Und dann sind da diese Fehlschläge …

… die Dir volle Lotte ins Genick hauen. Und entweder bricht Dir die Wucht das Genick oder Du schüttelst sie ab. Um weiter zu machen. Oder, das wäre wohl der Idealfall, einfach daraus zu lernen. Fehlschläge als Lektion begreifen ist etwas, das weh tun kann. Käme eine Fee vorbei geschwebt und böte mir an, sie würde mir drei Wünsche erfüllen, dann nähme ich nur einen. Lernen ohne dabei immer so schmerzhaft auf die Fresse fallen zu müssen. Mehr bräuchte ich nicht. 

Ich hatte mir eine analoge Kamera ausgesucht für das Projekt „Mr. Wood auf Zelluloid“. Den passenden Film überlegt und bestellt. Dann den Film in die Kamera eingelegt. Mir unendlich viele Gedanken gemacht. Szenen aufgebaut und arrangiert. Gefühlt ewig damit verbracht nach dem richtigen Licht, dem richtigen Ausschnitt zu suchen. Überlegt welche Objektive sich für meine Ideen am besten eignen. Immer wieder durch den Sucher geblickt um den Bildausschnitt zu korrigieren. Bis ich endlich der Meinung war, jetzt wäre alles perfekt um das Bild auf Zelluloid zu bannen. Manchmal sogar an bestimmte Orte gefahren nur um das Bild aus meinem Kopf umsetzen zu können. Sechsunddreißig Geschichten mit Mr. Wood. Ich war stolz wie Bolle als mir der Zähler anzeigte daß ich den Film jetzt aus der Kamera nehmen könnte.

Fehlschläge, Mr. Wood, Zeichenpuppe

Und ich war verdammt gespannt auf das, was ich da wohl geschaffen hätte. Bis ich den Rückspulhebel drehte und aus der Kamera ein Geräusch ertönte, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Dieses Geräusch von reißendem Film.

Da war ich so stolz und aufgeregt auf meine erste analoge Fotoserie daß ich etwas elementar Wichtiges vergessen hatte. Einen kleinen, winzigen Knopf am Boden der Kamera. Der, wenn man ihn denn drückt, dafür sorgt daß man den Film zurück in die Patrone spulen kann.

Fehlschläge, Mr. Wood, Zeichenpuppe

Da stand ich nun, mit der Kamera in der Hand, und hätte vor lauter Frust und Wut am liebsten geheult, geschrien, die Kamera an die Wand geworfen und mich wie ein bockiges Blag auf den Boden werfen mögen. Wenn möglich, bitte alles gleichzeitig. Danke. Stattdessen habe ich fassungslos an meinem Schreibtisch gesessen.

Der Film war hin. All die Zeit, die Mühe, die Ideen und die Kreativität, die ich in das Projekt gesteckt hatte, lagen in Form von zerrissenem Zelluloid auf meinem Schreibtisch. Unbrauchbar. Weg. Durch meine eigene Dummheit. In diesem Moment habe ich das Projekt begraben. Den Film, oder besser, seine Überreste in die Mülltonne entsorgt und die Kamera zurück in die Vitrine gestellt. Um für drei Monate keine analoge Kamera mehr anzufassen. Ganz zu schweigen davon ein neues Projekt auf die Beine zu stellen.

Fehlschläge, Mr. Wood, Zeichenpuppe

Es war das zweite Projekt innerhalb weniger Wochen, das ich vor die Wand gefahren hatte. Ich hatte so ein schönes Jahresprojekt auf Film für dieses 2017 geplant und vorbereitet. Mit dem bin ich nicht mal einen Schritt weit gekommen bevor mich nicht nur die für Januar ausgewählte Kamera sondern gleich noch der Mut, einfach weiter zu machen, verlassen hat. Ja, ja. Ich weiß. Aufstehen und Krönchen richten und so.

Aber ich habe verdammt noch mal überhaupt kein Krönchen! Ich bin keine Prinzessin. Denn die liegen nicht mit dem Gesicht im Dreck, die lassen sich in der Sänfte über den Dreck tragen. Kann ich ja verstehen, macht man sich ja auch nur den Rocksaum und die Schuhe schmutzig wenn man selber durch stapft. Mich trägt keiner über den Dreck, ich lege mich gepflegt immer mitten rein. Einmal das Kinn so richtig schön durch den Schlamm ziehen. Ich sagte doch bereits, ich kann nicht auf dem einfachen Weg. Es muß immer irgendwie kompliziert oder sehr schmerzhaft sein.

Da hilft auch kein Trost, egal wie gut gemeint. Dieser zerrissene Film beinhaltete mit viel Herzblut gefüllte Stunden. Und es tut weh wenn man durch eigene Dummheit Herzblut-Projekte zerstört. Richtig weh. Mit Fehlschlägen umgehen ist halt nicht gerade meine Paradedisziplin. Ich nehme Niederlagen jeglicher Art sehr, sehr persönlich. Erst recht wenn ich nirgendwo einen Schuldigen außer meiner Wenigkeit an die Wand nageln kann.

Ich war traurig. Denn ich hatte mich auf die Ergebnisse gefreut und saß am Ende mit leeren Händen da. Schließlich war ich aufgebrochen um mit Sinn und Verstand und Plan einzigartige Bilder zu machen, die mir etwas bedeuten und alles, was ich am Ende vorzuweisen hatte war ein zerrissener Streifen Zelluloid. Heute frage ich mich, warum ich das Projekt nicht einfach wieder holt habe. Schließlich stehen in meinem schlauen Notizbuch noch all Ideen für Bilder mit Mr. Wood, ich hätte einfach einen neuen Film in die Kamera legen und weiter machen können.

Fehlschläge, Mr. Wood, Zeichenpuppe

Hätte ich. Habe ich nicht. Denn ich gehöre nicht zu den Leuten, die sich direkt wieder in den Sattel schwingen wenn sie vom Pferd geflogen sind. Ich muß erst mein verschrammtes Ego verarzten und immer wieder mit den Fingern in die blauen Flecke pieksen. Damit es so richtig schön schmerzt. Ich kann mir nämlich sehr ausdauernd selber leid tun. Blaue Flecke heilen ja viel schneller wenn man ständig mit den Patschpfoten dran herum tatscht. Und wenn ich damit fertig bin mir selber immer wieder ins Gedächtnis zu rufen daß ich schmerzvoll aus dem Sattel gesegelt bin muß ich den Gaul wieder einfangen. Der, wie ich mein Glück kenne, die Zeit genutzt hat um sich möglichst weit aus dem Staub zu machen. Verdammtes Mistvieh.

Früher oder später kriege ich den renitenten Vierbeiner erwischt. Und kann dann wieder aufsteigen. Ich brauchte einfach die Zeit um all den Ärger und Frust über mich selber los lassen zu können. Um überhaupt zu verstehen wo da die Lektion liegen soll. Nicht nur, was die Bedienung meiner Pentax Super A angeht. Sondern einfach anzuerkennen daß ich eben Fehler mache. Manchmal sehr, sehr dumme Fehler, so wie diesen hier. Und es bringt mir nichts, mich wahlweise in Grund und Boden zu schämen oder selber so fertig zu machen. Oder beides immer schön im Wechsel zu exerzieren. Das Einzige, was ich damit erreicht habe? Zu verhindern daß die blauen Flecken an meinem Ego verblassen.

Fehlschläge, Mr. Wood, Zeichenpuppe

All diese super schlauen Sprüche von wegen Scheitern gehöre zum Leben, man würde an Niederlagen wachsen und überhaupt Scheitern sei ein Glück. Bla bla bla. Drauf geschissen. Scheitern ist nur eines: so ziemlich scheiße. Mich zieht das runter, wegen peinlicher Fehler so viel zu verlieren. Es haut mir volle Kanne ins Selbstbewußtsein und die Wachstumsschmerzen, aus Fehlschlägen etwas zu lernen, muss ich nicht haben. Nun ist das Leben kein Ponyhof, auch wenn ich ständig vom Gaul falle. Scheitern kommt nicht gut und zugeben zu müssen, gescheitert zu sein? Da bleiben mir die Worte im Halse stecken. Dabei ist das doch gar kein Beinbruch.

Ich habe es versaut. Kann ich nicht ändern, ist so. Dann sattel ich eben mein Selbstvertrauen wenn die blauen Flecken verschwunden sind. Plane das Projekt noch mal. Wiederhole die Bilder und Geschichten, die sich wiederholen lassen. Füge neue Geschichten hinzu. Baue Szenen auf und fahre durch die Gegend um die Bilder aus meinem Kopf auf Film zu malen. Suche nach dem richtigen Licht und dem perfekten Ausschnitt. Ich weiß ja jetzt, wie das geht.

Und lese vorher die verdammte Gebrauchsanweisung für die Kamera.

Fehlschläge, Mr. Wood, Zeichenpuppe

2 Gedanken zu „Und dann sind da diese Fehlschläge …“

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