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Drei Jahre später: Leben ohne Social Media

Vor exakt drei Jahren habe ich auf eben diesem Blog verkündet, daß ich allen bis dahin von mir genutzten Social Media Kanälen den Rücken kehre. Also mein Leben ohne Social Media zu führen gedenke. Und warum ich das tue. Wie immer habe ich dafür sehr viele Worte benutzt, nämlich exakt 2349. Das sind mal eine Menge Worte, um etwas sehr Simples zu erklären, ich weiß. Ich hatte den Beitrag damals “Auf Wiedersehen Social Media” genannt … Wiedersehen an sich beinhaltet ja auch immer die Option auf Rückkehr und die Frage, ob ich mit Anlauf von der Brücke zurück in den Social Media Sumpf gesprungen bin.

Bin ich nicht. Seit drei Jahren lebe ich mein Leben ohne Facebook, Twitter, Instagram und Co. Ja, das geht. Das geht sogar erstaunlich gut.

Ja aber… Du kriegst doch nix mehr mit!

Zum Glück. Ich möchte weder den selbstgefälligen Lärm selbsternannter Influencer, ungefragt aufs Auge gedrückte Werbung jeglicher Art, anonyme Streitgespräche, hysterische Stürme im Wasserglas mittels zweihundertachtzig Zeichen, Informationen die mich entweder nichts angehen oder für mich total belanglos sind, Fake News und lustige Teilebildchen mit geklauten Zitaten, die ähnlich viel Tiefgang wie eine Luftmatratze aufweisen, mit kriegen.

Ich muss nicht wissen was Person X im Urlaub an Ort Y in Restaurant Z zu Abend ißt. Genauso wenig will ich wissen wer die Alternative für Deppen toll findet und meint, seine Umgebung mit dem Teilen von “Artikeln” aus alternativen Medien beglücken zu müssen. Vor allen Dingen kriege ich keine Fake News mehr in diverse Timelines gespült, deren krude Inhalte mir den Blutdruck in die Höhe treiben.

Statt Facebook und Konsorten habe ich die Tagesschau-App auf meinem Tablet sowie dem Handy, damit läßt sich hervorragend verfolgen, was in der Welt so passiert. Zu Themen, die mich näher interessieren, lese ich dann einfach Artikel querbeet bei allen möglichen Tageszeitungen online. Funktioniert für mich hervorragend, zumal keine Filterblasen-Algorithmen sortieren, was ich zu sehen bekomme und was nicht.

Ich entscheide wieder, was ich an Informationen konsumiere, was mich interessiert und worüber ich mehr wissen möchte. Ich habe die ARD Audiothek für mich entdeckt sowie die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender. Wo ich gucken kann was ich möchte und wann ich möchte so lange die Sendungen online verfügbar sind. Da wir für Mupfelheim GEZ bezahlen, kann ich das umfangreiche Angebot schließlich nutzen. Dafür ist es da.

Okay, aber was ist mit Kontakt halten?

Kontakt halten kann ich mit Threema (bitte, bitte trennt Euch doch endlich von WhatsApp und nutzt was Vernünftiges …), Mail oder gar SMS. Oder, noch altmodischer, telefonieren. Geht auch. Dafür muß ich nicht ständig auf dem Display im Leben anderer herum hängen und Daumen hoch oder Herzchen verteilen.

Im Gegenteil, ich chatte viel mehr mit meinen Freunden als vorher. Gut, viele flüchtige Bekannte sind von meinem Radar verschwunden, deren Fehlen sich manchmal mehr, meistens aber eher weniger bemerkbar macht. Dann ist das eben so. Bleibt mehr Zeit für Freunde, ist doch auch schön. Und statt nur eines schnöden Bildes in meiner Timeline bekomme ich über Chat immerhin die Geschichte zu dem Bild und jedes Mal besteht die Chance, daß sich eine neue Unterhaltung entspinnt.

Dieser enge Kontakt über den Bildschirm ist so eben einfacher den Tick persönlicher als ein Daumen nach oben oder ein Herzchen, was im Prinzip ja nichts anderes bedeutet als “Ich hab deinen belanglosen Kram zur Kenntnis genommen.” Ja, ich finde neunzig Prozent dessen, was über soziale Medien geteilt wird, nix anderes als belanglosen Kram. Optimistisch geschätzt. Für den mickrigen Rest mag ich meine Zeit keine werbeverseuchten Algorithmen in den Rachen werfen um mit Freunden in Kontakt zu bleiben.

Übrigens, was ich ja wirklich super finde, ist Post. So richtig altmodische Postkarten aus dem Urlaub zum Beispiel? Freue ich mich total drüber. Da hat sich einer die Mühe gemacht, eine Karte nebst Briefmarke zu kaufen und sich hingesetzt um mir ein paar Zeilen aus dem Urlaub zu schicken, das hat für mich viel mehr Wert als ein paar Bildchen auf Social Media, die nach drei Sekunden schon wieder aus meiner Aufmerksamkeit verschwunden sind. Die Postkarte hingegen hängt die nächsten Monate an meinem Kühlschrank.

Schreibt mehr Postkarten aus dem Urlaub statt ständig nur am Smartphone zu fummeln!

Was machst Du denn sonst so ohne Social Media?

Das, was ich vorher auch gemacht habe. Allerdings, und das hat mich tatsächlich sehr nachdenklich gemacht, mußte ich es erst wieder lernen, mich länger als nur gefühlte fünf Minuten am Stück mit etwas zu beschäftigen ohne nach meinem Handy zu greifen und ständig nach unten zu wischen.

Wie furchtbar ist es bitte, mich von einem technischen Gerät dergestalt konditionieren zu lassen, daß ich nicht mehr in der Lage bin, einfach mal ein, zwei oder auch acht Stunden am Stück ein Buch zu lesen? Und Lesen ist etwas, das ich seit meiner Kindheit liebe. Schon bevor ich zur Schule ging gab es nicht Größeres, als in einer Geschichte zu versinken, Abenteuer zu erleben und in fremde Welten abzutauchen. Ich bin die Person, neben der man fünf Minuten lang hupen kann ohne bemerkt zu werden wenn ich ein spannendes Buch vor der Nase habe und auf einmal war das weg? Alter Schwede …

Dabei ist eben das schließlich das Geschäftsmodell von Social Media. Sehr schön wenn auch typisch drastisch amerikanisch dargestellt findet sich das in der Doku “The Social Dilemma” (verfügbar auf dem großen Video on Demand Portal mit N …) wieder. Nimmt man das amerikanische Drama jedoch weg bleibt noch genug übrig, worüber man sich den ein oder anderen Gedanken machen sollte.

Alles in allem bleibe ich dabei, Leben ohne Social Media geht. Es geht sogar sehr gut. Statt durch endlose Timelines zu scrollen beschäftige ich mich mit Dingen in der realen Welt. Ich kann wieder stundenlang lesen und wenn ich nicht lesen mag, dann schaue ich mir Dokumentationen an während ich friedlich vor mich hin stricke. Manchmal höre ich einfach Hörbücher und male mit Buntstiften Mandalas aus. Sogar langweilen kann ich mich wieder, dann sitze ich morgens gerne mit einer Tasse Tee auf dem Sofa und guck dem Baum vor dem Fenster beim Baum sein zu.

Leben ohne Social Media, jetzt im Ernst?

Natürlich im Ernst jetzt. Es tat nicht weh, all das Social Media Gedöhns hinter mir zu lassen und mich wieder darauf einzulassen, im realen Leben Dinge zu tun ohne den Rest der Welt an jeder Nichtigkeit teilhaben lassen zu müssen.

Ich messe mich nicht mehr an den Inhalten, dem Erleben und Leben, den Bildern und Maßstäben anderer Menschen, die mir in Social Media kleine Einblicke in ein vermutlich ansonsten ebenso langweiliges Leben wie meines auch gewähren. Mein Smartphone fristet ein ziemlich undankbares Dasein wenn ich nicht gerade damit fotografiere. Den Apps habe ich bis auf NINA und der Corona-Warn-App die Berechtigungen entzogen, mir Benachrichtigungen auf den Startbildschirm zu schicken. Zwischen sieben Uhr abends bis sieben Uhr morgens erreicht man mich auf dem Handy nur noch wenn man entweder mit mir verwandt oder schon seit Jahren befreundet ist, das Smartphone geht dann automatisch in den “Nicht stören” Modus. Sehr geniale Einrichtung, dieser Modus.

Mir geht es besser ohne diese Apps. So einfach ist das und weil das so ist bleibe ich dem Social Media Sumpf weiterhin fern. Und wenn ich meine, ich möchte der Welt ein kleines Fenster in mein Leben öffnen, dann tue ich das hier auf meinem Blog.

Schön, daß Ihr immer noch hier seid.

6 Gedanken zu „Drei Jahre später: Leben ohne Social Media“

  1. Hallo Mirtana,

    “Willkommen im Club” wäre jetzt eine überhebliche Annahme – denn ich weiß ja nicht, wer von uns Beiden zuerst diese Abstinenz-Idee hatte.

    Jedenfalls läuft seit ca. drei Jahren mein Mobiltelefon – das zuvor mehr in der Schublade lag und nur in Notfällen zum telefonieren gebraucht wurde – mit einem quelloffenen, nicht-proprietären Betriebssystem¹ und meine Apps kommen alle von F-Droid, einer Alternative zu Appstore und Google Play. Schon deswegen wäre es kontraproduktiv wenn ich mich auf facebook, usw. einlassen würde. So hat kein Unternehmen die Möglichkeit meine Daten auszuforschen² und gegen mich zu verwenden …. was bleibt ist ein sehr schwaches Grundrauschen aus dem PC Bereich.
    Damit meine ich beispielweise das eine Postfach, das ich nicht nur auf dem PC sondern ebenfalls auf dem Mobiltelefon habe um (fern der Heimat & ohne den PC mitnehmen zu müssen) E-Mails lesen zu können.
    “Signal” ist auf meinem Mobiltelefon zwar vorhanden, aber meist deaktiviert, es sei denn im Gespräch mit Jemandem wird eine Sendung avisiert, dann schalte ich mal kurz ein. Meist sind es ‘Enkelbilder’, damit ich den Rat meiner Frau befolgen kann ‘mal meine Enkel vorzeigen zu können ….

    Was mache ich also mit dem Telefon?
    Notizen und Bilder als Gedächtnisstütze, Telefonate mit anderen Mobilbenutzern. ‘sms’ sind nicht so mein Ding, meine Finger sind zu dick für diese Mäusetastatur.
    Das war’s schon – ach nein, ich habe ein ‘Spielzeug’, einen Kompaß, aber ohne die Erlaubnis den Standort abzuschöpfen ;c)

    Über den PC schaue ich manchmal bei twitter rein wenn etwas ‘hockocht’ und ich gern wüßte was da passiert, aber das dauert nie sehr lange. Zuletzt war das als der Adlatus von Laschet im Fadenkreuz stand.
    ………………………………………………………………………………………………………………
    ¹ → https://www.re-actio.com/wordpress/?p=92505
    ² → https://www.re-actio.com/wordpress/?p=106911

  2. Hallo Steffi,
    endlich sehe und höre ich mal wieder was von dir – früher bist du auch ungern ans Handy gegangen 😉 – weiß gar nicht, ob deine alte Nummer noch stimmt..
    Nun lebe ich schon länger nicht mehr in G., so dass du mir auch nicht über den Weg laufen kannst. Wäre aber schön, wieder mal Kontakt zu haben 🙂
    Jetzt bist du am Zug – wenn du erneuten Kontakt möchtest, müsstest du mir per Mail antworten, dann können wir unsere Telefonnummern austauschen 😉
    Bis dahin fühl dich virtuell ganz fest gedrückt
    Elke

  3. Hallo Steffi (so wurdest Du von Elke angesprochen),

    herrlich, Dein Ausstieg und Erfahrungsbericht über den Ausstieg aus den (A)sozialen Medien. Ich war nie auf Facebook, Twitter und Co. Hab’s also auch nie vermisst. Ich finde es, gerade in der heutigen Zeit, erschreckend, wieviele Menschen sich ihre Informationen, völlig unkritisch, aus diesen Medien ziehen und auf meine Frage nach der Quelle ihrer unergründlichen Weisheit eben mit diesen Medien antworten. Tja, wir können es zwar nicht ändern, dass es so ist, aber wir können ja bei uns selbst anfangen. Es gibt unfassbar viele, die über die Datenstaubsauger Google, Bing etc. suchen. In völliger Unkenntnis über gute Alternativen, wie z. B. Startpage, die ich benutze. Ich habe noch die Dlf App für die Informationen, die ich benötige. Mach weiter so. Ich bin auf dein Blog über das NTV Forum gekommen.

    Schöne Grüße aus Hessen.

    Farid

  4. Was mich interessieren würde, hast du deine Accounts gelöscht oder lediglich die Apps vom Smartphone deinstalliert? Sprich ein kompletter Schnitt oder einer mit Hintertürchen?

    1. Hallo Simon,

      herzlich willkommen. Nein, ich habe tatsächlich die Accounts gelöscht und besitze seitdem weder Facebook noch Instagram, Twitter (oder jetzt “X”) war nie wirklich mein Ding und Snapchat (gibbet dat überhaupt noch?) sowie auch Tiktok sind vollkommen an mir vorbei gegangen. Einzig den Status in WhatsApp, den nutze ich gelegentlich – sowohl zum Angucken als auch schon mal kurze Gedanken, interessante Artikel oder Dokus an die paar Kontakte in meinem Telefonbuch loszuwerden.

      Youtube nutze ich hauptsächlich, um entweder die Dokus zu schauen, die bei den öffentlich-rechtlichen Sendern aufgrund des Rundfunkvertrages nicht mehr in den Mediatheken zu finden sind, dafür aber immerhin dort noch abrufbar sind. Oder um mir Videos von Fotografen anzuschauen.

      Ich mache keine halben Sachen. Entweder ganz. Oder gar nicht. Und im Falle Social Media: gar nicht. Seit mittlerweile sechs Jahren. Und ich vermisse das kein bißchen.

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