Klostergebäude Steinfeld, Aufenthalt zum Achtsamkeitskurs Achtsamkeit MBSR Stress reduzieren Meditation

„Einfach nur mal atmen.“ – Teil III

Offensichtlich scheinen Dich Teil I und II von „Einfach mal nur atmen.“ nicht abgeschreckt zu haben und ich freue mich, Dich zum dritten und letzten Teil begrüßen zu dürfen.

Fünf Tage im Kloster. Fünf Tage voll gepackt mit neuen Erfahrungen. Und auch wenn das Programm straff ist, bleibt genug Zeit für mich. Um mich herunter zu fahren, die neuen Informationen und Erfahrungen vorsichtig zu begutachten, spazieren zu gehen oder in der Sonne zu sitzen und eine Tasse Tee zu trinken. Ich genieße das ganz außerordentlich, einfach mal nichts zu tun haben zu müssen sondern einfach nur dort sein zu können.

Und natürlich gab es noch mehr kennen zu lernen im Seminar zur Achtsamkeit als nur stille Meditation, achtsames Yoga und den Bodyscan. Nicht mit allem kam ich gleich gut klar, es gab Übungen, mit denen ich nicht viel anfangen konnte. Allerdings bin ich da sehr pragmatisch veranlagt: nur, weil ich es gerade im Moment nicht gebrauchen kann, bedeutet das im Umkehrschluß nicht auch, daß es sich nicht doch irgendwann mal als nützlich erweisen könnte.

Auch im dritten Teil möchte ich den Rahmen nicht sprengen, ich kann einfach nicht alles erzählen, was ich dort vorgestellt bekommen habe. Deswegen picke ich einfach wieder was heraus. Wie zum Beispiel den Tag des Schweigens.

Einfach mal gar nichts sagen.

Einen Tag schweigen wir. Morgens von der stillen Meditation an, über die Mahlzeiten bis hin zum späten Nachmittag. Einzig unsere Trainerin spricht mit uns – logisch, wie soll sie uns auch sonst durch Meditationen und Körperübungen anleiten. Wildes Gestikulieren bringt schließlich recht wenig wenn alle bei der Meditation die Augen geschlossen haben. Und, um das Schweigen und die Erfahrung damit zu vertiefen, heißt es „Handy aus, keine Musik und auch nicht lesen“. Oha.

Ich bin gespannt, was der Tag mit mir macht. Alleine sein bin ich gewohnt und es gibt tatsächlich Tage, da spreche ich keine fünf Worte. Mit anderen Menschen. Meistens ergibt sich das einfach so. Und ich finde das nicht schlimm, im Gegenteil. Ich bin gerne mit mir alleine. Mit mir und den gefühlt drölfzig Stimmen in meinem Kopf, die alle andere Rollen einnehmen. In meinem Kopf ist es selten ruhig, irgendwer quasselt da immer.

Die Kritische, die alles mit despektierlichen Kommentaren versieht. Die ewig Pessimistische, die zum Glück nur selten in Erscheinung tritt. Die Mobbende, die nicht ein freundliches Wort für mich übrig hat. Die Zweiflerin, die mich unglaublich gerne sabotiert und mir nichts zutraut. Die Ironische. Die Optimistin. Die Genervte. Die bei völliger Ahnungslosigkeit Kompetenz Vortäuschende. Die Chaosqueen und die Ordnungsliebende. Die Lustige und die Nachdenkliche. Die Sarkastische und die Gutgläubige. Ja, da sind sehr viele Stimmen in meinem Kopf und nein, ich sehe das nicht als bedenklich an. Mein innerer Dialog hat einfach viele Klangfarben und Facetten. Mußte ich übrigens auch erst lernen, daß nicht jeder Mensch einen inneren Dialog hat

Mein Busfahrer, der heißt Manni.

Unsere Trainerin gibt uns ein Bild für den Tag. Von einem Bus, in dem vorne ein Busfahrer sitzt. Wir sollen unseren Geist wie diesen Bus betrachten. Beobachten, welche Fahrgäste darin sitzen und wer wann den Bus steuert. Damit kann ich absolut was anfangen, das Bild erscheint mir super geeignet um das Chaos in meinem Kopf zu sortieren. Nach der stillen Meditation stelle ich mir einfach vor, wie all die Facetten meines inneren Dialogs nach und nach in den Bus einsteigen, ihren Sitzplatz suchen und den kleinen, dicken Busfahrer erst mal machen lassen.

Ich taufe den kleinen, dicken Busfahrer auf den Namen Manni und nehme ihn, den Bus und seine Fahrgäste mit zum Frühstück. Mahlzeit einnehmen in Stille. Während ich esse, sortiert sich das Chaos in meinem Kopf, alle haben ihren Sitzplatz gefunden und Manni startet den Bus. Im Laufe des Tages stelle ich immer wieder sehr erstaunt fest, daß in meinem Bus tatsächlich Ruhe herrscht. Und ich kann mich nicht so ganz entscheiden, ob Manni bloß fährt wie die gesengte Sau und alle sich angsterfüllt an den Sitzen festklammern oder ob er so ruhig fährt, daß die Passagiere friedlich eingeschlafen sind. Was auch immer Manni gemacht hat, ich genieße die Ruhe in meinen Gedanken. Und die Gelassenheit des Tages.

In Ruhe mit sich selber sein.

Die Zeiten, in denen wir Pause haben, verbringe ich mit Spazieren gehen und Tagebuch schreiben. Oder einfach nur in Ruhe sitzen, ein wenig stricken und schauen, welche Gedanken an die Oberfläche kommen. Am Ende des Schweigetages fällt es mir tatsächlich schwer, wieder zu reden. Und ich denke über die Frage nach, wann ich das letzte Mal so in Ruhe einfach Zeit mit mir selber verbracht habe. Entspannt und friedlich, ohne ständig irgendwas tun zu müssen, zu sollen oder zu wollen. So viel sei verraten: ich habe sehr weit zurück denken müssen.

Ich bin ein wenig geknickt, als der Tag des Schweigens endet. Meinetwegen hätte das ruhig noch ein wenig so weiter gehen können. Eine sehr schöne Erfahrung, mich selber dabei zu beobachten wenn nichts zu sagen ist. Und wie ich automatisch antworte, wenn mich jemand etwas fragt oder einfach einen guten Morgen wünscht. Fühlt sich einfach sehr unhöflich an, den Gruß nicht zu erwidern oder der freundlichen Bedienung an der Essenausgabe ihre Frage „Was darf es sein?“ mit wildem Gestikulieren zu beantworten.

Ist Dir eigentlich mal aufgefallen, wie unangenehm vielen Menschen Schweigen zu sein scheint und wie bemüht sie dann sind, die Stille mit Worten zu füllen? Richte Deine Achtsamkeit mal darauf.

Und immer wieder was? Richtig, atmen.

So intensiv mit der simplen Tätigkeit des Atmens beschäftigt, wie in dieser Woche, habe ich mich mit sehr großer Wahrscheinlichkeit mein ganzes vorheriges Leben nicht. MBSR arbeitet sehr viel mit bewußtem Atmen. Es ist schon sehr erstaunlich, was ein körperlicher Prozeß, der so gut wie unbemerkt abläuft, für Auswirkungen auf das Befinden haben kann. Die Atmung verändert sich wenn man unter Streß steht, verärgert oder wütend ist, gute Laune hat oder einfach entspannt ist.

Ich neige zum Beispiel bei Anspannung dazu, sehr flach und gepresst zu atmen. Wer nicht? Werde ich mir nun darüber bewußt, dann kann ich tatsächlich mit einer veränderten Atmung die körperliche Anspannung auflösen. Diese Techniken kann jeder lernen, das ist keine Raketenwissenschaft. Dafür braucht es nicht mal einen Bildungsurlaub im Kloster, das geht auch mit Apps oder Videos auf Youtube.

In jeder Meditation, beim Bodyscan, beim Yoga, bei der Gehmeditation und den Körperübungen im Freien, immer wieder geht es ums bewußte Atmen. Die Bewegung mit dem Atem verbinden ist eine Technik, die mir persönlich sehr viel Ruhe in den Kopf bringt. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Gehmeditation, Yoga oder QiGong handelt und ob ich drinnen oder draußen bin. Da ist einfach nicht mehr viel Platz in meiner Aufmerksamkeit für anderen Kram während ich meine Körperbewegung in Einklang mit meinem Atem bringen soll. Atmen ist ein gutes Werkzeug und praktischerweise habe ich es immer dabei.

Was hat mir ein Kurs zur Achtsamkeit gebracht?

Los gefahren bin ich mit relativ wenig Erwartungen, mit vielen Befürchtungen und Selbstzweifel und schlußendlich einer großen Portion Neugier. Und ich glaube, das ist Grund genug, warum mir dieser Bildungsurlaub so viel gebracht hat. Meine Art von Streß ist nicht die von der Art „Zu viel zu tun in viel zu wenig Zeit“. Das, was mir Streß bereitet, ist das, was von außen an mich heran getragen wird und mir mit der Zeit die Grenzen so aufgeweicht hat, daß ich viel zu viel an mich heran lasse. Dinge, die mich aufregen, mich verständnislos ob so viel Dummheit mit dem Kopf schütteln lassen, die mich nerven oder schlicht und ergreifend meine Zeit fressen.

Ich habe in den letzten drei, vier Jahren verlernt, bei mir zu bleiben und klar differenzieren zu können, was mein Zirkus und meine Affen sind. Und was eben nicht. Und alles, was zu nahe an mich heran kommt, verursacht Anspannung. Streß halt.

In den fünf Tagen habe ich eine Menge Werkzeuge vorgestellt bekommen, die mir eine Hilfe dabei sein können, wieder mehr bei mir zu bleiben und erkennen zu können, was tatsächlich mein Zirkus ist und somit meine Energie fordert. Und was eben nicht, sondern nur ein Streß verursachender Faktor. Klar ist mir auch, daß ich nicht mit jeder der vorgestellten und ausprobierten Techniken gleich viel anfangen kann. Nichtsdestotrotz speichere ich sie in meiner Werkzeugkiste ab. Man braucht schließlich nicht jeden Tag einen Zündkerzenschlüssel, aber es ist schon super wenn man einen hat für den Fall, daß die Zündkerze hin ist.

Die Abwechslung von Theorie und Übungen empfand ich als gelungen. Ich mag es einfach, Dinge für mich selber ausprobieren zu können, um herauszufinden, ob sie für mich taugen oder nicht. Es käme auch niemand auf die Idee, Schokolade nicht zu mögen ohne sie zumindest mal probiert zu haben. Oder?

Achtsamkeit ist ein Hilfsmittel, kein Allheilmittel.

Natürlich wäre es super, wenn ich behaupten könnte, daß fünf Tage Bildungsurlaub zum Thema MBSR mein Leben grundlegend zum Guten verändert hätten. Das haben sie nicht. Und es wäre auch vermessen von mir, zu behaupten, daß dem so wäre. Es ging mir nicht darum, daß jemand mit den Fingern schnippst und BÄMM, alles ist gut. Wer so etwas allen Ernstes seinen Kunden verspricht, fällt in meiner Weltsicht unter „Nepper, Schlepper, Bauernfänger“. Und mir wäre es viel zu peinlich, darüber zu reden oder gar öffentlich zu schreiben, sollte ich auf Blender herein gefallen sein.

MBSR ist keine gute Fee, die mit drei Wünschen um die Ecke kommt und mit einem glitzernden Zauberstab alles gut macht, was vorher irgendwie schief gelaufen ist. Sondern ein Werkzeugkasten mit Techniken, die ich dazu nutzen kann, um Veränderungen anzustoßen. Ich bin nicht so naiv, zu glauben, ein paar Tage außerhalb meines normalen Lebens würden eben jenes großartig verändern. „Von nix kütt nix“ sagt man im Rheinland. Exakt. Denn was ich verändern möchte erfordert Arbeit, Geduld und Zeit. Um etwas ändern zu können, muß ich mir darüber bewußt sein, was eigentlich schief läuft. Was sehr einfach klingt, ist in der Praxis eben nicht immer ganz so einfach.

Das Programm ist auch kein Ersatz für fachkundige Hilfe bei psychischen Problemen. Es kann eine Unterstützung sein, das solltest Du aber unbedingt vorher abklären mit Deinem zuständigen Menschen vom Fach. Bitte experimentiere damit nicht auf eigene Faust herum wenn Du psychisch nicht stabil bist! Damit kannst Du Dir schaden und das ist nicht Sinn und Zweck von MBSR.

Linkliebe zum Thema: Klick Dich weiter!

Hier kommen zum Schluß noch ein paar Empfehlungen für Dokumentationen, Artikel und Bücher, die ich Dir ans Herz legen mag wenn Du mehr zum Atmen, Meditation und Achtsamkeit bzw. MBSR wissen möchtest.

Dokumentationen & Artikel:

Quarks – Was wir über das Atmen wissen
Arte – Die heilsame Kraft der Meditation
Planet Wissen – Wie Meditation das Gehirn umbaut
Artikel – Achtsamkeit aus medizinischer Sicht
Sternstunde Philosophie – Ist Achtsamkeit die neue Glücksformel?
Sternstunde Philosophie – Stimmen über den Meditations-Boom
Gerd Scobel – Playlist zu Achtsamkeit & Meditation

Bücher & Podcasts:

Jon Kabat-Zinn – „Gesund durch Meditation“ (Full Catastrophe Living)
Jon Kabat-ZInn – „Im Alltag Ruhe finden“ (Wherever you go, there you are)
Deutschlandfunk Nova – Achtsam

Achtsamkeit & Bildungsurlaub:

Allgemeine Informationen zum Thema Bildungsurlaub
IndiTO – Seminare zum Thema MBSR
Verband der Achtsamkeitslehrenden MBSR-MBCT

Ich wünsche Dir viel Spaß mit den Dokumentationen und Informationen und hoffe, Du kannst Dir ein gutes Bild darüber machen was es mit diesem Ding namens Achtsamkeit und MBSR auf sich hat. Vielleicht ist das auch was für Dich?

In diesem Sinne: immer schön entspannt bleiben, dann hat der Streß keine Chance mehr.

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