“Der elegante Schwan” oder: Eleganz? Kann ich!

Sonntag Nachmittag, 22° C sagt das Thermometer, draußen Sonnenschein und leichter Wind. Perfektes Wetter, um den späten Nachmittag mit einer kleinen Runde auf meinem Motorrad zu krönen. Kurzentschlossen schieße ich mich in meine Motorrad-Kombi und nein, so eine Vollmontur ist im Falle der Zombie-Apokalypse, in der es darauf ankommt, möglichst schnell sehr viel Platz zwischen mich und die anrückende Horde Untoter zu bringen, nicht empfehlenswert … Das dauert halt, bis ich die ganzen Plörren sicher am Körper habe. Und nein, Eleganz in Kombi geht anders. Ich bin mehr so das Modell Gelsenkirchener Barock Schrankwand. Scheiß auf Eleganz, Hauptsache gut gepolstert!

Ich fahre ohne Navi. Das Schwänchen (ja, das Motorrad hat einen Namen und ja, es heißt wirklich “Das Schwänchen”…) hat zwar eine Halterung und kam mit dem dazu gehörigen Navi, aber ich habe das Teil noch nie benutzt. Schließlich habe ich kein wirkliches Ziel, sondern fahre der Nase nach und wenn ich meine, es wäre jetzt Zeit für den Heimweg, fahre ich so lange den Schildern nach, bis die mir irgendwas ansagen, das ich kenne. Dorsten oder Haltern, Marl oder Gelsenkirchen. Irgendwann taucht immer etwas auf den Schildern auf, von wo aus ich dann nach Hause finde. Ich kann zwar rechts und links nicht auseinander halten, doch zum Glück hat das keine Auswirkungen auf meinen Orientierungssinn.

So tuckere ich gemütlich mit siebzig, achtzig über kleine Landstraßen. Viele Bauernhöfe, viele Kühe, ab und zu Pferde. Entgegenkommende Motorradfahrer grüßen freundlich, es sind erstaunlich wenig Autos unterwegs und alles ist schick. Hach, genau für dieses Gefühl hab ich den Lappen schließlich gemacht! Bis mich wesentlich später ein Blick auf die Uhr meines Cockpits daran erinnert, daß es eventuell Zeit wäre, jetzt mal wieder eine Richtung einzuschlagen, die mich gen Heimat führt. Tja, da fällt mir auf, ich habe schon lange kein Schild mehr gesehen und wo bin ich hier eigentlich? Anscheinend bin ich irgendwie über Nebenstraßen in einem Industriegebiet gelandet. Kann man mal machen, ist jetzt landschaftsmäßig allerdings weniger zum Blümchen pflücken geeignet.

Naja, denke ich mir. Fährst du halt auf den Supermarktparkplatz dort und guckst mal eben auf dem Handy, wo du hier bist und wo du ungefähr lang musst. Brauche nur die nächste Hauptstraße, ab da wird es schon gehen. Gedacht, getan. Ich rolle also mit dem Schwänchen auf den verlassenen Parkplatz eines Supermarktes, schön unter die Bäume damit mir die Sonne nicht auf den Helm brennt. Mache den Motor aus, stelle die Füße auf den Boden und will mit der linken Hand an die rechte Brusttasche greifen, um das Handy heraus zu holen. Verlagere dabei mein Gewicht auf den rechten Fuß …

Und, was passiert? Genau, nichts Gutes. Ich rutsche mit dem rechten Fuß auf irgendwas Schmierigem, was sich später als moosbewachsene Pflastersteine entpuppen wird, in Zeitlupe weg. Und meine Maschine tut das, was alle Körper auf diesem Planeten tun. Sie folgt der Schwerkraft. So hänge ich also in einem, wohlgemerkt sehr schmerzhaftem, Spagat auf meinem Motorrad, das sich gemütlich dem Erdboden nähert und habe absolut keine Chance, das Unvermeidbare aufzuhalten. Zum krönenden Abschluß dieser peinlichen Momentaufnahme purzle ich aus meinem unfreiwilligen Spagat sehr unelegant auf den Allerwertesten.

Kennt Ihr das, wenn kleine Kinder sich auf die Nase legen und dann zwei Sekunden überlegen, ob sie jetzt losbrüllen sollen oder nicht? Anscheinend dauert dieser Schreckmoment länger je älter man wird. So sitze ich neben meiner umgekippten Maschine und kann mich für eine halbe Minute auch nicht entscheiden ob ich jetzt lauthals losfluchen soll oder ob haltloses Flennen die angebrachtere Reaktion wäre.

Diese Maschine wiegt 250 Kilogramm. Zweihundertfünfzig Kilogramm Motorrad, die jetzt auf der rechten Seite liegen und die ich, um nach Hause zu kommen, wieder in die Senkrechte bringen muss. Alter, zweihundertfünfzig Kilogramm, das ist eine Vierteltonne und die soll ich jetzt aufheben? Allein?! Ein sehr unschönes Gefühl von Panik beginnt irgendwo in meinem Magen den Weg durch den Rest meines Körpers zu finden. Was mache ich denn jetzt? Doch einfach losflennen?

Ratlos stehe ich nun auf diesem verlassenen Supermarktparkplatz. Weit und breit kein Mensch zu sehen, den ich um Hilfe bitten könnte. Ja, ich bitte fremde Menschen um Hilfe wenn ich alleine nicht klar komme und riskiere schon mal, mich dabei zum Volldepp zu machen … Wenn denn jemand da wäre. Da fällt mir ein, daß ich mal ein Video von einer sehr zierlichen Dame gesehen habe, die erklärt, wie man eine umgekippte Honda Goldwing wieder aufgerichtet bekommt. Wenn dieses zierliche Persönchen es schafft alleine so ein fahrbares Sofa Monstrum in die Senkrechte zu wuchten, dann sollte ich, gefühlt doppelt so groß und doppelt so breit, wohl in der Lage sein, meine Vierteltonne Motorrad wieder hoch zu bekommen. Wie ging das doch gleich noch mal?

Denn mal ehrlich, mir die Blöße geben und Cookie anrufen, um ihm zu erklären daß ich so dämlich war, mich im Stand von meinem Moped werfen zu lassen und jetzt den Bock nicht aufgestellt kriege, will ich mit Sicherheit nicht. Der hätte mir den Kopf abgerissen wenn er ewig durchs Land eiern muss für so einen Blödsinn. Damit hätte ich noch leben können, mit dem abgerissenen Kopf, doch mir die nächsten drei Jahre seinen Spott anhören, daß er mich aus so einer bescheuert absurden Lage hat befreien müssen? Auch wenn mein Stolz gerade sehr böse auf die Kauleiste gekriegt hat, die Vorlage liefere ich nicht. Im Leben nicht.

So, erst mal nach sicherem Stand gucken, es wäre nicht zielführend, schon wieder auf irgendwelchem Schmier wegzurutschen und mich unter dem Motorrad zu begraben oder die ganze Chose auf die andere Seite zu werfen. Den Seitenständer ausgeklappt, den ersten Gang eingelegt, mich mit dem Rücken zur Maschine gestellt und die Hände an Lenker und Gepäckträger. Langsam in die Knie gehen und vorsichtig das Schwänchen mit dem Allerwertesten nach oben drücken. Bis sie sicher wieder auf dem Hauptständer steht.

Danach den Helm ausziehen und mich auf einen Poller setzen. Einatmen, Ausatmen. Zehn Minuten lang. Und dabei darüber nachdenken, vielleicht doch noch eine Runde zu heulen. Nur so zur Sicherheit. Habe mich dann allerdings dagegen entschieden und lieber geguckt, ob das Schwänchen von meinem akrobatischen Stunt Schäden davon getragen hat. Ein Hoch auf die Sturzpads! Das rechte ist zwar jetzt unschön verschrammt, dafür ist es ja auch da, und das ist zum Glück die einzige Spur, die mein stehender Abflug hinterlassen hat. Mein Zweirad hat mir die unfreiwillige Seitenlage nicht weiter übelgenommen. Halleluja!

Ach ja, nach dem Weg zu schauen habe ich über den Schreck vollkommen vergessen. Ich bin schlicht den Weg, den ich gekommen bin, so lange zurück gefahren bis ich wieder auf einer Hauptstraße war. Da stand ein paar Kilometer weiter ein Schild „Dorsten 14 km“, von da aus war der Weg nach Hause nicht mehr schwer. Ich falle zwar nicht elegant vom Moped, doch wenigstens auf meinen Orientierungssinn ist am Ende des Tages Verlaß.

Und die Lektion der Geschichte? Nun, immerhin weiß ich jetzt mit Sicherheit, ich kann eine Vierteltonne Motorrad wieder aufstellen. Allein. Hätten wir das auch mal geklärt. Nur, falls jemals jemand daran gezweifelt haben sollte … An meiner Eleganz hingegen arbeite ich noch.

3 Gedanken zu „“Der elegante Schwan” oder: Eleganz? Kann ich!“

  1. Puh. Zum Glück ist weder Dir noch Deinem Schwänchen was passiert.
    Und vielen Dank für das Video. Ich fahr jetzt zwar schon 8 Jahre (der Lappen war mein Geburtstagsgeschenk an mich zum 50sten), aber das hab ich noch nie gesehen – und in der Fahrschule lernt man sowas ja auch nicht.
    Ich hätte meine Vulcan (die wiegt allerdings “nur” kg) letztes Jahr beinah am Kitzbüheler Berg in die Tiefe geschossen. Ging auch grade noch mal gut …

    1. Das Glück ist mit den Dummen – hat mein Omma immer gesagt 😉

      Ich hab mir den Führerschein zum vierzigsten Geburtstag geschenkt, beste Entscheidung die ich je getroffen hab. Das Video (oder ein ähnliches) hat jemand im Motorrad-Forum gepostet und glücklicherweise ist das bei mir hängen geblieben.

      Solche Dinge lernt man tatsächlich nicht in der Fahrschule. Beim Fahrsicherheitstraining lernt man das. Ich hab noch einen Gutschein für ein Sicherheitstraining beim ADAC, musste ich dank Corona auf nächstes Jahr verschieben. Aber da freu ich mich auch drauf.

      Liebe Grüße,
      Frau Mirtana

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