Wenn ich doch nur so viel essen könnte …

… wie ich aktuell kotzen möchte.

Es folgt ein Rant darüber, wie zermürbend dieser sogenannte Rechtsruck des Landes ist, in dem ich geboren und aufgewachsen bin. Ich habe lange überlegt, ob ich diesen Text tatsächlich öffentlich stellen soll. Nicht, weil ich Angst davor habe, anzuecken oder Leser zu vergraulen. Ich bin groß genug, meine Meinung zu finden, zu überdenken und zu ihr zu stehen.

Nein, der Grund für meine Überlegungen ist, daß ich nicht komplett unter einem Nicknamen auf einer anonymen Plattform agiere, sondern auf meinem eigenen Blog mit Impressum. Was mich im realen Leben auffindbar macht. Die Tatsache, daß ich genau darüber nachdenke bevor ich einen Text online stelle, der sich um braunes Gedankengut und die Entwicklungen in Deutschland dreht? Erschreckend. Was passiert bitte in diesem Land?

Das Ergebnis einer Recherche.

Da veröffentlicht Correctiv das Ergebnis ihrer Recherche unter dem Titel „Geheimplan gegen Deutschland“ und die deutsche Medienlandschaft macht einen auf Louis de Funès: Nein!? – Doch!! – Ohh!!!

Wir sind auf dem rechten Auge immer noch blind. Mich hat es wenig überrascht, was Correctiv (die ich Euch übrigens ans Herz lege, die machen tolle Arbeit) da zu Tage gefördert hat. Im Gegenteil. Seit ich 2015 über die Schmuddelkinder im Bundestag geschrieben habe, beschäftige ich mich immer mal wieder mit dem, was die AfD so im Bundestag (und woanders) treibt. Man kann das sehr einfach nachlesen oder auch anschauen, die Debatten im Bundestag sind öffentlich und werden dokumentiert. Und bisher habe ich nichts finden können, was meiner Auffassung nach den Anschein von Parlamentsarbeit hat. Anträge und Anfragen der AfD zielen nur darauf ab, mit den Themen, die sie kapern, die parlamentarische Arbeit zu behindern. Das tun sie nicht nur im Bundestag, sondern überall, wo sie sitzen. Vom Bund bis hin zur kleinen Gemeinde. Und sei es nur, um einem kleinen Verein, der sich für soziokulturelle Arbeit und Jugendliche einsetzt, die öffentlichen Mittel zu streichen weil er zu „links“ sei und dessen Positionen der AfD nicht genehm sind.

Welchen Stellenwert hat es denn, vier Anträge für ein Verbot des Genderns zu stellen, wenn in diesem Land Kinderarmut zunimmt? Zu dem Thema hört man irgendwie keine Lösung aus der AfD. Aber Hauptsache, mal laut gebellt sowie Ressourcen gebunden, die besser dazu genutzt werden sollten, die echten Probleme dieses Landes zu lösen. Wie zum Beispiel Kinderarmut. Probleme haben wir genug, inklusive eines heftigen Rechtsrucks.

„Wenn in der AfD nicht so viele Rechte wären …

… dann könnte man die wählen.“ Mittlerweile höre ich das immer wieder. Liebe Leute, wenn da nicht so viele Rechte drin säßen, dann wäre das eine unbedeutende Zwergpartei. Die „Junge Alternative“ wird in zehn Bundesländern vom Verfassungsschutz beobachtet und gilt in vier davon mittlerweile als „gesichert rechtsextrem“. Der Landesverfassungsschutz hat die AfD in drei Bundesländern als „gesichert rechtsextreme Bestrebung“ eingestuft. Der oberste Verfassungsschützer, Herr Haldenwang, redet sich seit Monaten den Bart fusselig mit der Warnung, daß die AfD eine Gefahr für unsere Demokratie darstellt.

Und wir so? „Ja, ja, red du mal, ist doch eh alles nur Panikmache.“ Erinnert mich stark an den armen Herrn Wieler vom RKI, der uns ein ums andere Mal seine, im Nachgang richtigen, Prognosen in der Corona-Pandemie um die Ohren gedroschen hat und den wir trotzdem ignoriert haben. Mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen. Ich bin da sehr simpel gestrickt: wenn mir ein Fachmann erzählt, daß etwas gefährlich ist, dann nehme ich den ernst. Egal ob es sich dabei um eine Pandemie handelt oder die Gefährdung der Demokratie.

Es wundert mich nicht, daß hochrangige AfD Funktionäre auf dieser „Konferenz“ zu finden waren. Die AfD ist hochgradig vernetzt mit der Identitären Bewegung, rechten Think Tanks, Reichsbürgern, der Neuen Rechten, diversen Combat-Gruppen und was sich da noch so alles tummelt. Die menschenverachtenden Ansichten, die in der Bundestagsfraktion dieser Partei vorherrschen, die kann man sich in dem Podcast „Die Jagd – die geheimen Chats der AfD Fraktion“ zu Gemüte führen. Nach dem Anhören brauchste kein Brechmittel mehr.

Ich möchte gar nicht wissen, was da alles so in sozialen Netzwerken an Hass, Hetze und Häme kursiert. Und bin zum Teil sehr froh darüber, mich nicht ständig mit dieser Menschenverachtung und Falschinformation konfrontiert zu sehen. Mich überfordert schon, was mich in diesem Leben 1.0 oder über klassische Medien erreicht.

Ich hab ja nix gegen Ausländer, aber …

In der Schule habe ich mal gelernt, daß man mit „aber“ eine Einschränkung oder einen Gegensatz ausdrückt. Auf gut deutsch: man verneint das, was vor dem „aber“ steht. Vereinfacht gesagt. Und meist folgt nach dem „aber“ eine ganze Latte an Dingen, die dem Sprecher nicht ins beschränkte Weltbild passen. Die böse Vermutung? Derjenige, der seinen Satz mit einem aber entkräftet, weiß sehr genau, daß seine Ausführungen eben doch das sind, was er zu verneinen versucht. Und deswegen stellt man vor all den Einwänden kurz klar, daß man nicht gegen Ausländer ist. Oder LGBTQ. Oder Migranten. Oder Gastarbeiter. Oder was und wer auch immer der Gegenstand des Gesprächs ist.

Mein Lieblingssatz „Ich hab ja nix gegen Zuwanderung, aber die müssen sich dann hier auch integrieren“, gefolgt von einem Sermon, was man von den Zugewanderten alles so erwartet im Zuge dieser Integration. Wo genau haben wir eigentlich versagt, daß wir nicht mal mehr in der Lage sind, den Unterschied zwischen „Integration“ und „Assimilation“ zu erkennen?

Einfache Erklärung. Stell Dir vor, Du sitzt an einem großen Tisch mit einem Beutel roter Bauklötze und möchtest damit ein Haus bauen. Dann kommen zwei andere Menschen, setzen sich zu Dir und haben ebenfalls Bauklötze. Sagen wir in grün und lila. Integration bedeutet nichts anderes, als daß alle Bauklötze, egal welcher Farbe, auf den Tisch geworfen werden, man sich die schönsten aussucht und zusammen ein buntes Haus baut. Assimilation hingegen bedeutet das Gegenteil: Du zwingst die anderen dazu, nur die roten Klötze zu verwenden. Weil Du die roten Steinchen für die einzig Wahren hältst, die den andersfarbigen überlegen sind.

Und ehrlich, dann brauchen wir uns nicht wundern, wenn die anderen keinen Bock haben, mit uns zu spielen sondern lieber unter sich bleiben. Mit allem, was daraus an Konsequenzen erwächst. Probleme wie Clankriminalität sind, zu einem großen Teil, hausgemacht und das Produkt jahrelangen staatlichen sowie gesellschaftlichen Versagens. Hören wollen wir das natürlich nicht, daß wir als Gesellschaft ebenso versagt haben. Ist ja auch viel bequemer, die eingewanderten anderen dafür verantwortlich zu machen, die sich nicht assimilieren lassen wollen. Oder den bösen, bösen Staat. Der eignet sich schließlich hervorragend als Sündenbock. Blöd nur, daß dieser ominöse Staat auch aus Dir und mir besteht …

Integration bedeutet, zusammen etwas Neues aus dem zu erschaffen, was alle mit an den Tisch bringen. Das verläuft nicht ohne Reibung und Auseinandersetzung, Veränderung und Erneuerung. Dafür sind Kompromisse notwendig und die Bereitschaft, anderen Menschen aus anderen Kulturen die Möglichkeit zu geben, dieses Land mitzugestalten. Und zwar nicht nur als billige Arbeiter, die man in die Jobs drängt, auf die wir keinen Bock haben … Fleischindustrie, anyone?

Auf dem rechten Auge blind: Die Mär vom Einzeltäter.

Ehrlich, ich kann das nicht mehr hören. Jedes verdammte Mal, wenn wieder etwas passiert. Sei es Halle, sei es Hanau oder die Ermordung Lübckes. Jedes Mal kommt dieses Märchen vom „Einzeltäter“. Fuck nein, das sind keine einsamen Irren, die unversehens irgendwo aus ihren Löchern gekrochen kommen. Das sind radikalisierte Menschen, die in rechtsextremen Kreisen unterwegs waren, ein rechtsextremes Weltbild ihr Eigen nannten und dort im Anschluß für ihre Taten gefeiert werden. Nur weil sie alleine unterwegs waren, macht das aus ihnen keine Einzeltäter.

Kein Mensch kommt aus heiterem Himmel auf die Idee, plötzlich auf die Straße zu gehen und Menschen zu ermorden nur weil die einen anderen Glauben haben. Wie viele Schläge ins Gesicht dieser Gesellschaft und wie viele Tote braucht es eigentlich noch, bis wir endlich kapieren, daß wir es hier mit Netzwerken zu tun haben? Die sich tief in unsere Gesellschaft gefressen haben. Sei es in der Nachbarschaft, im Sportverein, in Schulen, Organisationen wie der freiwilligen Feuerwehr und sogar hinein bis in unsere Polizei und Bundeswehr?

Hauptsache, wir sind dagegen.

Mit dieser Einstellung macht die AfD Politik. Wenn es nicht so traurig wäre, dann könnte man darüber lachen. Diese Partei und ihre Netzwerke kapern dafür jeden Protest und nutzen jede Möglichkeit, um gegen die Regierung zu hetzen. Und es schert sie dabei wenig, ob sie kurz vorher noch eine gegenteilige Position in ihr Wahlprogramm gekritzelt oder während einer Bundestagsdebatte um Corona die aktuelle Regierung aufforderten, doch endlich Maßnahmen zu ergreifen. Man erinnere sich? Alice Weidel, die vehement den Lockdown forderte, den sie später verteufelte? Mehr Ironie geht schon gar nicht.

Die AfD bietet im Gegenzug keine Lösungen an außer „Remigration“ und „Ethnopluralismus“. Was im Übrigen nix anderes bedeutet als „Ausländer raus“ und „Deutschland den Deutschen“. Mal so am Rande für diejenigen, die es nicht so mit Fremdworten haben. Klingt doch viel netter und gebildeter, nicht mehr so nach Glatze mit Springerstiefeln und Baseballschläger.

Die Partei, die sich laut ihrem eigenen Wahlprogramm vehement gegen Subventionen ausspricht, stellt sich nun auf die Seite der Bauern, die gegen die Streichung von staatlichen Subventionen protestieren? Nein, das ist bedauerlicheweise keine Realsatire, sondern nur ein Beispiel von vielen, das einem schon bei oberflächlicher Betrachtung vor Augen führt, warum die Alternative für Deutschland alles andere ist als eine Alternative für dieses Land. Sie taugt höchstens zur Alternative für Deppen. Erschreckend, wie viele sich im Land der Denker und Dichter so tummeln.

Wer das Wahlprogramm der AfD gelesen hat, der sieht ganz klar, daß das keine Partei ist, die für den sogenannten „kleinen Mann“ eintritt. So inszeniert sich die Partei wohl gerne. Es ist schließlich der kleine Mann, der irgendwie doof genug ist, sein Kreuzchen auf dem Wahlzettel bei der AfD zu machen. Weil er glaubt, was die da faseln. Weil er glaubt, die würden sich tatsächlich für ihn einsetzen. Oh Boy, der kleine Mann wird sich sehr ernüchtert umschauen, wenn die AfD es hier auf höchster Ebene in Regierungsverantwortung schaffen sollte. Dann ist Schluß damit, dem kleinen Mann Honig um den Bart zu schmieren. Sondern dann ist für den kleinen Mann die Zeit angebrochen, in der er die Zeche für diejenigen zu bezahlen hat, die ohnehin schon Geld und Macht haben. Blick ins Wahlprogramm reicht, müsste der kleine Mann nur mal lesen … Am besten vor dem Kreuzchen setzen.

Die Braunblauen an der Macht?

Was ich 2015 noch für absolut abwegig gehalten habe, wird immer mehr zur handfesten Drohung am Horizont, die mir wirklich Angst macht. Ich hätte nie geglaubt, daß ich mal einen ernsthaften Gedanken daran verschwenden würde, in welches Land ich gehen kann, wenn hier wieder der Faschismus das Heft in die Hand nehmen sollte. Man kann sich heute schon angucken, wie die Rechten mit politisch Andersdenkenden umgehen. Es bleibt nicht bei harmlos anmutender Verhöhnung in sozialen Medien und dubiosen Online-Portalen. Nein, es artet in handfeste Einschüchterung aus. Bis hinunter in die kommunale Ebene.

Das hat System. Und es ist gewollt. Wenn der linke Bürgermeister irgendwann aufgibt, weil ihm Leib und Leben seiner Familie wichtiger sind als sein Amt, macht das den Weg frei für den freundlichen Nazi aus der Nachbarschaft. Wir lassen die Aushöhlung unserer Demokratie zu, wenn wir da stillschweigend zusehen. Demokratie bedeutet durchaus, sich zu streiten und unterschiedlicher Meinung zu sein. Demokratie hat nichts mit Bedrohung und Einschüchterung desjenigen, dessen Meinung oder politische Arbeit mir nicht paßt, zu tun. Im Gegenteil, das nennt man Diktatur. Haben wir in diesem Land im letzten Jahrhundert ausprobiert, war jetzt nicht so das, was man unter Erfolgsmodell versteht.

Reden wir mal darüber, daß der Plan, den diese Menschen auf ihrer Konferenz besprochen haben, tatsächlich umsetzbar wäre. Wer entscheidet dann, wer hier bleiben darf und wer wieder in „seine Heimat“ zurück muß? Schaffen wir dafür ein Gesetz? Hey, da gab es schon mal was, nannte sich damals „Nürnberger Rassengesetze“. Ich bin mir sehr sicher, Länder wie Italien und die Türkei freuen sich ungemein, wenn wir denen sagen „Übrigens, hier sind Millionen Menschen, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, nimm die mal zurück! Ja, wie, die sprechen kein Italienisch / Türkisch? Ist doch nicht unser Problem, es sind keine Biodeutschen, also müssen die im Namen des Ethnopluralismus weg.“ Frau Melonie und Herr Erdogan werden da mit Sicherheit mit spielen. Nicht.

Und der bekloppte Plan, in Afrika Land zu pachten um dort Geflüchtete, inklusive Biodeutscher, die sich zum Beispiel für Geflüchtete einsetzen oder eventuell anderer politischer Meinung sind, unterzubringen … Hatten wir ebenfalls schon mal, das nannte sich Konzentrationslager. Deren Überreste findet man über halb Europa verstreut. Vielleicht mal eines besuchen? So zur politischen Bildung? Es sollte doch jedem Menschen mit drei funktionierenden Gehirnzellen klar sein, wie schwachsinnig diese Pläne sind.

Da deckt ein Rechercheteam auf, daß im Jahr 2024 in Deutschland, dem Land, von dem der Holocaust ausging, sich ernsthaft eine Gruppe von Menschen zur Diskussionsrunde trifft, um über Massendeportation und Einrichtung eines Konzentrationslagers in Afrika zu reden. Und es gibt immer noch Menschen, die das für harmlos halten? Das ist alles andere, aber mit Sicherheit nicht harmlos. Das ist das, wofür die AfD und ihre Verbündeten auf der rechten Seite kämpfen. Das ist die Vorstellung von dem Deutschland, das sie erschaffen wollen. Wir können uns später nicht hinstellen und behaupten „Huch, davon haben wir aber gar nichts gewußt, wie konnte das denn passieren?“

Holzauge, sei wachsam.

Ich habe hier viele Dokumentationen und Artikel verlinkt, die teilweise schon vor Jahren veröffentlicht wurden, und sich mit Rechtsextremismus und der AfD beschäftigen. Man kann sehen, wohin wir steuern. Auch ohne beständige Warnungen des Verfassungsschutzes. Ich lese und schaue nicht nur Dokumentationen der bösen Lügenpresse (noch so ein Nazi-Begriff, bei dem ich steil gehen könnte …), ab und an lese ich auf dem ein oder anderen Portal (die Links führen zu Wikipedia, ich möchte diese hier nicht direkt verlinken) der Gegenseite. Meist, wenn wieder irgendwo etwas Schlimmes passiert ist …

Eine Gruppe von 120 Mitgliedern wurde aufgedeckt und 25 Menschen dieser Gruppierung wurden verhaftet, weil sie einen Umsturz planten? Nicht nur so als Witz, sondern außerordentlich detailiert? Unter den Verschwörern nicht nur ein paar spinnerte Reichsbürger, sondern ein ehemaliges Bundestagsmitglied der AfD-Fraktion? Mir persönlich jagt die Zusammensetzung des Verschwörerkreises und die Detailtiefe der Pläne, wie sie in der Berichterstattung zu lesen war, eine gehörige Gänsehaut den Rücken hinuter.

Auf der anderen Seite reagiert man dann eher … so: Ach, das ist doch eine aufgebauschte Inszenierung der linksgrün-versifften Regierung, was hätte diese harmlose Rentnertruppe von Spinnern denn schon machen können. Also wirklich, man kann sich auch anstellen.

So wird im Übrigen jedes Mal verfahren. Ob das ein Anschlag auf eine Synagoge ist, eine Terrorattacke in Hanau, der Mord an einem Regierungspräsidenten, ein Anschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft … Alles wird auf diesen rechten Portalen ins Lächerliche gezogen und als gehypte Inszenierung der staatlich gelenkten Systemmedien dargestellt.

Welch normal denkendem Mensch bei solchen Artikeln noch nicht der Brechreiz erreicht hat, dem kann man nur empfehlen, sich in die Kommentarspalten zu begeben. Wo Menschen, teilweise unter Klarnamen, Dinge von sich geben, die an Menschenfeindlichkeit und Dummheit nicht mehr zu überbieten sind. Schlimmer noch, wenn mir diese Ansichten nicht nur an den Orten, an denen ich sie erwartet habe, begegnen. Man liest so einen Einblick ja nicht mit der Erwartung, linkspolitische Ansichten zu finden.

Sondern sie begegnen mir auch im realen Leben. Wenn Menschen in meinem Dunstkreis plötzlich die Rhetorik der AfD übernehmen und Ansichten in die Welt posaunen, von denen ich das so nicht erwartet hätte.

Wie geht man damit um?

Keine Ahnung. Ich weiß es einfach nicht. Was ist die angemessene Reaktion darauf, wenn mir jemand Polemik, falsche Fakten, braune Rhetorik und nicht haltbare Argumente um die Ohren haut? Meist fehlen mir in bestimmten Bereichen die entsprechenden Informationen, um tatsächlich fundiert dagegen halten zu können.

Wenn ich keine Ahnung habe von Flugzeugbau, dann kannst Du mir erzählen, daß ein Flugzeug mit drei Flügeln fliegt und alles, was ich entgegnen könnte, wäre ein „Öhm, das kann ich mir nicht vorstellen.“ Mit Fakten entkräften könnte ich Deine These ad hoc nicht. Zumal es dem Posaunenden in den seltensten Fällen um eine wirkliche Diskussion geht. Nein, diesen Menschen geht es nur darum, ihre Meinung an den Mann zu bringen. Welche Hetze und/oder Falschinformation sie halt so für ihre Meinung halten. Da interessiert es nicht, was ich tatsächlich denke. Und schon mal gar nicht, wenn meine Meinung diametral zu ihrer steht oder ich mit Fakten aufwarten kann, die nicht ins Bild passen.

Und zum anderen bin ich es manchmal so müde, all diesen Bullshit hören und lesen zu müssen. Ich möchte mich dann einfach nur umdrehen, weg gehen und glauben, daß es sich um extreme Einzelfälle handelt. Leider sind es keine Einzelfälle, dieses rechtsblaue Denken breitet sich wie die Pest immer weiter in unserer Gesellschaft aus und die Linie dessen, was man vor ein paar Jahren noch nicht zu sagen wagte, verschiebt sich immer weiter nach rechts. Wenn schon im Bundestag, dem Herz unserer Demokratie, von alimentierten Messermännern geschwafelt wird und man den Nationalsozialismus einen Vogelschiss nennt …

Die AfD ist keine bürgerliche Partei (mehr), wie sie das reflexartig behauptet. Sie ist eine Ansammlung zutiefst rechts gesonnener Menschen, die Andersdenkende verachten, verhöhnen, angreifen und die Meinungsfreiheit nur gelten lassen, so lange sie ihre Meinung in die Welt brüllen darf. Kritik daran oder gar anderslautende Meinungen hingegen scheinen in diesem Weltbild nicht von der Meinungsfreiheit, wie sie uns das Grundgesetz garantiert, abgedeckt zu sein.

Ich möchte mich mit diesen demokratie- und menschenfeindlichen Ansichten nicht auseinandersetzen müssen. Das ist so unglaublich ermüdend und zermürbend, mit anzusehen, wie diese Gesellschaft immer weiter nach rechts driftet. Manche Tage habe ich das Gefühl, heute bereits in der linksextremen Ecke zu stehen obwohl sich meine politischen Ansichten nicht wirklich verändert haben. Anscheinend bin ich in den letzten Jahren zum Gutmenschen mutiert. Wobei es sich mir ja immer noch nicht erschlossen hat, warum die Tatsache, ein guter Mensch sein zu wollen, zu einer Beschimpfung geworden ist. Hat mir bisher leider niemand von denen erklären können, die diesen Begriff als Beleidigung anderen an den Kopf werfen. Sagt in sich genug aus, finde ich.

Schließlich bin ich gerne ein guter Mensch.

Ich glaube an unsere freiheitlich demokratische Grundordnung. Ich glaube an das Grundgesetz und ich bin sehr froh, in einem Land leben zu dürfen, in dem ich meine Meinung sagen kann ohne Repressalien befürchten zu müssen. Das mir ermöglicht, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. In dem ich als Frau arbeiten gehen und meinen eigenen Lebensunterhalt verdienen kann. In dem ich Auto und Motorrad fahren darf. In dem ich die gleichen Rechte und Pflichten habe wie Männer. In dem Recht und Gesetz auf dem Boden der Demokratie stehen und nicht auf dem gegründet sind, was jemand aus irgendwelchen heiligen Büchern interpretiert. In dem Vielfalt und Offenheit möglich sind. In dem friedlich diskutiert und gestritten wird.

Und ich möchte, daß das so bleibt. Die Vorstellung, was die AfD und ihre Gesinnungsgenoss:innen aus diesem Land zu machen gedenken? Wäre kein Ort, an dem ich freiwillig leben möchte. Ebenso weigere ich mich, daran zu glauben, daß die Mehrheit der Menschen in diesem Land mittlerweile braunblau denkt.

Vielleicht bin ich nur müde, weil ich so oft das Gefühl habe, die einzig Dumme zu sein, die nicht in braunblauen Bahnen denkt. Vielleicht sollten wir häufiger sagen „Nie wieder und nie wieder fängt heute und hier an. In dieser Diskussion, unter diesem Post, unter diesem Beitrag, unter diesem Video, unter diesem Artikel.“ Du, ich, der Nachbar, die Kollegin, der Freund, die Bekannte. Wir müssen den Mund aufmachen und uns gegenseitig den Rücken gegen die braune Flut stärken.

Herr Haldenwang hat es auf den Punkt gebracht, wir können uns Bequemlichkeit nicht mehr leisten. Es wird Zeit, daß wir „Nie wieder!“ mit Leben füllen.

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