Das neue Wohnzimmer

Unser Wohnzimmer wird zum “Babyblauen Salon”.

Nein, die Renovierung des Wohnzimmers fand nicht statt weil unser diesjähriger Urlaub im Land der Bollenhüte dank Corona ins Wasser gefallen ist. Die Renovierung des Wohnzimmers haben wir schon Anfang 2019 gewuppt, allerdings dümpelte der dazu gehörige Text seitdem im Ordner mit den Entwürfen. Und fiel mir in die Finger als ich eigentlich darüber berichten wollte, daß wir tatsächlich unseren Flur renoviert haben, wie all die braven Lemminge, die in Zeiten des Lockdowns die Baumärkte stürmten um Haus und Hof vorzeigbar zu gestalten. Doch eines nach dem anderen, jetzt geht es erst einmal um Mupfelheims Wohnzimmer und seiner Wandlung zum “babyblauen Salon”.

Falls ich das noch nicht erwähnt haben sollte, ich liebe unsere Wohnung, von uns Mupfelheim getauft. Ich liebe die hohen Decken, die großen Fenster, die miteinander verbundenen Räume und die buckligen Ecken und Kanten, die sie nun einmal hat. Diese Wohnung hat nicht einen rechten Winkel mehr und an manchen Wänden braucht man die Regale nicht zu befestigen, man kann sie getrost anlehnen. Ein typischer Altbau im Bergbau-Gebiet eben.

Das Wohnzimmer noch in rot-braun

Können Wände Cellulite kriegen?

Ich habe auch unser Wohnzimmer geliebt, vor allen Dingen das Rot der Tapete. Was ich hingegen überhaupt nicht mehr sehen mochte, war die Tapete an sich. Denn so eine Altbauwand, in der seit mehr als hundert Jahren jeder neue Bewohner irgendwelche Löcher zu gespachtelt hat, erinnert in ihrer Oberflächenbeschaffenheit stark an mit Cellulite geplagte Oberschenkel. Da diese Tapete eine wirklich schöne Farbe bei null Oberflächenstruktur hatte, sah man denn auch jede einzelne Delle in der Wand. Wirklich jede einzelne Delle. Was mich erst nur ein bißchen gestört hat. Bis sich dieses Gefühl schlußendlich zu dezenter Abneigung ausgewachsen hatte.

Abgesehen davon mag ich Renovieren. Ich gehe gerne durch Baumärkte und gucke, was es da so gibt und wie das wohl bei mir zu Hause wirken könnte, ich spiele gerne mit Farbkarten und stelle mir vor, wie Tapete und Farbe meinen Wohnraum verändern könnten. Nach acht Jahren war das Wohnzimmer fällig für eine Veränderung. Da zu dem Zeitpunkt, an dem ich den Beschluß gefasst habe “Wir renovieren!” gerade Weihnachten vor der Türe stand, haben wir das Nützliche mit dem Praktischen verbunden und uns Geld bzw. Gutscheine schenken lassen. Und Januar 2019 war es dann soweit, es gab ein neues Gewand für meinen liebsten Raum.

Immer erst alleine in den Baumarkt!

Das ist ein Trick, den ich von meinem Vater übernommen habe. Der geht immer erst alleine los und guckt sich an, was ihm gefallen könnte – egal ob Farben, Tapete, Kloschüssel oder Küchenmöbel. Dann trifft er eine Auswahl, aus der wiederum seine Frau eine Wahl treffen darf. Die Frau darf mit reden und der Mann verhindert, daß das Ergebnis komplett an seinem Geschmack vorbei läuft.

Ich finde, das ist ein wirklich geniales System, um zwei vollkommen unterschiedliche Geschmäcker unter einen Hut zu bekommen. Und weil Cookie dieses Ding mit Farben hat und ich diejenige bin, die väterlicherseits den, meist sehr teuren, Geschmack geerbt hat, mache ich das genauso. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, die ungeliebte rote Tapete mit einer Steinmauer zu ersetzen. Da meine Vermieterin es mit Sicherheit nicht lustig gefunden hätte wenn wir einfach den Putz von der Wand gekloppt hätten um die Backsteine dahinter frei zu legen, dachte ich an Tapete mit Steinmuster. Das würde hervorragend all die Buckel und Dellen der Wand kaschieren.

Und so brachte ich davon etliche Muster aus dem Baumarkt mit um sie im Wohnzimmer an die Wand zu kleben. Da hingen sie dann ein paar Tage … Neben einem Muster ohne Steine drauf. Und, was soll ich sagen? Das war natürlich exakt die Tapete, die Cookie auswählte. Hmpf. Der fand meine Idee mit der Steinmauer hinter dem Sofa nicht so dolle … Nach langer Diskussion scheiterte also mein Plan an einem Stück Papier, das ich aus mir unerfindlichen Gründen neben meine Steinmauern gepappt habe.

Es macht nicht, was es soll!

Kleb Vliestapete, haben sie gesagt. Die kann man einfach wieder von der Wand ablösen, haben sie gesagt. Die zieht man in der ganzen Bahn runter, haben sie gesagt. Alles ganz unkompliziert, haben sie gesagt. Was sie nicht gesagt haben: glaub nicht alles, was die Werbung verspricht …

Von wegen, einfach in einer Bahn wieder von der Wand lösen. Geschissen. Cookie und ich haben den ganzen Tag an der einen Wand herum geknibbelt um die Vliestapete wieder runter zu bekommen. Von wegen ganz einfach. Irgendwann nachmittags war es dann soweit, die Wand war nackig und bereit für die neue Tapete. Das war zwar nicht das, was ich mir ursprünglich in den Kopf gesetzt hatte, sah dennoch nicht schlecht aus. Zeit, die Farbe an die restlichen Wände zu bringen.

Hat er etwa die falsche Farbe gekauft?!

Mittlerweile war es draußen dunkel und weil wir kein Deckenlicht im Wohnzimmer haben, aus Gründen, stellte Cookie den Baustrahler auf. Mit dem man vermutlich eine Landebahn von vorne bis hinten ausleuchten kann. Ich rührte die Farbe um, die ich nach langem Hin und Her und Abgleich mit dem Tapetenmuster sowie der Couch nach Farbkarte ausgesucht hatte. Und begann freudig, mein dezentes Grau an die Wand zu pinseln. Nach zehn Minuten guckte ich irritiert Cookie an, Cookie guckte mich an. Die Farbe an der Wand war kein Grau. Die Farbe an meiner Wohnzimmerwand war … Babyblau?

Cookie fragte mich mit einem leicht panischen Unterton in der Stimme, ob er etwa die falsche Farbe hätte anmischen lassen. Ich verglich die Nummern von Farbkarte und Eimer. Nein, das war die richtige Farbe. Auf der kleinen Karte sah es auch immer noch dezent grau aus. So lange bis ich die Karte neben die bereits gestrichene Wandfläche hielt und PLÖPP, wurde aus dem hellen, zarten Grau im Schein des Baustrahlers eben dieses Babyblau.

Was nun? Morgen war Sonntag, also keine Möglichkeit an eine andere Farbe zu kommen, die tatsächlich dezente, leicht graue Wände zaubern würde. Nun, dann ist das eben so, die Farbe kommt jetzt an die Wand und basta. Wenn das beschissen aussieht, dann können wir Montag immer noch eine andere Farbe drüber pinseln. Irgendwann will man ja auch mal fertig werden. Also pinselten und rollerten wir die restlichen drei Wände im Scheine des Baustrahlers in kräftigem Babyblau.

Es sollte sich am Ende heraus stellen, daß die Farbe nur in extremen Kunstlicht knallig Babyblau wirkt. Bei Tageslicht ist es ein ganz zartes Blaugrau und ich liebe es.

Kleinigkeiten machen das Zimmer rund.

Nicht nur die Wände bekamen ein neues Kleid, auch unser Sofa hat kurzerhand ein neues Gewand bekommen. Der alte Bezug war zwar waschbar, trotzdem hatte er Flecken, die selbst die Reinigung nicht mehr heraus bekam. Wachs und Schokolade, bevor hier noch wer auf komische Ideen kommt. Das muss man dem Möbelschweden ja lassen, statt gleich das ganze Sofa entsorgen zu müssen kann man dem guten Stück einfach ein neues Kleidchen kaufen. Passend zur Tapete wurde es grau bezogen. Und rückte von der Mitte der Wand Richtung Fenster.

Ein Fest war es mir dann, den alten Teppich zu entsorgen. Das geerbte Stück war nämlich mittlerweile ziemlich fleckig, abgelatscht und paßte natürlich farblich nicht mehr. Schade aber auch. Und statt nur einen neuen Teppich zu kaufen kam ich mit farblich passenden Kissen, Decken, einem Schaffell, zwei Vitrinentüren plus Füße, einem neuen Sessel sowie dem dazu passendem Hocker wieder zurück. Das kommt davon, wenn man mit einem Kombi zum blaugelben Möbelhaus fährt … Da geht ja ordentlich was rein, in so einen Kombikofferraum.

Mit neuem Teppich, Kissen und Decken wirkt das doch gleich alles noch mal gemütlicher. Die kleinen Regale, die vorher ihr Dasein in einer ungenutzten Ecke als Stauraumlösung fristen mussten, bekamen Füße und Vitrinentüren um neben dem Sofa unsere Bluray-Sammlung aufzunehmen. Das alte Regalbrett, was vorher über der Couch hing, erhielt einen Platz neben der Couch als Ablage für Teetassen, Bücher und Fernbedienungen. Was man eben so neben sich ablegt wenn man einen verregneten Sonntag auf dem Sofa vergammelt. Die CD-Sammlung tauschte ihren Platz mit dem kleinen Schrank, über den ich kurzerhand ein Wandregal für Nippes hing. Auf dessen Bretter man besser keine Wasserwaage legen sollte – es sieht nur gerade aus weil Cookie es am schiefen Kamin ausgerichtet hat …

Irgendwas schiebt man immer auf.

Das kennt vermutlich jeder, der in seinem Leben renoviert hat. Meistens sind es die Lampen, die man “irgendwann wenn man mal Zeit hat” erneuern will. Oder sonstige Kleinigkeiten. In meinem Fall waren es die Bilder. Anderthalb Jahre lang gab es keine Bilder an der Wand, die Rahmen schlummerten irgendwo auf ihren erneuten Einsatz. Fand ich gar nicht mal so schlecht, diese leeren Wände. Cookie hingegen sah das anders und als wir den Flur angingen, in dem ich dann endlich zu meinem Mauerwerk kam (doch das ist eine andere Geschichte), war es an der Zeit, das Wohnzimmer wieder mit Bildern zu versehen.

Nun hatte ich noch die alten schwarzen Bilderleisten … Ich kann halt schwer was weg werfen, was man “noch mal gebrauchen könnte”. Und dann kam ich auf die Schnapsidee, die Bilderrahmen und -leisten in der gleichen Farbe zu gestalten wie die gestrichenen Wände. Sprich, in babyblau. Und weil ich ja nix weg werfen kann und zudem zu geizig war, mir Bilderrahmen in der Farbe anfertigen zu lassen, habe ich ganze Nachmittage damit verbracht, alte Rahmen zu schleifen und zu lackieren. Denn die von uns benutzte Wandfarbe kann man sich auch als Lack mischen lassen.

Nachdem ich die Rahmen sowie die Bilderleiste lackiert hatte, fehlten mir noch die passenden Bilder. Wenn man ein so großes Archiv mit Fotos hat kann man schon mal den ein oder anderen Abend damit verbringen, nach passenden Bildern zu suchen … Am Ende habe ich gut achtzig Bilder in den verschiedensten Formaten auf Papier bestellt … Sowie meinen Neffen genötigt mir für den großen Rahmen, den ich nur gekauft hatte weil die Form so gut paßte ohne ein Bild dafür zu haben, eines zu malen. Kinderkunst gehört an die Wände! Außerdem hat die Tante ja die Buntstifte, die man mit Wasser vermalen kann und das ist echt mega …!

Sagen wir mal so, bis ich wirklich zusammen gepuzzelt hatte, was in welchem Rahmen wo hängen soll, ist eine Menge Wasser den Rhein hinunter geflossen. Und weil die Wände hier schief und krumm und buckelig sind, hängen die Bilder auch irgendwie immer schief. Aber, wie sagt man so schön? Schief ist englisch und englisch ist modern. Das bleibt jetzt so. Wenn man im richtigen Winkel drauf schaut, dann sieht man nicht mehr wie krumm die an der Wand hängen. Oder daß der ein oder andere Rahmen an sich schon schief ist.

Am Ende wird alles gut.

Ich mag unseren babyblauen Salon. Mal gucken wie lange ich nörgeln muss bis Cookie zustimmt, daß das Arbeitszimmer doch auch mal einen neuen Anstrich vertragen könnte … Der Arme ist am Ende ja meist der Leidtragende meiner komischen Ideen, die für ihn seltsamerweise immer in Arbeit ausarten.

Aber das Ergebnis rechtfertigt all seine Arbeit. Finde ich. Und da ich mit Cookie schließlich darin wohne, zählt nur das am Ende all der Plackerei. Es muss uns gefallen … Sonst niemandem.

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