Der graue November ist so ein Monat, der kann einem nur leid tun. Kaum jemand kann ihn gut leiden und er ist auf der kalendarischen Beliebtheitsskala vermutlich der Monat, der weit abgeschlagen das düstere Schlußlicht bildet. Grau ist er, das Wetter ist nass und ungemütlich, vom goldenen Oktober sind nur noch ein paar bunte Blätter an den Bäumen und jetzt wird es abends so früh wieder dunkel. Und als ob das noch nicht genug wäre für den armen November ist er, zumindest in Deutschland, zudem der Monat mit den traurigen Feier- und Gedenktagen. Allerheiligen, Totensonntag, Volkstrauertag … Die Statistik haut dem bedauernswerten Kerl zusätzlich noch die Auszeichnung „Monat mit den meisten Staus und den wenigsten Sonnenstunden“ auf den Schädel um ihm den Rest zu geben.
Zugegen, so in Summe klingt das alles nicht sehr liebenswert. Dennoch freue ich mich dieses Jahr auf diesen ungeliebten Monat. Nicht nur das, ich finde gerade die Idee von grauen, düsteren Tagen, an denen der Wind den Regen an die Scheiben peitscht, aktuell sehr sexy. Seitdem Cookie und ich aus unserem diesjährigen Schwarzwald-Urlaub zurück sind, war irgendwie jedes Wochenende irgendwas, das mich wirkungsvoll davon abgehalten hat, das Wochenende wirklich zur Erholung zu nutzen. Wie machen andere Menschen das, die Vollzeit arbeiten und dann am Wochenende ständig unterwegs sind oder volle Action haben?
Grund Nr. 1: Der graue November beginnt mit einem langen Wochenende.
Zumindest für mich. In der glücklichen Lage zu sein, mich nicht mit Kollegen um die Brückentage prügeln zu müssen, versetzt mich in die privilegierte Situation, den vorletzten Monat im Jahr mit einem langen Wochenende starten zu dürfen. Anders gesagt, meine Firma macht Brückentag und ich mache mit. Für diese vier Tage ist nichts geplant außer gepflegte Langeweile und die Dinge, auf die ich gerade Bock habe, einfach tun zu können. Und wenn ich stundenlang auf der Couch liegen und in den Regen starren möchte, dann tue ich exakt das. Generell habe ich mir dieses Jahr die November-Wochenenden frei gehalten, um zu tun, worauf ich gerade Bock habe. Dieser so ungeliebte Monat bringt mir also Zeit für mich …
Grund Nr. 2: Zeit, sich zum Lesen einzuigeln.
Wenn das Wetter schäbig ist, der Wind ums Haus pfeift und der Regen ans Fenster trommelt, dann gibt es nichts gemütlicheres als sich auf die Couch zu lümmeln und in andere Welten abzutauchen. Schön unter der warmen Decke mit einem spannenden Buch die Zeit vergessen. Hier liegt noch „The Dark Tower“ von Stephen King, den ich schon lange auf Englisch lesen will und zwei Regalmeter, mittlerweile entrümpelt und neu sortiert, voller Bücher, unter denen sich Schätze versteckt hatten, in deren Welten ich immer mal wieder gerne abtauche. Wie Narnia, Osten Ard, Mittelerde, die Scheibenwelt sowie das Universum und der ganze Rest. Nicht zu sprechen von den Sachbüchern und Autobiographien, die ich zu geschichtlichen Themen angesammelt habe.
Lange, ausschweifende Fantasy-Zyklen, mit verschachtelten Handlungssträngen, Nebenschauplätzen und Kleinigkeiten, die mir erst beim dritten Mal lesen auffallen. Ich liebe diese Art von Mehrteilern, die ich nach einigen Jahren wieder lesen und dennoch immer noch Neues entdecken kann. Wenn es also grau und trüb ist, ab in die bunten Welten die sich mir eröffnen sobald ich ein Buch aufschlage und zu lesen beginne.
Grund Nr. 3: Endlich dunkel genug für Kerzenlicht.
Ehrlich, im Sommer macht es keinerlei Spaß die Wohnung mit Kerzen zu erleuchten. Auf dem Balkon vielleicht noch, ich hab allerdings keinen. Abgesehen von der Tatsache, daß es im Sommer lange genug hell ist, der warme Kerzenschein somit wirkungslos verpufft, brauche ich bei tropischen Nächten mit Sicherheit keine zusätzlich Flammen, die mir die Bude aufheizen. Nö, echt nicht. Desto mehr freue ich mich jedes Jahr, wenn die Tage wieder kürzer werden und es sich lohnt, Abends ein halbes Dutzend Kerzen zu entzünden, die mit ihrem warmen Licht für eine gemütliche Stimmung sorgen. Der graue November ohne Kerzen? Kann ich halt nicht.
Übrigens, wenn es draußen früh dunkel wird und warmes Kerzenlicht die Räume erleuchtet fällt der Staub nicht so extrem auf wie im Sommer, wenn die Abendsonne durch die Fenster knallt. Im nächsten Leben bekomme ich staubgraue Möbel …
Grund Nr. 4: Endlich kalt genug für deftige Suppen & Eintöpfe.
Noch etwas, das bei Temperaturen über zwanzig Grad weder Spaß macht noch Genuß bringt. Schon der Gedanke daran, eine kräftige Rindersuppe mit Nudeln zu mir zu nehmen wenn das Wetter nach kurzen Hosen und T-Shirts verlangt? Geht gar nicht. Jetzt ist endlich wieder Zeit, um mir deftige Suppen und herzhafte Eintöpfe schmecken zu lassen. Die mich so richtig schön durch wärmen. Ich bin nicht nur ein großer Suppenkaspar, ich stehe auch auf Wintergemüse. Kohl in allen Varianten? Immer her damit, solange es sich dabei nicht um Grünkohl handelt. Mit dem stehe ich leider ebenso auf Kriegsfuß wie mit dem allgegenwärtigen Kürbis. Zum Glück bieten Herbst und Winter genug andere Gemüsesorten. Es darf jetzt also gerne kalt und ungemütlich werden, schließlich stehen Rosenkohl, Wirsing und Kollegen schon in den Startlöchern, um in Suppen und Eintöpfen ihr Leben zu lassen für gutes Essen, das die Seele wärmt.
Grund Nr. 5: Melancholische Musik fürs Herz.
Alles hat seine Zeit und für mich gehören Herbst und melancholische Musik zusammen wie DocMartens und Schnürsenkel. So wie ich im Winter keine poppige Gute-Laune-Musik höre, gehört es sich nicht im Sommer langsame, melancholische Musik zu hören. Meine Musik-Auswahl orientiert sich tatsächlich an so merkwürdigen Dingen wie Jahreszeiten und Wetter. Jede Jahreszeit hat Musik, die zu ihr paßt. Und zu Kerzenschein bei grauem Novemberwetter gehören für mich Künstler wie zum Beispiel Johnny Cash, Nina Simone, Frank Sinatra, Aretha Franklin, Pink Floyd und mein Lieblingsmelancholiker Leonard Cohen. Oder instrumentale Filmmusik (Klassikradio, noch irgendwer hier?), Klaviersonaten, manchmal auch einfach melancholischen Jazz wie von Billie Holiday.
Grund Nr. 6: Tee trinken.
Wie jetzt? Ernsthaft, führt sie tatsächlich etwas auf, was sie sowieso das ganze Jahr hindurch macht? Ja, denn auch wenn ich wirklich das ganze Jahr Tee trinke, jetzt ist die Zeit gekommen wo es am Wochenende morgens nichts Schöneres gibt, als die Wohnung zu lüften während der Wasserkocher läuft und mir dann eine Tasse Tee aufzubrühen. Mit der warmen Tasse in den Händen im Sessel sitzen während draußen das Dunkel der Nacht allmählich dem Grau des Tages weicht, ein Buch auf dem Schoß und leise Instrumentalmusik im Hintergrund. Oder aber mit einem ruhigen Film fürs Herz den Sonntag beginnen. Anscheinend leide ich seit einiger Zeit an seniler Bettflucht, konnte ich früher problemlos bis Mittags schlafen so bin ich im Moment spätestens um sieben Uhr wach und kann nicht wieder einschlafen.
Auch sonst gehört eine dampfende Tasse heißer Tee einfach zum Herbst dazu. Und das nicht nur, weil man sich daran ganz hervorragend die Hände wärmen kann. So eine Kanne auf dem Stövchen versprüht zudem ungemein Gemütlichkeit. Erst recht, wenn die Kanne nicht nur so auf dem Stövchen herum steht sondern man, in diesem Falle also ich, daran gedacht hat, neue Teelichter zu kaufen damit der Tee auch warm bleibt …
Fazit: Ein gemütlicher November steht ins Haus.
Alles in allem freue ich mich darauf, zur Ruhe zu kommen. Ruhige Musik zu hören, schöne Filme fürs Herz zu gucken oder zu lesen und dabei Tee zu trinken. Ohne mich von schönem Sommerwetter zu einem schlechten Gewissen genötigt zu sehen wenn ich lieber auf der Couch versumpfe statt draußen Vitamin D zu tanken. Der graue November, er hat echt das Zeug ein richtig töfter Monat zu werden!
Und, wie sieht der graue November bei Euch so aus?
Schön wieder von dir zu lesen. Ich mag deine Gedanken zum November sehr. Und ich freue mich auch auf Bücher, Kerzen und Tee. Und hoffentlich den ein oder anderen Spieleabend.
Liebe Grüße, Carmen
Schön, daß Du immer noch vorbei schaust <3
Liebe Grüße,
Mirtana