Gut erholt vom ersten Teil? Herzlich Willkommen zurück zu Meditation und Co. KG … Schön, daß Du wieder da bist.
Am nächsten Morgen wache ich ausgeschlafen auf, obwohl es mir schwer gefallen ist, in dieser Stille im Kloster tatsächlich in den Schlaf zu finden. Ich wohne in der Stadt, es ist nie wirklich so ruhig bei uns, daß mich meine eigenen Atemgeräusche vom Einschlafen abhalten würden. Im Gegenteil, das Rauschen der Stadt ist meine Einschlafmelodie, was mir erst auffällt, wenn sie fehlt. Und so tappe ich im ersten Licht des neuen Morgens durch die Kälte zum roten Teppich, um in den ersten Tag des Seminars zu starten.
Der klassische Achtsamkeitskurs nach dem Konzept des MBSR wird in einem achtwöchigen Programm vermittelt. Der Zeitaufwand beträgt dabei gute zwei bis drei Stunden pro Woche für die Sitzung, die erlernten Übungen selbständig zu vertiefen ist dann Aufgabe des Teilnehmenden. Dazu kommt noch ein Achtsamkeitstag, meist an einem Wochenende. Somit ist ein Programm über fünf Tage schon recht intensiv und die Fülle dessen, was vermittelt wird, sprengt den Rahmen eines Blogpostes. Von daher habe ich mich dazu entschlossen, mir einzelne Techniken oder wiederkehrende Einheiten raus zu picken und Euch zu erzählen, wie es mir damit erging. Bereit für die drei Themen, die jeden Tag auf dem Programm standen?
Meditation am Morgen: eine halbe Stunde sitzen.
Damit beginnt jeden Morgen um halb acht der Tag: einer stillen Sitzmeditation von einer halben Stunde. Immerhin, ganz unbefangen bin ich in Sachen Meditation nicht, ist das schließlich auch ein Teil meiner Yoga-Praxis. Und am ersten Morgen dachte ich noch „Ach, kein Problem, still sitzen und atmen, das kann nun wirklich so schwer nicht sein.“ … Hochmut kommt eben vor dem Fall. An dieser Stelle möchte ich Dich zu einem kleinen Experiment einladen:
Setz Dich gerade und bequem hin, schließe die Augen und versuche für fünf Atemzüge, Dich ganz bewußt nur auf Deinen Atem zu konzentrieren. Sonst nichts. Das Einatmen mit ganzer Aufmerksamkeit verfolgen. Genauso wie das Ausatmen. Ein und Aus. Wahrnehmen, wie der Atem in den Körper strömt und wieder hinaus, wie sich der Brustraum weitet und zusammen zieht. Und nur bei dem Prozess des Atmens bleiben, Gedanken einfach ziehen lassen statt sie zu verfolgen.
Einfach nur mal atmen?
Und, wie hat das bei Dir so geklappt? Bis fünf gekommen? Lautet Deine Antwort „Ja“ gratuliere ich Dir. Und bin ein klitzekleines bißchen neidisch. Leider hat es bei Dir nicht geklappt? Tja, dann heiße ich Dich willkommen im Club. Bei mir hat das auch nicht funktioniert. Obwohl wir vor der Meditation von unserer Trainerin den Tip bekommen, uns einfach drei Atemzüge lang auf nichts anderes zu konzentrieren als, genau, Ein- und Ausatmen. Das einfachste, was man in der Meditation tun kann: sich aufs Atmen konzentrieren.
Und das will am ersten Morgen bei mir überhaupt nicht klappen, spätestens beim zweiten Ausatmen ist mir mein Geist wild davon galoppiert. Und wenn er nicht wie ein vom Hafer gestochener Gaul durch die Gegend prescht, dann erzählt er mir so wichtige Informationen wie „Dein rechter Fuß schläft gerade ein. Es juckt hinter dem linken Ohr. Da ist gerade ein Auto auf den Hof gefahren. Irgendwer bewegt sich hier. Deine Pobacken sind nicht mehr zu spüren. Das Knie kribbelt und dein Wollsocken ist verrutscht. Die Heizung pfeift. Es zieht am linken Ellenbogen. Du beißt die Zähne zusammen …“
Von wegen mal eben locker flockig eine halbe Stunde sitzen … Frustriert schlage ich nach dem Erklingen des Gongs, der das Ende der stillen Sitzmeditation einläutet, die Augen wieder auf. Läuft ja super. Nicht. Und die Pobacken sind mir auch eingeschlafen. Am Ende der ersten morgendlichen Meditation bin ich immerhin um zwei Erkenntnisse reicher.
Morgenmuffel, neu definiert.
Erste Erkenntnis: ich war schon immer ein Morgenmuffel. Es ist keine gute Idee, mich anzusprechen wenn ich noch keine Stunde wach bin. Und ich habe immer gedacht, ich würde halt so in Etappen wach und die ersten sechzig Minuten nach dem Aufwachen deswegen auf Autopilot laufen weil mein Hirn schubweise hoch fährt. Stimmt so nur bedingt. Ich bin ein Morgenmuffel weil mein Geist morgens nach dem Augen aufschlagen wie eine Herde Wildpferde durch die Gegend galoppiert und mir gefühlt mindestens sechs Stimmen ins innere Ohr brüllen.
Was den Tag zu tun ist, was ich nicht vergessen darf, ob die Sonne scheint, wie laut die Vögel sind, der Zustand diverser Körperteile, To-Do-Listen, Ideen für welches meiner Hobbys auch immer, Fragen, zusammenhanglose Bemerkungen … Und, und, und … Während ich das dreckige halbe Dutzend zur Räson bringe, läuft alles andere dann in der Tat nur auf eingeschränktem Autopilot. Tee kochen, duschen, Frühstück machen und was ich morgens sonst noch so tue bevor ich zur Arbeit fahre. Da ist nicht viel Aufnahmekapazität für die Außenwelt übrig.
Zweite Erkenntnis: die verdanke ich keiner inneren weisen Einsicht, sondern unserer Trainerin. Die prägt am ersten Morgen den wunderbaren Satz „Wenn ihr eine halbe Stunde einfach sitzen bleibt, dann habt ihr schon gewonnen.“ Und den Morgen als Gewinner beginnen fühlt sich wesentlich besser an als frustriert zu sein weil man seinen Geist nicht mal zwei Atemzüge lang bei der Stange halten kann. Es war eine verdammt lange halbe Stunde, die gefühlt auch einfach nicht enden wollte. Wer hätte gedacht, daß einfach nur still im Schneidersitz auf der schurwollenen Yogamatte zu sitzen so verdammt anstrengend sein kann? Spoiler: ich nicht.
Interessanterweise fällt mir die morgendliche Meditation mit jedem Tag leichter und am letzten Tag schaffe ich es tatsächlich schon, mich sechs bis sieben Atemzüge lang zu konzentrieren bevor mir mein Geist durch die Finger entwischt und in den Sonnenaufgang trabt.
Aber Yoga, das kann ich!
Zum MBSR gehört auch achtsames Yoga. Eine sanfte und ruhige Durchführung von Übungen, bei denen es nicht primär um das Erreichen merkwürdiger Ziele wie „bringe deinen linken großen Onkel an dein rechtes Ohrläppchen, bleib dabei auf dem rechten Fußballen stehen und verschränke gleichzeitig die Arme hinter dem Rücken“. Wir alle kennen die hübschen Bilder der human-gordischen Knoten, die einem im Internet entgegen springen wenn man nach „Yoga“ sucht.
Zum Glück für mich, die ohnehin nicht in der Lage ist, ihren Körper in einen gordischen Knoten zu verwandeln ohne danach einen langen Krankenhausaufenthalt einplanen zu müssen, geht es beim MBSR darum, Atem und Körperbewegung zu verbinden, ein Gefühl für den eigenen Körper zu bekommen und achtsam in sich hinein zu hören.
Und so genieße ich die morgendliche Yoga-Stunde. Mir gefällt das, dieses sanfte Strecken und Dehnen, Halten und Loslassen und dabei zu spüren, was welche Bewegung wie auslöst. Eine Stunde einfach nur mal atmen und sachte bewegen. Ich kann merken, wie die Anspannung weicht und mein Körper sich mobiler anfühlt. Diese Art Yoga ist ganz und gar meins und am Ende der Stunde fühle ich mich wohl, entspannt und beweglich.
Die intensive Verbindung von achtsamer Bewegung mit der Atmung hilft mir, tatsächlich das Gedankenkarussel zur Ruhe zu bringen und mich ganz auf den Moment zu konzentrieren. Sorgen, Fragen, To-Do-Listen, Zweifel, Kommentare … Was mir sonst ständig durch den Kopf zu schwirren scheint, kann ich einfach los lassen und dann? Ist Ruhe.
Was kommt nach Sitzen und Bewegen?
Liegen. Auf dem Boden. Yoga und Meditation kannte ich bereits vorher, inklusive eigener Erfahrungen mit Beidem. Was ich bis zum Seminar nicht kannte, ist eine Technik oder Methode, die „Bodyscan„ heißt. Dabei macht man genau das, nämlich Scannen. Während man auf dem Boden liegt läßt man die Aufmerksamkeit durch den Körper schweifen. Dabei registriert man aufmerksam und sorgfältig die Empfindungen. Ohne sie zu werten oder zu verurteilen. Klingt gut.
Yoga-Praktizierende werden das Gefühl kennen: die Entspannung am Ende einer jeden Yoga-Stunde, Shavasana, ist immer viel zu schnell vorbei. An dieser Stelle möchte ich mir die Worte meines Nachbarn zur Linken ausleihen, der mir im Austausch folgendes sagte „Ich hab ja immer davon geträumt, mal so eine ganze Yoga-Stunde nix anderes als Shavasana zu machen. Der Traum ist gerade gestorben.“ Besser kann ich das auch nicht auf den Punkt bringen.
Einfach mal entspannen? Aua!
Natürlich war ich der Meinung, es kann schon nicht so schwer sein, nur entspannt auf dem Boden herum zu liegen und mich unter Anleitung durch meine einzelnen Körperregionen zu scannen. Genau, man ahnt es schon. Ein weiteres gelungenes Beispiel für „Hochmut kommt eben vor dem Fall“. Von wegen entspannt, damit fing es schon an. Ständig tat irgendwas anderes weh oder es wurde einfach unglaublich schmerzhaft, in bestimmten Regionen (Schulter! Nacken! Unterer Rücken!) die Muskulatur locker zu lassen. Seit wann tut Entspannen bitte so scheiße weh?! Ebenso war ich nicht in der Lage, der Anleitung zu folgen ohne ständig in eigene Gedankenwelten (Schulter Aua! Nacken Aua! Unterer Rücken Aua!) abzudriften.
„Wieso jetzt linker Oberschenkel? Waren wir nicht gerade noch beim rechten Fußgelenk? Hab ich was verpaßt? Bin ich eingeschlafen? Fehlt mir was vom Körper? Moment, nicht linker Unterschenkel? Wie jetzt, wo sind wir?“ … So ging das die ganze Zeit in meinem Kopf. Der erste Bodyscan war eine sehr, wirklich sehr lange halbe Stunde und ich schwor mir, das mache ich nicht noch mal mit. Das ist Folter!
Um es vorweg zu nehmen: natürlich habe ich auch jeden weiteren Bodyscan mit gemacht. Und hier passierte das Gleiche wie bei der morgendlichen Meditation. Es wurde mit jedem Mal einfacher und beim dritten Mal mochte ich gar nicht glauben, daß da tatsächlich ganze dreißig Minuten vergangen waren. Wir hatten doch gerade erst angefangen? Am Ende der Woche komme ich zu dem Schluß, daß Bodyscan eine wirklich feine Sache ist.
Zu guter Letzt: Fortsetzung folgt.
Und nachdem Du bis hier hin zum bitteren Ende durch gehalten hast, enden wir für heute, sind aber noch nicht am Ende. Schließlich stand, neben Theorie noch viel mehr auf dem Programm und wir haben noch nicht darüber geredet, was mir das Ganze eigentlich gebracht hat. Von daher dürfen wir uns auf noch mehr Worte im dritten Teil freuen. Bis dahin wünsche ich Euch schöne Tage ohne Streß.