Dear Diary #6: Alt werden in fünf Minuten.

Ja, das geht neuerdings wirklich so schnell. Innerhalb von fünf Minuten wechsle ich vom Aggregatzustand „Ich, 45, mitten im Leben, alles läuft super, da geht noch was“ über in „Ich, 85, da geht nix, alt und abgehängt“. Und alles, was ich dazu benötige, ist ein modernes Auto. Wer hier länger liest, wird wissen, daß mein Privatwagen nicht nur einen Namen hat, sondern auch ein älteres Semester ist. Genauer gesagt verbirgt sich hinter dem Beschleunigungsmonster ein Toyota Corolla Baujahr 2001.

Wenn ich mit dem Beschleunigungsmonster irgendwohin möchte, gestaltet sich das recht einfach: einsteigen, Schlüssel ins Zündschloß, selbigen drehen, Licht an (ich fahre immer mit Licht, ausnahmslos, egal welches Fortbewegungsmittel), Gang rein, anschnallen, Kupplung kommen lassen und losfahren. Ich bin fünfundvierzig, stehe mitten im Leben, bin fit und eine ganze Industrie will mir einreden, daß fünfundvierzig schließlich das neue dreißig sei, damit ich meine Kohle für Proteinshakes, Detoxpülverchen, Fitness-Apps und Antifalten-Pampe raushaue. Wo sind die alle bitte, wenn ich mich hinter das Steuer eines modernen Autos aus den letzten Jahren klemme? Dear Diary #6: Alt werden in fünf Minuten. weiterlesen

Dear Diary #5: Sach ma, knallt dat bei Euch?!

Zum Jahreswechsel von 2015 auf 2016 war ich vormittags noch kurz beim Discounter um die Ecke, weil ich irgendeine Kleinigkeit vergessen hatte. Und während ich auf der Suche nach der vergessenen Kleinigkeit durch die Gänge lief, zündeten irgendwelche Vollidioten auf dem Parkplatz außerordentlich laute Böller. Und noch während der erste Explosionsknall verhallte, warf sich ein Mensch ein paar Meter vor mir auf den Boden, zitterte am ganzen Körper und hielt sich schützend die Hände über den Kopf. Im ersten Moment fand ich diese Reaktion außerordentlich irritierend. Denn ich reagiere auf diese lauten und unerwarteten Explosionen mit Erschrecken, gefolgt von Wut und lautstarkem Fluchen, in denen nicht jugendfreie Sprache extensiv zum Einsatz kommt und ich dem Verursacher Dinge wünsche, deren Ausführung hochgradig strafbar wäre. Dear Diary #5: Sach ma, knallt dat bei Euch?! weiterlesen

Dear Diary #4: Wie grün sind deine Blätter.

Das Fest der Liebe naht und ich rätsle mich mit meinem Krimi-Adventskalender jeden Abend fröhlich näher an den Tag, an dem wir Geschenke unter dem Tannenbaum austauschen. Wer mich schon länger auf diesem Blog begleitet, der wird das ein oder andere Mal offen oder zwischen den Zeilen folgende Tatsache bemerkt haben: ich kann Weihnachten und dem darum herum gestrickten Brimborium wenig abgewinnen.

Würde Weihnachten wegen Bodennebel ausfallen, mir täte nichts fehlen. Im Gegenteil, dieser ganze Wahnsinn um diese drei Tage, an denen wir bitte besinnlich zu sein haben, der dürfte gerne der Vergangenheit angehören. Weihnachtsmärkte finde ich gruselig, der Geruch von Glühwein bereitet mir Übelkeit und Einkaufen in dieser Zeit macht mir alles andere als Spaß. Spätestens, wenn der Typ im Radio zum xten Male davon trällert, wie traumatisiert er doch sei, daß die Olle, der er sein Herz schenkte, es am nächsten Tag verschmähte, möchte ich den nur noch mit den Worten anbrüllen „Boah Alter, werd erwachsen und komm halt drüber weg, daß sie dich nicht wollte!“ Dear Diary #4: Wie grün sind deine Blätter. weiterlesen

Dear Diary #3: Ich habe fertig.

Das ist tatsächlich graue Nebelsuppe vor meiner Windschutzscheibe. Und nicht etwa eine so dreckige Frontscheibe, daß sie automatisch für die Weichzeichnung der Welt sorgt. Innerhalb von einer Woche bekommen selbst wir unser Beschleunigungsmonster nicht so eingesaut. Die Bäume der Allee strecken ihre schon fast kahlen Äste gen Himmel, lustlos hüpfen ein paar Krähen über den braunen Acker, all die bunten Blätter liegen als Matsch auf dem Asphalt und ich möchte am liebsten wenden. Nach Hause fahren, mir eine Kanne Tee kochen und mit meinem Buch auf der Couch verschlumpfen …

Es ist doch noch Oktober, noch nicht November. Seufz. Nützt ja nix, der Broterwerb ruft. Zähne zusammen beißen und durch. Jetzt beginnt wieder die Zeit der freundlichen Mütter, die mich bei der Arbeit stören. Wenn ich was mit Eltern hätte zu tun haben wollen, ich wäre Lehrerin geworden. Oder sonst irgendwas, wo man auf Eltern trifft. Ich bin Sekretärin. Aus Gründen. Was diverse Mütter nicht davon abhält, trotzdem meine Arbeit zu unterbrechen …
Dear Diary #3: Ich habe fertig. weiterlesen

Dear Diary #2: Winter is coming. Bücher auch.

Der Sonntag, an dem mir die Stunde zurück gegeben wird, die mir seit einem halben Jahr fehlt, dämmert mit grauem Himmel herauf und dem Versprechen von Regen. Danke auch. Wach bin ich seit viertel nach fünf. Winterzeit. Noch so ein Mysterium: in der Woche kann ich hervorragend den Wecker ignorieren und falle häufig viel zu spät aus dem Bett. Und am Wochenende treibt es mich dann zu so früher Stunde hoch? Warum denn bitte, was spricht denn dagegen, noch das ein oder andere Stündchen entspannt vor mich hin zu schlummern? Ich prangere das an.

Genauso wie das Wetter da draußen, das war so nicht geplant. Gefreut habe ich mich auf einen schönen Spaziergang durch den goldenen Oktober mit raschelndem Laub unter den Füßen. Sieht nicht danach aus, als ob das heute noch passieren würde wenn ich mir die Vorboten des Novembers da draußen so begucke. Gut, dann eben nicht. Immerhin bot die vergangene Woche ein paar schöne Oktobermomente. Und sei es nur auf dem Weg ins Büro und zurück, wenn der Weg durch die Allee mit den Ahornbäumen führt. Dear Diary #2: Winter is coming. Bücher auch. weiterlesen

Dear Diary #1: Herbstliche Klischees und KI

Eigentlich hätte ich anhalten sollen. Um den Anblick, der sich mir bietet, auf einem Bild festzuhalten. Ich bin auf dem Weg zur Arbeit, vor mir breitet sich der Freitagmorgen im schönsten Herbstklischee aus. Auf den Feldern liegt noch Nebel, die Sonne erhebt sich über den Horizont und sorgt dafür, daß der Nebel förmlich leuchtet. Die Ahornbäume, die die Straße säumen, tragen bereits ihr Herbstkleid in allen Tönen, die das Spektrum von gelb über orange bis rot so zu bieten hat. Ihre Kronen werden von den ersten goldenen Sonnenstrahlen zum Strahlen gebracht während auf den Weiden ein paar Pferde im Nebel stehen. Mehr Herbst kann man wahrlich nicht in einen Morgen rammen.
Dear Diary #1: Herbstliche Klischees und KI weiterlesen