wie sehr es mir die Sache leichter macht nur weil ich nicht mehr viel Zeit verliere um die benötigten Einstellungen meiner Kamera suchen zu müssen.

Gute Fotos brauchen Zeit. Einfach “mal eben” zwischen Tür und Angel ein gutes Foto machen kann funktionieren, muss aber nicht. Wird es im Zweifel auch nicht. Gute Bilder brauchen Zeit für die Vorbereitung und sie brauchen Zeit bis sie “im Kasten” sind. Ich werde nicht darum herum kommen, mich mit Bildbearbeitung zu beschäftigen. Besser werden braucht Zeit und ich muss mir diese Zeit nehmen wenn ich mich und meine Fotografie entwickeln will. So einfach ist das.

Foto-Workshop bei Marmeladekisses

Zu guter Letzt müssen meine Bilder mir gefallen. Natürlich freue ich mich darüber wenn jemand meine Bilder mag und die Währung auf Social Media Kanälen ist und bleibt nun mal der Daumen nach oben oder das kleine Herzchen. Ich möchte schlicht diesen Gedanken aus dem Kopf bekommen, der mir den Spaß an der Fotografie genommen hat. Mir müssen meine Bilder am Ende des Tages schließlich gefallen. Und nur, weil ein Bild weniger Däumchen oder Herzchen bekommt, ist es nicht schlechter als andere. Es trifft nur den allgemeinen Geschmack halt nicht. Das ist nicht schlimm, es sind meine Bilder und sie sind nicht weniger wertvoll für mich nur weil sie keine Herzchen und Däumchen erhalten.

Die Moral von der Geschichte?

Allmählich wird es dunkel, Zeit mein kleines blaues Auto gen Heimat zu lenken. Ich bin dankbar für diesen schönen Tag, der mir so unglaublich viel gegeben hat. Ganz viel Inspiration und Stoff zum Nachdenken. Von Herzen ein ganz fettes “Danke” dafür an Berit.

Solltet Ihr mit dem Gedanken spielen einen Foto-Workshop bei Berit besuchen zu wollen: ich kann ihn Euch nur wärmstens empfehlen! Macht das, laßt Euch darauf ein und lernt etwas über die Fotografie und Euch selber. Es lohnt sich.

Ach ja, bevor ich das hier unter den Tisch fallen lasse: Blutorangen sind der fotografische Knaller! Und, ganz wichtig, üben, üben, noch mehr üben.

6 Gedanken zu „Zu Gast bei Marmeladekisses: Foto-Workshop mit Berit.“

  1. <3 Hach ich freue mich so für dich! Man liest richtig heraus wie gut dir dieser Tag getan hat und wie viel Spaß er dir wiedergebracht hat und somit auch in Zukunft geben wird.

    Liebe Grüße, Carmen

    1. Lieben Dank, Carmen! <3

      Ich freu mich grad darüber, daß der Text genau das wieder gibt: die Freude, die wieder gefundene, und wie gut mir der Tag getan hat! Genau das wollte ich damit sagen 🙂

      Liebe Grüße,
      Mirtana

  2. Liebe Mirtana,
    ganz vielen Dank für diesen wunderbaren Bericht! Es ist für mich eine große Bereicherung, dass du so über meinen Workshop schreibst <3

    viele Grüße
    Berit

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