braune Schreibmaschine auf Schreibtisch, links hochkant der Schriftzug "Dear Diary", unten rechts der Schriftzug "#1: Herbstliche Klischees und KI"

Dear Diary #1: Herbstliche Klischees und KI

Eigentlich hätte ich anhalten sollen. Um den Anblick, der sich mir bietet, auf einem Bild festzuhalten. Ich bin auf dem Weg zur Arbeit, vor mir breitet sich der Freitagmorgen im schönsten Herbstklischee aus. Auf den Feldern liegt noch Nebel, die Sonne erhebt sich über den Horizont und sorgt dafür, daß der Nebel förmlich leuchtet. Die Ahornbäume, die die Straße säumen, tragen bereits ihr Herbstkleid in allen Tönen, die das Spektrum von gelb über orange bis rot so zu bieten hat. Ihre Kronen werden von den ersten goldenen Sonnenstrahlen zum Strahlen gebracht während auf den Weiden ein paar Pferde im Nebel stehen. Mehr Herbst kann man wahrlich nicht in einen Morgen rammen.

Ich halte nicht an und mache ein Foto, sondern fahre mit den vorgeschriebenen 30 km/h die Allee entlang und freue mich über den Anblick. Den Herbstzauber hätte ein Handyfoto nur im Ansatz wieder geben können. Immer öfter unterlasse ich es, Bilder zu machen und statt das Leben durch ein Objektiv zu betrachten, bleibt die Kamera (oder das Handy) eben einfach in der Tasche.

Ahornbaum in herbstlicher Färbung an der Straße

Wann ist das denn passiert, daß mir der Spaß daran verloren gegangen ist, mein Leben in Bildern festzuhalten? Und werde ich mich irgendwann darüber ärgern, daß es Momente gibt, von denen ich keine Bilder habe? Jahrelang habe ich ständig meine Kamera mit mir herum geschleppt und sie bei jeder Gelegenheit aus der Tasche geholt. Und hatte ich sie nicht dabei, dann doch wenigstens den smarten Telefonknecht bemüht. Haben die Fotografie und ich uns still und leise auseinander gelebt und gehen jetzt getrennte Wege?

Während ich im Büro Tee aufsetze, grübele ich noch ein wenig darüber nach, warum ich so fotografiemüde geworden bin und wie ich das ändern kann. Oder halte ich an etwas fest, das vielleicht seine Zeit in meinem Leben hatte, die nun vorbei ist?

Schon immer war ich jemand, der sich mit Begeisterung in neue Aufgaben versenken kann. Ich liebe es, zu lernen. Weil es mir unglaublich leicht fällt, mich in neue Dinge rein zu fuchsen. Bis ich an den Punkt komme, wo Fortschritte nur noch mit Anstrengung zu erreichen sind statt mir mühelos in den Schoß zu fallen. Deswegen kann ich eine ganze Menge. Nur zum Experten in irgendwas reicht es nie, weil mich Anstrengung langweilt und ich mich lieber auf das nächste Spielzeug stürze, was den Kopf zum Rotieren bringt. Wie heißt es in Arbeitszeugnissen so schön? „Sie zeichnete sich durch eine außergewöhnlich schnelle Auffassungsgabe aus und erfasste auch komplexe Sachverhalte sofort.“ Me in a nutshell.

Mein neuestes Spielzeug ist künstliche Intelligenz. Nachdem ich heraus gefunden habe, daß man mit ChatGPT komplexe Excel-Tabellen bauen kann, beschäftige ich mich damit. Ich weiß, an Tabellenkalkulation scheiden sich die Geister. Entweder man liebt sie. Oder man macht einen großen Bogen darum. Ich kann mich stundenlang damit beschäftigen und ziehe eine Menge Freude daraus, komplexe Probleme und Berechnungen mit Excel zu erstellen. In mir steckt eben ein kleiner Nerd, der sich ein Bein abfreut, wenn ich am Ende des Tages ein komplexes Problem gelöst habe. Ja, ich liebe Excel. Nicht nur am 17.10., dem Internationalen Tag der Tabellenkalkulation. Wobei ich den englischen Ausdruck „Spreadsheet Day“ viel schöner finde. Nebenbei noch gelernt, daß die Tabellenkalkulation im selben Jahr wie ich das Licht der Welt erblickt hat, nämlich 1979. Weiß man das auch mal.

Aufnahme von regennassen Pilzen auf Baumstumpf

Häufig erbe ich alte Tabellen, in denen Berechnungen zu finden sind, die sich mir nicht erschließen. Zumindest nicht auf den ersten Blick. Und die sehr häufig kaputt sind … Statt nun Stunden damit zu verbringen, diese Berechnungen zu analysieren ermöglicht mir ChatGPT, einfach die unverständliche Formel zu kopieren und mir genau aufschlüsseln zu lassen, was der Buchstabensalat eigentlich berechnen soll. Derartig analysiert, daß ich sie danach entweder reparieren oder neu formulieren kann. Ich finde das super und ich lerne eine ganze Menge dabei.

ChatGPT ist der ideale Sparringspartner, wenn ich auf einem Problem herum kaue oder irgendwo einen Fehler in meiner erstellten Formel habe. Denn so gut die KI auch sein mag, wenn ein Idiot sie bedient, dann kommt am Ende nix Gescheites dabei heraus. Man muß schon wissen, was man möchte. Prompts so zu formulieren, daß ich am Ende ein brauchbares Ergebnis erhalte? War eine dezente Lernkurve, deren Spitze ich noch nicht erreicht habe.

Ich bin fasziniert von diesem KI Thema und was damit mittlerweile alles möglich ist. Einerseits. Andererseits finde ich es auch ziemlich beängstigend und frage mich, ob wir nicht ein Monster schaffen, das wir irgendwann nicht mehr beherrschen. Um mal die Stichworte Deepfakes und Fake News in den Raum zu werfen. Die KI-Modelle sind mittlerweile so gut, ich bin mir nicht sicher, ob ich einen KI-generierten Text noch treffsicher erkennen könnte. Mit genau dieser Fragestellung beschäftigt sich die Folge „KI or not KI: Können wir ihre Texte noch enttarnen?“ des Podcasts 11KM, den ich beim Spaziergang in der Mittagspause gehört habe.

Apropos 11KM. Sehr geschmunzelt habe ich über den Artikel einer Tiefsee-Expedition in den Mariannengraben, die elf Kilometer unter der Wasseroberfläche etwas gefunden haben, was ich da nicht vermutet hätte. Stell Dir mal vor, da tauchste an die tiefste Stelle des Meeres, wo vor Dir noch kein Mensch (oder kaum einer) gewesen ist und was findest Du? Zivilisationsmüll. Irgendwie sinnbildlich für uns als Menschheit …

Und sonst so? Ist jetzt Herbst. Auch auf dem Tisch. Recherchiere noch nach umweltverträglichen Kerzen und Teelichtern, die nicht aus Erdöl oder Palmöl bestehen. Spoiler: scheint umfassender zu werden, bisher bin ich noch nicht wirklich fündig geworden. Habe noch ein paar Tage Zeit, bis der Vorrat an Kerzenlicht endgültig am Ende ist und ich Nachschub benötige. Der Abend endet mit Eintopf und ein paar Folgen „House of Cards“. Bei Kerzenlicht. Wie sich das für so ein richtiges Herbstklischee gehört.

So long, dear Diary.

Tischdekoration: Baumscheibe mit einem Windlicht für Teelichter, kleiner herbstlicher Strauß in Minivase, Trockenblumen

2 Gedanken zu „Dear Diary #1: Herbstliche Klischees und KI“

    1. Als Tochter eines ehemaligen Hobby-Imkers mag ich den Geruch von Honig und Bienenwachs. Allerdings bin ich skeptisch, was viele Angebote an Bienenwachskerzen betrifft. Damit wird viel Schindluder getrieben und nicht alles, was als Bienenwachs verkauft wird, ist auch welches. Oder stammt aus vernünftiger/nachhaltiger Produktion. Ich suche da noch. Ebenso nach Alternativen für Teelichter, die sich im Stövchen verwenden lassen ohne mir die Kanne von unten vollzurußen. Gar nicht so einfach 😉

      Liebe Grüße,
      Frau Mirtana

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