Von Rennwagen und Rücken

Gibt so Tage, da wache ich morgens auf und der erste Gedanke, den mein gerade erwachtes Hirn zu fassen in der Lage ist lautet ungefähr so: „Welcher Volldepp war eigentlich der Meinung, daß der Kleiderschrank mit Spiegeltüre am Besten gegenüber dem Fenster stehen sollte durch das morgens der Sonnenaufgang knallt?!“ Ich weiß. Sehr komplexer Gedanke für ein gerade frisch erwachtes Hirn. Zumal der verantwortliche Volldepp gerade diese Zeilen tippt. War jetzt nicht so eine meiner innenarchitektonischen Glanzleistungen, denn egal wie herum ich im Bett liege immer scheint mir die Sonne ins Gesicht. Entweder vom Fenster oder vom Spiegel. Und nein, Mupfelheim hat keine fest verbauten Jalousien und wer denkt schon immer daran abends die Vorhänge vors Fenster zu zerren? Eben, keiner. Der zweite Gedanke, der am gestrigen Sonntag durch mein gerade erwachtes Hirn taumelte war übrigens folgender: „Verdammt, war ich gestern nicht noch Mitte dreißig?“

2015-04-20 Rennwagen und Rücken Kokerei AlmaDenn das, was sich dann aus dem Bett quälte war höchsten noch siebzig Jahre jung. Irgendwie hatte ich Heldin es geschafft, mir den Rücken zu verdrehen. Ich würde ja jetzt gerne irgendeine hippe Aktion anführen können, die dafür verantwortlich wäre. So spektakuläre Abenteuer wie zum Beispiel Wildkajakreiten, freihändiges Erklettern alter Kühltürme, Ziegenwettmelken oder ähnliches. Die Wahrheit ist allerdings weder spannend noch abenteuerlich, sondern mehr so typisch ich. Oder wieviele Leute kennt Ihr die sich beim Fotografieren den Rücken verrenken?

Genauer gefragt, wie viele Leute kennt Ihr die sich beim Sonnenuntergang fotografieren den Rücken verrenken? Ja, das ist mein Ernst. Ich schaffe es, mir beim Ablichten von hinterm Horizont verschwindenden Himmelskörpern den Rücken kaputt zu machen. Das ist alles nur die Schuld des Stativs. Irgendetwas muß ja Schuld sein. Das Stativ hatte ich dabei weil ich gerne analoge Bilder vom Tetraeder im Sonnenuntergang machen wollte. Ich finde ja, Tetraeder im Sonnenuntergang geht immer. Nicht nur, weil man das schön bequem von der Nachbarhalde erledigen kann, die praktisch mit dem Auto befahrbar ist. Kann man Stativ und diverse Knipskästen schön im Kofferraum transportieren statt damit bepackt die Halde hoch zu ächzen und nachher noch versehentlich zu spät zum Sonnenuntergang zu kommen.

2015-04-20 Rennwagen und Rücken 02Blöderweise haben so analoge Kameras kein Display zur Bildkontrolle. Man muß da schon durch den Sucher schauen. Wenn man das Stativ nun irgendwo in die abschüssige Botanik rammt dann muß man sich bücken um durch den Sucher schauen zu können. Das tut der Rückenmuskulatur schon mal nicht gut zumal mir dabei immer das T-Shirt hoch gerutscht ist und der Wind somit genug Gelegenheit hatte, mir schön die untere Rückenpartie zu kühlen. Als ich dann auf die clevere Idee kam, mit der Digitalkamera doch die schicke Pentax auf dem Stativ ablichten zu wollen, mußte ich nicht nur in der abschüssigen Botanik herum klettern sondern mich dabei auch noch irgendwie verrenken. Und dabei muß es wohl passiert sein. Ächz.

Aber hat sich gelohnt, zumindest digital. Trotz Rücken. Ich hoffe, die analogen Bilder sind ebenfalls was geworden. Das weiß man ja nie bis sie aus der Entwicklung kommen. Und ich muß den Film noch vollkriegen.

2015-04-20 Rennwagen und Rücken 05

Und weil auch der Sonntag schönstes Frühlingswetter im Gepäck hatte, das man zumindest für einen Spaziergang nutzen sollte, bin ich trotz Rücken mit der Kamera in der Tasche aufgebrochen. Nach Gelsenkirchen. Nun ist Gelsenkirchen nicht wirklich spannend, oder? Denn was fällt den meisten Menschen ein, wenn man sie nach Gelsenkirchen fragt? Richtig. Schalke, Veltins-Arena und vielleicht noch der Zoo. Dabei war in Gelsenkirchen mal nicht nur für Fußball und niedliche Tiere bekannt, sondern hatte auch eine eigene Rennstrecke. Das Motodrom.

Dort wurden früher Altwagenrennen ausgetragen. Bis ungefähr 1984, da wurde die Rennstrecke dann dicht gemacht. Weil man den Fahrern und Gästen die Altlasten auf der ehemaligen Brache der Kokerei Alma nicht zumuten konnte. Interessanterweise ist heute auf genau den Altlasten ein Naturschutzgebiet ausgewiesen. Wohl eher wahrscheinlich sind die Beschwerden der Anwohner, die keinen Bock mehr auf verstopfte Zufahrtsstraßen und den damit einher gehenden Lärm hatten.

2015-04-20 Rennwagen und Rücken Kokerei Alma MotodromNun. Heute ist es dort ruhig. Wo vor über dreißig Jahren Rennwagen im Oval flitzten und man sich erbitterte Rennen lieferte während die Zuschauer jubelten stehen heute Bäume. Und davon eine ganze Menge. Man kann kaum noch erkennen wie breit der Asphaltstreifen mal gewesen sein muß und leider hat der Sturm, der letztes Jahr Pfingsten das Ruhrgebiet heimgesucht hat, hier auch ganz schön gewütet. Überall liegen umgekippte Bäume, deren Wurzelwerk Teile der Asphaltdecke ausgerissen haben. In der Spitzkehre sind noch die Leitplanken sichtbar, durch die sich die Birken einen Weg gesucht haben. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wo diese Bäume überall wachsen und Halt finden können.

Allerdings finden sich, wenn man genau hinschaut, Relikte aus vergangenen Tagen. Während ich so langsam die Rennstrecke ablaufe wünsche ich mir, ich wäre damals hier gewesen als die Rennwagen noch über die Strecke schossen. Hätte eintauchen können in das Lebensgefühl einer anderen Generation, als man hier noch auf’m Pütt gearbeitet hat und es an jeder Ecke eine Trinkhalle oder eine Kneipe gab, als man um Arbeitsplätze stritt und Tauben züchtete.

Vorbei. Ich lebe heute und in meinem Heute wohnen die Schmetterlinge dort, wo früher in heißen Rennkarren um Pokale gefahren wurde. Ich hätte ihn ja gerne näher abgelichtet aber dafür hätte ich mich bücken müssen. Und, wie Ihr wißt, hatte ich Rücken.

3 Gedanken zu „Von Rennwagen und Rücken“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert